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ChiralitätDie Chiralität (griechisches Kunstwort, die Händigkeit, abgeleitet vom Wortstamm χειρ~, ch[e]ir~ - hand~), in der Kristallographie auch als Enantiomorphie bezeichnet, nennt man die Eigenschaft bestimmter Gegenstände oder Systeme, dass ihr Spiegelbild durch Drehung nicht mit dem Original zur Deckung gebracht werden kann. Objekte mit dieser Eigenschaft nennt man dabei chiral, im Gegensatz zu achiral. Gängige Beispiele sind rechte und linke Hand oder rechts- bzw. linksgewundene Schneckenhäuser. Allgemein ist ein Objekt genau dann chiral, wenn es keine Drehspiegelachse besitzt. Andere Symmetrieelemente können aber durchaus vorhanden sein, d. h. ein chirales Objekt ist nicht zwangsläufig asymmetrisch. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
PhysikIn der Physik spricht man von Chiralität, wenn die Gesetzmäßigkeiten von zwei zueinander spiegelbildlichen Systemen betrachtet werden. Die Wellenfunktion der Fermionen lässt sich in zwei Teile zerlegen, die bei einer Raumspiegelung (Paritätstransformation) miteinander vertauscht werden. Die zugehörige quantenmechanische Größe wird ebenfalls Chiralität genannt. Für masselose Fermionen ist die Chiralität gleich der Helizität. Beispiel: Paritätsverletzung des Betazerfalls. ChemieIn der Chemie bezeichnet Chiralität die räumliche Anordnung von Atomen, bei denen bestimmte Symmetrieoperationen, zum Beispiel die Spiegelung an einer Molekülebene, nicht zu einer Selbstabbildung führen. Hierbei können sowohl einzelne oder mehrere Atome in einem Molekül eines oder mehrere stereogene Zentren darstellen als auch die gesamte Molekülgestalt die Chiralität ausmachen. Chiralität beruht meist auf der unterschiedlichen räumlichen Anordnung von Atomen und Atomgruppen um eines oder mehrere Stereozentren. So stellen z. B. Kohlenstoffatome mit vier verschiedenen Substituenten ein stereogenes Zentrum oder Stereozentrum dar, bei dem zwei verschiedene räumliche Anordnungen möglich sind. Neben Kohlenstoff können auch andere Atome wie zum Beispiel Phosphor Stereozentren ausbilden. Entscheidend ist hierbei, dass die Substituenten ihre relative Lage zueinander nicht ändern können, was im Falle des Phosphors durch eine ausreichend große Inversionsbarriere gewährleistet ist. Stickstoff kann meist nur in gespannten Systemen als Stereozentrum fungieren, da Stickstoff sonst in hoher Frequenz oszilliert und somit ständig invertiert. Am chiralen Stickstoffzentrum gilt das freie Elektronenpaar als vierter Substituent. Dieser besitzt die niedrigste Priorität aller Substituenten. Moleküle, deren Bild und Spiegelbild sich nicht zur Deckung bringen lassen, sind also chiral. Die beiden somit unterscheidbaren spiegelbildlichen Formen eines solchen Moleküls werden als Enantiomere bezeichnet. Die Enantiomere können durch ihre unterschiedliche optische Aktivität unterschieden werden. Eine Mischung mit gleichen Anteilen beider Enantiomere wird Racemat oder racemisches Gemisch genannt. Im einfachsten Fall liegt in der organischen Chemie Chiralität dann vor, wenn in einem Molekül ein Kohlenstoffatom vier verschiedene Substituenten trägt. Dieses Kohlenstoffatom wird als Stereozentrum (manchmal auch fälschlich als Chiralitätszentrum oder asymmetrisches Kohlenstoffatom) bezeichnet. Die räumliche Anordnung der Substituenten an einem Stereozentrum wird nach den durch R. S. Cahn, C. K. Ingold und V. Prelog festgesetzten Regeln (CIP-Regeln) mit R- oder S- (R für rectus, lateinisch "rechts", und S für sinister, lat. "links") bezeichnet. Liegen mehrere Stereozentren vor, erhöht sich auch die Anzahl möglicher verschiedener Verbindungen. Mit n Stereozentren ergeben sich 2n verschiedene Verbindungen, abzüglich möglicher meso-Verbindungen (s.u.). Die Stereozentren werden dann jeweils einzeln nach den CIP-Regeln mit R- oder S- bezeichnet. Unterscheiden sich zwei Verbindungen in einem oder