Erster Röntgenlaser auf Atom-Basis
Max-Planck-Forscherin Rohringer und ihre Kollegen vom Lawrence Livermore National Laboratory und der Colorado State University nutzten für ihre Versuche den sogenannten Freie-Elektronen-Laser LCLS am SLAC. In Freie-Elektronen-Lasern werden Elektronen per Teilchenbeschleuniger bis nahe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und mit starken Magneten auf einen gezielten Schlingerkurs gebracht. Dabei erzeugen sie laserartige Strahlung im Röntgenbereich. Im Gegensatz dazu basieren traditionelle optische Laser auf der Strahlung von Atomen, die zum Leuchten angeregt werden. Dieses Leuchten verstärkt sich im Lasermedium selbst. Das war bislang im Röntgenbereich nicht möglich, weil die Anregung der Atome in diesem Bereich sehr intensive Strahlung erfordert. Das Team um Rohringer hat mit Hilfe der LCLS nun den ersten Röntgenlaser auf Atom-Basis realisiert – mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung der ursprünglichen Idee.
Röntgenlaser können wegen ihrer kurzen Wellenlänge atomare Details sichtbar machen und mit ihrer ultrakurzen Pulsdauer Schnappschüsse schneller molekularer Prozesse aufnehmen. So lässt sich etwa der Verlauf chemischer Reaktionen ablichten. Je reiner die Farbe des Lasers und je kürzer der Blitz, desto schärfer wird dabei das Bild.
Die Forscher schickten den 40 bis 80 Femtosekunden (eine Femtosekunde ist ein Billiardstel einer Sekunde) kurzen Röntgenpuls der LCLS durch eine Zelle mit Neongas von hoher Gasdichte. Der Röntgenstrahl fraß sich dabei eine schmale Schneise durch das Gas, entlang derer die Neonatome ionisiert wurden. Das heißt, dass jeweils ein inneres Elektron aus den Neonatomen herausgeschlagen wurde. Von den übrigen äußeren Elektronen der Atome rutschte daraufhin nach kurzer Zeit je eines nach innen und sandte dabei einen Röntgenpuls aus. Nach dem Laser-Prinzip der Selbstverstärkung animierte dieser Puls das nächste Atom zu einem Röntgenpuls, so dass sich die zahlreichen Pulse zu einem Röntgen-Laserblitz überlagerten. Die Wellenlänge dieses Röntgenlichts lag bei 1,46 Nanometern (millionstel Millimetern). Zum Vergleich: Die meisten angewandten Laser im optischen Bereich haben eine Wellenlänge von 800 Nanometern. Die Wellenlänge bestimmt die Größe der Details, die sich in dem jeweiligen Licht noch erkennen lassen.
„Das erzeugte Röntgenlicht ist etwas schwächer als dasjenige des Freie-Elektronen-Lasers, hat jedoch eine stabilere Wellenlänge, ein glatteres Pulsprofil und eine kürzere Pulsdauer“, erläutert Rohringer. Auch Freie-Elektronen-Laser haben bereits eine scharf definierte Farbe. Die Energie – und damit die Wellenlänge – ihrer Röntgenstrahlung schwankt um etwa 15 Elektronenvolt, bei einer Energie von rund 1000 Elektronenvolt. Beim Röntgenblitz aus den Neonatomen lag diese Schwankung lediglich bei 0,25 Elektronenvolt – das ist sechzigmal schärfer.
Die Röntgenblitze aus dem Freie-Elektronen-Laser und aus den Neonatomen haben unterschiedliche Wellenlängen. So entsteht ein Zweifarb-Röntgenlaser, bei dem beide Pulse optimal synchronisiert sind. Das lässt sich etwa nutzen, um mit einem Puls einen Prozess zu starten – wie etwa eine chemische Reaktion oder Anregung oder eine Strukturumwandlung in einem Festkörper – und diesen Prozess dann mit dem Puls anderer Farbe nach einer bestimmten Zeit abzulichten. Führt man einen der Pulse über einen fest definierten Umweg, lässt er sich um eine gewünschte kurze Zeitspanne verzögern, um etwa verschiedene Stadien einer chemischen Reaktion abzulichten. Da beide Pulse zeitgleich erzeugt werden, lässt sich diese Zeitspanne genau bestimmen.
Am Hamburger CFEL erforscht Rohringer nun, wie sich diese Technik erweitern lässt. „Wir untersuchen beispielsweise, wie wir zu noch höheren Energien gehen können, und ob es auch möglich ist, Moleküle, etwa Sauerstoff, statt Neonatomen als Lasermedium zu nutzen.“
Originalveröffentlichung
“Atomic inner-shell x-ray laser at 1.46nm pumped by an x-ray free electron laser”; Nina Rohringer, Duncan Ryan, Richard A. London, Michael Purvis, Felicie Albert, James Dunn, John D. Bozek, Christoph Bostedt, Alexander Graf, Randal Hill, Stefan P. Hau-Riege and Jorge J. Rocca; Nature, Bd. 481, S.488