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Amiodaron



Strukturformel
Allgemeines
Name Amiodaron
Handelsname Cordarex® (D) Cordarone® (CH)
Summenformel C25H29I2NO3
chemische Bezeichnung
(2-Butylbenzofuran-3-yl)-
[4-(2-Diethylaminoethoxy)
-3,5-Diiodo-phenyl]-Methanon
(als Hydrochloridsalz)
Kurzbeschreibung Klasse-III Antiarrhythmikum
CAS-Nummer 1951-25-3
Verteilungsvolumen 20 bis 200 L/kg
Fettlöslichkeit sehr hoch
Plasmahalbwertszeit 4,8 bis 68,2 Stunden
Eliminationshalbwertszeit 13 bis 103 Tage
Elimination Leber 99 %
Plasmaeiweißbindung 95 %
Bioverfügbarkeit 20 -80 %
Übliche Initialdosis 600 - 1400 mg/Tag
Kumulative Ladedosis 10-12 g in 3-4 Wochen
Erhaltungsdosis 200 mg

Amiodaron ist ein Arzneistoff, der als sog. Antiarrhythmikum zur Behandlung von zahlreichen Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. In Deutschland wird er als Cordarex® von der Firma Sanofi-Aventis und unter generischer Bezeichnung von zahlreichen anderen Anbietern vertrieben. Amiodaron ist ein sehr wirksames und zuverlässiges Medikament gegen tachykarde Herzrhythmusstörungen, ist aber auch mit schwerwiegenden Nebenwirkungen belastet.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Amiodaron ist ein iodiertes Benzofuran und hat strukturelle Ähnlichkeiten mit Thyroxin und Procainamid. Ursprünglich war es aufgrund seiner Fähigkeit, periphere und koronare Arterien zu erweitern, seit 1961 in Belgien zur Behandlung der Angina pectoris entwickelt worden, bis zufällig entdeckt wurde, dass es eine außerordentlich hemmende Wirkung auf ventrikuläre und supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen hat. Selbst beim Einsatz bei Patienten mit schwerer Pumpfunktionsstörung der linken Herzkammer kommt es kaum zu einer Verschlechterung der Herzleistung, obwohl das Medikament eine mäßige negativ inotrope Wirksamkeit besitzt[1]. Seine extreme Löslichkeit in Fettgewebe bewirkt das außerordentlich hohe Verteilungsvolumen und ist auch für die lange und individuell sehr variable Halbwertszeit von 30 bis weit über 100 Tagen verantwortlich.

Wirkungsweise

Amiodaron ist ein Antiarrhythmikum mit komplexer Wirkungsweise, die im einzelnen noch nicht vollständig verstanden wird. Aufgrund seiner Eigenschaft, die Refraktärzeit und das Aktionspotenzial des Herzmuskelgewebes zu verlängern, wird es zwar der Klasse III nach Vaughan/Williams (vgl. Antiarrhythmikum) mit einer starken Hemmung der Kaliumkanäle zugeordnet, aber es besitzt auch eine mäßig stark hemmende Wirkung auf α-, β- (Klasse II) und muskarinartige Rezeptoren, und hat eine gewisse blockierende Wirkung sowohl auf schnelle und mittlere Natrium- (Klasse IA und IB) als auch Calciumkanäle (Klasse IV). Mit allen bekannten Antiarrhytmika teilt es die Fähigkeit, selbst Herzrhythmusstörungen auslösen zu können. Während dies allerdings seltener als bei anderen Antiarrhythmika vorkommt, ist hingegen vergleichsweise oft mit schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen außerhalb des Herzens zu rechnen.

Anwendung

  Die Gesundheitsbehörde der USA empfiehlt Amiodaron nur[2] bei lebensbedrohlichen ventrikulären Arrhythmien, die nicht auf andere Therapieformen ansprechen.

In Deutschland[3] gilt die Zulassung für

  • behandlungsbedürftige tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie
    • AV-junktionale Tachykardie,
    • supraventrikuläre Tachykardie bei WPW-Syndrom oder
    • paroxysmales Vorhofflimmern, sowie
  • schwerwiegende tachykarde ventrikuläre Herzrhythmusstörungen
    • wenn möglich in Kombination mit Betablockern
    • bei Patienten, "bei denen der Einsatz anderer Antiarryhthmika nach ärztlichem Ermessen nicht vertretbar ist".

Es ist das Mittel der ersten Wahl[4] bei Patienten mit Kammertachykardien oder Kammerflimmern im Rahmen einer Reanimation[5] sowie bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung mit hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion, wenn kein Rhythmuswächter implantiert werden kann.