mehreren, nicht aber in allen Stereozentren, so spricht man von Diastereomeren. Wenn ein Molekül mehrere Stereozentren aufweist, diese aber durch eine Spiegelung an einer Ebene ineinander überführt werden können, so ist das gesamte Molekül achiral. Man spricht in diesem Fall von meso-Verbindungen (z. B. meso-Weinsäure). Eine ältere Konvention zur Benennung von Enantiomeren, die heute noch für Zucker und Aminosäuren angewandt wird, ist die D- und L-Nomenklatur von Fischer. Neben dieser auf Stereozentren zurückgeführten Chiralität (zentrale Chiralität) unterscheidet man axiale, planare und helicale Chiralität, um die zugrundeliegenden Strukturelemente näher zu beschreiben. Axiale Chiralität tritt z. B. bei Biphenylen auf, die so in den ortho-Positionen substituiert sind, dass die freie Drehbarkeit der Aromaten um die C-C-Einfachbindung stark gehindert ist. Hieraus ergeben sich dann zwei spiegelbildliche Isomere. Beispiele für planare Chiralität sind E-Cycloocten oder bestimmte Sandwich-Komplexe oder substituierte Cyclophane. Unter helicaler Chiralität versteht man den unterschiedlichen Drehsinn helicaler Verbindungen. Helicale Chiralität tritt z. B. bei Helicenen auf. Allen chiralen Verbindungen ist die Abwesenheit einer Drehspiegelachse gemeinsam. Wie sich aus der Gruppentheorie beweisen lässt, ist diese Abwesenheit einer Drehspiegelachse die notwendige und ausreichende Bedingung dafür, dass ein Molekül in Enantiomeren auftritt. Eine Drehspiegelachse Sn ist ein Symmetrieelement. Hierbei dreht man das Molekül zuerst um 360/n Grad um eine Achse und spiegelt es anschließend an der Ebene , die senkrecht zu dieser Achse liegt. Ist das Produkt dieser Operation identisch mit der Ausgangsverbindung, hat man eine Drehspiegelachse gefunden. Des Weiteren existieren auch noch die Begriffe Pseudochiralität und Prochiralität. Pseudochirale Zentren befinden sich auf einer Spiegelebene durch das Molekül. So ist beispielsweise der zentrale Kohlenstoff des Glycerins pseudochiral, da er auf einer Spiegelebene durch das Molekül liegt. Im Vergleich zur R/S-Nomenklatur werden pseudochirale Zentren mit r und s bezeichnet. Prochirale Gruppen sind solche Funktionen, die durch eine Addition an ihr selbst in eine Stereozentrum überführt werden können. Als gutes Beispiel dienen hier Ketone die zwei verschiedenen Reste tragen, die beispielsweise durch Hydrierung in chirale Alkohole überführt werden können. Man unterscheidet hierbei den Angriff von der re- oder si-Seite. Chiralität tritt auch in anorganischen Stoffen auf. So besitzt der Quarz zwei enantiomere Formen, die sich auf links- oder rechtsgängige Schrauben zurückführen lassen. Dies ist ebenfalls ein Beispiel für helicale Chiralität. In der Kristallographie spricht man auch davon, dass sich zwei kristallografischen Raumgruppen, die sich zueinander enantiomorph verhalten. Die absolute Konfiguration einer chiralen Substanz kann nicht aus dem Drehsinn von polarisiertem Licht beim Passieren einer Standardlösung erschlossen werden, sondern muss entweder durch chemische Analogieschlüsse (zum Beispiel durch Abbau der zu bestimmenden Substanz zu einer bekannten Verbindung), durch Röntgenkristallographie oder durch Verwendung chiraler Shift-Reagenzien in der NMR-Spektroskopie erfolgen. Erst nach einem solchen Nachweis, kann entschieden werden, ob eine Verbindung R- oder S-Konfiguration besitzt. Die Zuordnung der Konfigurationen für Aminosäuren und Kohlenhydrate, von denen Anfangs nur die relativen Konfigurationen zueinander bekannt waren, erfolgte zunächst willkürlich. Sehr viel später (in den 1950er Jahren) haben röntgenkristallographische Untersuchungen ergeben, dass die gewählte Zuordnung zufälligerweise den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. BiologieDas Konzept der Chiralität spielt auch in der Biologie, insbesondere in der Biochemie, eine fundamentale Rolle. So findet man bei den wichtigsten Naturstoffklassen