Atome rennen sehen: Phasenübergang live beobachtet
Beschleunigung der Atome lässt jeden Porsche stehen
© Dr. Andreas Lücke/Universität Paderborn
Egal wie klein sie sind, die uns im Alltag umgebenden Dinge sind dreidimensional: Salzkristalle, Pollen, Staub. Selbst Alufolie hat eine gewisse Dicke. Das erste echte zweidimensionale Material, das Graphen, kennen wir erst seit weniger als 15 Jahren. Mittlerweile wird es wegen seiner hervorragenden elektronischen Eigenschaften unter anderem in transparenten Displays eingesetzt.
Noch mehr versprechen sich Wissenschaftler von eindimensionalen Systemen – wie auf einer Perlenschnur aufgereihten Atomen. Diese dünnsten Drähte der Welt sind jedoch instabil, die Gründe dafür noch zu wenig untersucht. Hier setzt die Arbeit von Dr. Tim Frigge aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Horn-von Hoegen an:
Seine Probe bestand aus zwei einzelnen Ketten von Indiumatomen auf einer Unterlage aus Silizium. Oberhalb von rund -140°C bilden die Atome lange Ketten: So ist das System metallisch und leitet den elektrischen Strom. Unterhalb der Temperaturgrenze rutschen die Atome jedoch paarweise zusammen und formen Sechsecke. Das System wird zum Isolator.
Dieser Übergang findet blitzschnell innerhalb von nur 350 Femtosekunden statt. Um ihn zu untersuchen, haben die Forscher ihn künstlich hervorgerufen. Mehrere Millionen Male, allein 5.000-mal pro Sekunde. Dazu haben sie das Material bei rund -243°C mit einem ultrakurzen Laserpuls angeregt und so trotz eisiger Kälte in den kettenförmigen Metall-Zustand überführt, den es sonst nur bei höheren Temperaturen einnimmt. Anschließend fällt das System von allein in einer Art Dominoeffekt in den nicht-metallischen Zustand zurück.
Um diesen Phasenübergang zu verfolgen, schießen die Physiker einen Elektronenstrahl auf ihre Probe. Dessen Beugung lässt auf die Position der Atome rückschließen. Nimmt man alle 50 Femtosekunden ein solches Beugungsbild auf, so ergibt sich in Summe ein „Molecular Movie“: Ein Film, der den Weg der Atome über die Probenoberfläche zeigt – „wie bei einem Daumenkino“, erklärt Frigge.
Mit diesem Film auf atomarer Ebene sind die Forscher den ersten Schritt gegangen, eindimensionale Systeme zu verstehen – und anschließend möglichst nach Wunsch zu beeinflussen. Übrigens: Dabei konnten sie nicht nur den Weg der Atome beobachten, sondern auch deren Geschwindigkeit berechnen. Rund 100 km/h erreichen diese auf der Kurzstrecke. Aber in winzigsten Bruchteilen einer Sekunde und mit einer Beschleunigung, die Billionen mal höher ist als die eines Porsche.
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