Bei Patienten mit bereits implantiertem ICD verringert Amiodaron die Rate an Kammertachykardien.

Patienten mit struktureller Herzerkrankung (wie Infarktnarbe oder verminderter Pumpfunktion) können Amiodaron zur Stabilisierung des Sinusrhythmus nach erfolgreicher Kardioversion eines Vorhofflimmerns erhalten. Die orale oder intravenöse Verabreichung von Amiodaron kann Vorhofflimmern beenden, jedoch ist dies weder so zuverlässig noch verträglich wie die so genannte elektrische Kardioversion durch einen Elektroschock unter Kurznarkose.

Bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung sollte Amiodaron nur dann eingesetzt werden, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirksam sind.

Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen

Vorsicht bei bradykarden Herzrhythmusstörungen, Allergie gegen Iod oder Überfunktion der Schilddrüse.

Bei einer Verlängerung der QT-Zeit im EKG über 25 % der Norm oder über 500 ms muss mit gefährlichen Herzrhythmusstörungen gerechnet und die Behandlung ggf. beendet werden. Bei Erregungsleitungsstörungen darf Amiodaron nur unter Schutz eines Herzschrittmachers und auf einer Intensivstation angewandt werden.

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Therapie eine sichere Empfängnisverhütung betreiben.

Die intravenöse Anwendung von Amiodaron ist bei Kindern hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit nicht belegt und deshalb kontraindiziert.

Nebenwirkungen

Während Amiodaron nach seiner Einführung zunächst als gut verträgliches und "ideales Antiarrhythmikum" gefeiert wurde, stellten sich erst im Laufe der Zeit die zahlreichen unerwünschten Wirkungen heraus, von teilweise lebensbedrohlichen Ausmaßen.

Lunge

Die schwerste Nebenwirkung besteht in der Entwicklung einer tödlichen interstitiellen Lungenfibrose, die häufiger bei Patienten mit vorgeschädigtem Lungengewebe aufzutreten scheint. Bei etwa 5 % der behandelten Patienten kommt es zu dieser Entzündung der Lungenbläschen mit Vermehrung von Bindegewebe, was als fibrosierende Alveolitis bezeichnet wird. Schon nach einer Behandlungsdauer von wenigen Monaten wurde diese Nebenwirkung beobachtet. Neben den pharmakologischen Eigenschaften von Amiodaron, das durch seine ausgeprägte Hemmung der Phospholipase der Lunge zu einer Anhäufung von Surfactantphospholipiden führt, wird noch einen besondere genetische Empfänglichkeit für die Lungenfibrose vermutet [6]. Wenn die Fibrose in ihrem Vorstadium, der so genannten Pneumonitis, rechtzeitig erkannt wird, ist sie vollständig reversibel. Daher muss in regelmäßigen Abständen nach ihr gefahndet werden. Wiederholte Röntgenaufnahmen des Brustkorbs sind hierzu geeignet. Auch Funktionsuntersuchungen der Lunge werden empfohlen, werden aber erst im fortgeschrittenen Verlauf auffällig. Am spezifischsten für eine Amiodaron-bedingte Schädigung gilt ein dramatisch verminderter DLCO im Lungenfunktionstest.

Schilddrüse

Wegen des hohen Iodgehaltes des Medikaments (37 %) kommt es zu Schilddrüsenfunktionsstörungen. Über- oder Unterfunktionen der Schilddrüse findet man in etwa 4 % der Langzeitbehandelten. Die Schilddrüsenfunktion sollte alle halbe Jahre durch eine TSH-Messung überwacht werden. Es kommt relativ häufig zu einem Absinken des biologisch deutlich stärker wirksamen fT3 in hypothyreote Bereiche, ohne dass klinisch eine Hypothyreose vorliegen muss. Grund hierfür ist eine Konversionsstörung bei der Umwandlung von fT4 in fT3. Amiodaron blockiert teilweise die für diesen Vorgang verantwortlichen Dejodasen. Die alleinige Bestimmung des freien Thyroxin FT4 gilt im Fall der Amiodaron-Thyreopathie als unzuverlässig.