eine grundlegende Bevorzugung jeweils eines Enantiomers. Da chirale (Bio-)moleküle diastereoselektive Reaktionen eingehen, setzt sich diese Bevorzugung in der gesamten Biochemie fort. So können z. B. nur enantiomerenreine Aminosäuren eine geordnete Helix bilden. Racemische Gemische chiraler Moleküle zeigen daher auch in der Regel unterschiedliche biologische Wirkungen der einzelnen Enantiomere (Bei dem bekanntesten Fall Contergan/Thalidomid ist die Wirkung der Enantiomere allerdings nicht genau abzugrenzen, da es in vivo zu einer Racemisierung kommt). Genau genommen wäre aus diesem Grund eine "racemische Biologie" im Sinne eines 1:1-Gemisches aller Enantiomeren gar nicht möglich, da für die spiegelverkehrten Moleküle ein kompletter eigener ebenfalls spiegelverkehrter Syntheseapparat notwendig wäre. Die in bakteriellen Proteinen vorkommenden seltenen D-Aminosäuren werden über einen Sekundärmetabolismus synthetisiert und dienen z. B. als Defensivstoffe. Es ist bis heute nicht geklärt, ob die angetroffene Bevorzugung eines bestimmten Enantiomers von Biomolekülen (z. B. besitzen praktisch alle natürlich vorkommenden Aminosäuren L- und nicht D-Konfiguration) sich auf eine zufällige Selektion am Beginn der Evolutionskette begründet, die sich dann selbst verstärkt hat, oder ob es fundamentale Gründe für die Bevorzugung dieser Konfiguration gibt. Aufgrund der schon oben erwähnten Paritätsverletzung bei der Schwachen Wechselwirkung ist nämlich der Energiegehalt zweier Enantiomere nicht exakt gleich. Der Energieunterschied ist jedoch so gering, dass mit Recht die Frage gestellt werden kann, ob er überhaupt bedeutsam ist. Auch makroskopisch sind chirale Phänomene bedeutsam. Bereits erwähnt wurden die Chiralität der Hände und Gängigkeit von Schneckenhäusern. Weitere Beispiele sind die unterschiedliche Funktion der Hirnhälften und die linksseitige Lage des Herzens. BiokatalyseBei biokatalytischen Transformationen wird ausgenutzt, dass bei Umsetzungen mit Enzymen als Biokatalysator zumeist ein Enantiomer im Überschuss entsteht, beziehungsweise wenn ein Racemat als Ausgangsmaterial vorgelegt wird, vom Enzym ein Enantiomer bevorzugt umgesetzt wird. Entsprechend gelingt es, Produkte mit sogenannten Enantiomerenüberschuss zu erhalten. Philosophie1768 verfasst Immanuel Kant den Aufsatz "Vom ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden des Raumes", in dem er sich mit der Händigkeit befasst. Mit diesem Essay schaltet Kant sich in die naturphilosophische Diskussion über das Wesen des Raumes ein. Durch ein Gedankenexperiment versucht Kant eine substantialistische Raumauffassung mittels der Händigkeit zu belegen. In diesem Gedankenexperiment lässt Kant Gott als erstes Schöpfungsstück eine menschliche Hand schaffen: „Gleichwohl, wenn man sich vorstellet, das erste Schöpfungsstück solle eine Menschenhand sein, so ist es notwendig entweder eine linke oder eine Rechte[...]“ - Kant, Vom Ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden des Raumes, Königberg 1768 Da rechte und linke Hände in ihren Relationen und Abmessungen identisch sind, könne nur der absolute Raum als Maßstab dienen, um die Ausrichtung dieser einzelnen Hand zu bestimmen. Ansonsten wäre die Hand undefiniert, so dass, wenn Gott nun einen handlosen Körper erschaffen würde, die Hand an beide Seiten passen würde, was offensichtlich unmöglich ist. Hier liegt jedoch ein Argumentationsfehler vor. Dadurch, dass Kant Gott einen Körper erschaffen lässt, verändert er die Situation. Die Hand kann nun durch ihre Relationen zu diesem Körper als rechts oder links definiert werden und das Problem existiert nicht mehr. In der heutigen Naturphilosophie spielt das Argument der Händigkeit wieder eine Rolle. Die oben erwähnte Paritätsverletzung werden von substantialistischen Philosophen als Argumente im Sinne Kants herangezogen. Literatur
Siehe auch |
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