Beschreibung rotierender Moleküle leicht gemacht

Neue numerische Technik zur Beschreibung von Molekülen in Flüssigkeiten

24.12.2018 - Österreich

Feynman-Diagramme sind ein leistungsstarkes Werkzeug in der Physik der kondensierten Materie. Die Methode, die hochkomplexe Gleichungen in einfache Diagramme umwandelt, hat sich als eines der wirkungsvollsten Werkzeuge in der theoretischen Physik etabliert. Giacomo Bighin, ein Postdoc in der Forschungsgruppe von Mikhail Lemeshko am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), hat die Technik nun erweitert: War sie ursprünglich für subatomare Teilchen, also sehr einfache Teilchen, konzipiert, so kann sie nun auch auf weitaus komplexere Objekte, nämlich Moleküle, angewendet werden. Die in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlichte Arbeit soll die Beschreibung von Molekülrotationen in Lösungen drastisch vereinfachen. Dies bringt die Wissenschaftler ihrem langfristigen Ziel, chemische Reaktionen in Lösungsmitteln auf mikroskopischer Ebene zu verstehen und möglicherweise zu steuern, einen Schritt näher.

IST Austria/Birgit Rieger

Feynman-Diagramme können nun auch benutzt werden, um rotierende Moleküle zu beschreiben

Manchmal ist die Lösung eines Problems näher als gedacht, zum Beispiel kann sie in einem anderen Bereich des eigenen Forschungsfeldes zu finden sein. Aber über Disziplinen hinweg zu denken ist schwierig und erfordert eine gute Kombination der Expertise sowie eine Umgebung, die interdisziplinäre Kooperationen unterstützt. Eine solche Umgebung fand Giacomo Bighin am IST Austria vor, als er, ein Festkörperphysiker, in die Forschungsgruppe von Mikhail Lemeshko, einem Molekülphysiker, kam. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist eine neue Methode für die Molekülphysik, die die Beschreibung rotierender Moleküle in Lösungen erheblich erleichtern kann und den Weg zu einer möglichen zukünftigen Steuerung ihrer Reaktionen ebnet.

„Moleküle sind ständig in Drehung, und wie sie miteinander wechselwirken, hängt von ihrer relativen Orientierung ab. Treffen sie ein anderes Molekül mit dem einem Ende, so hat das einen anderen Effekt als wenn sie es mit dem anderen Ende treffen “, erklärt Mikhail Lemeshko. In Experimenten mit molekularen Gasen ist es bereits gelungen, die Orientierung von Molekülen und damit ihre chemischen Reaktionen zu kontrollieren, dasselbe auch in Lösungsmitteln zu tun, ist aber schwierig. Dies ist das langfristige Ziel, auf das Mikhail Lemeshko und seine Gruppe Schritt für Schritt hinarbeiten. Der Schritt, den sie gerade erfolgreich getan haben, besteht darin, die Rotation eines Moleküls in einer Lösung besser beschreiben zu können. Dies stellt eine Voraussetzung für die Kontrolle der Reaktionen in dieser Umgebung dar.

Die Übertragung der Methode war alles andere als einfach. „Feynman-Diagramme funktionieren für strukturlose Teilchen wie zum Beispiel Elektronen. Strukturlos bedeutet, dass sie von Rotationen nicht verändert werden: Dreht man ein Elektron, sieht es genauso aus wie zuvor. Moleküle dagegen sind komplexer und können sich drehen und ihre Orientierung im Raum verändern“, erklärt Giacomo Bighin. Um die Methode von Elektronen auf Moleküle zu übertragen, musste er einen neuen Formalismus entwickeln. Zuvor war nicht bekannt, ob die Methode für Moleküle überhaupt funktionieren würde, und ihre Anpassung dauerte mehr als ein Jahr. Nun ist der Formalismus für den Einsatz in chemischen Problemen bereit. „Wir erwarten, dass Leute mit einem molekularen Hintergrund sehen werden, dass es jetzt möglich geworden ist, Moleküle auf diese Weise zu untersuchen. Die Methode liefert extrem präzise Ergebnisse in der Physik der kondensierten Materie und hat das Potential, die gleiche Genauigkeit auch in molekularen Simulationen zu erreichen “, fügt Lemeshko hinzu.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...