Auge

Mikroablagerungen der Hornhaut des Auges finden sich bei mehr als 90 % der Patienten, die das Medikament seit mehr als einem halben Jahr einnehmen (Cornea verticillata, auch Vortexkeratopathie genannt). Die Einlagerungen können durch eine Spaltlampenuntersuchung zuverlässig durch den Augenarzt erkannt werden. Nur 1 - 10 % der Patienten geben einen leichten Blaustich in ihrer optischen Wahrnehmung an. Die Hornhautablagerungen sollten nur bei ausgeprägten Sehbehinderungen zum Absetzen des Medikamentes führen. Manchen Kardiologen gilt die Keratopathie jedoch eher als Hinweis auf die zuverlässige Einnahme des Medikamentes und nicht als eine bedeutsame Nebenwirkung. 1 - 2 % der Patienten erleiden allerdings eine optische Neuropathie mit Gesichtsfeldausfällen, die zum Absetzen des Medikamentes zwingen.

Magen-Darm-Trakt

Ein Drittel der Patienten entwickelt eine Erhöhung der Leberenzyme, selten aber ist eine dauerhafte Leberschädigung mit Gelbsucht und Zirrhose die Folge. Leberentzündungen sind nach Dosisminderung des Medikamentes rückläufig.

Haut

Sonnenexponierte Haut kann sich beim hellhäutigen Kaukasier aschgrau oder bläulich verfärben. Die Hautverfärbung kann nach Absetzen des Medikamentes verblassen, normalisiert sich jedoch nicht immer vollständig.

Eine vermehrte Lichtempfindlichkeit der Haut als Reaktion gegen UV-A-Strahlen kann versuchsweise durch entsprechende Cremes gemindert werden.

Überwachungsparameter

Serielle Laboruntersuchungen auf Amiodaron-bedingte Nebenwirkungen sind teuer und von beschränktem Wert. Zu Behandlungsbeginn ist es aber sinnvoll, das Blutbild und andere Blutuntersuchungen durchzuführen, ebenso Funktion von Schilddrüse und Lunge zu testen und eine Spaltlampenuntersuchung vornehmen zu lassen. Die ärztliche Aufmerksamkeit sollte auf die bei eventuellen Nebenwirkungen zu erwartende klinische Symptomatik gerichtet sein: Reizhusten, lastabhängige Atemnot, Sehstörungen, Abgeschlagenheit und Hautveränderungen geben Anlass zur weiteren Diagnostik.

Wechselwirkung

Amiodaron kann andere Medikamente in ihrer Wirkung nachhaltig verstärken - und umgekehrt. Bei vielen Antiarrhythmika ist dies der Fall, was zur kritischen Verlangsamung der Herzfrequenz oder umgekehrt zu den gefürchteten Torsade-de-pointes-Tachykardien führen kann. Spontane Blutungen können auftreten, wenn die Wirkung von Kumarin durch Amiodaron verstärkt wird.

Literatur

  • Woosley RL, Indik JH: Antiarrhythmic Drugs. In: Fuster V, Alexander W, O´Rourke RA (eds.): Hurst´s The Heart. 11th ed., McGraw-Hill, New York 2004 pp. 949-973 ISBN 0-07-142264-1
  • Siddoway LA. Amiodarone: Guidelines for Use and Monitoring. American Family Physician Dec. 1, 2003. (Volltext in Englisch)
  • Kudenchuk PJ, Cobb LA, Copass MK, Cummins RO, Doherty AM, Fahrenbruch CE, Hallstrom AP, Murray WA, Olsufka M, Walsh T. Amiodarone for resuscitation after out-of-hospital cardiac arrest due to ventricular fibrillation. N Engl J Med. 1999 Sep 16;341(12):871-8. (Medline Zusammenfassung)
  • Guarnieri T, Nolan S, Gottlieb SO, Dudek A, Lowry DR. Intravenous amiodarone for the prevention of atrial fibrillation after open heart surgery: the Amiodarone Reduction in Coronary Heart (ARCH) trial. J Am Coll Cardiol. 1999, Aug;34(2):343-7. (Zusammenfassung der ARCH-Studie)
  • British National Formulary guidance on thyroid function monitoring (GB: Amiodaron)

Einzelnachweise

  1. Crawford MH, DiMarco JP, Paulus WJ (eds.): Cardiology 2nd ed., Mosby, Edinburgh 2004, p.603 ISBN 0-3230-2405-X
  2. Woosley RL, Indik JH: Antiarrhythmic Drugs. In: Fuster V, Alexander W, O´Rourke RA (eds.): Hurst´s The Heart. 11th ed., McGraw-Hill, New York 2004 pp. 949-973 ISBN 0-07-142264-1
  3. Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI), Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA), Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH), Deutscher Generikaverband e.V. (Hrsg.): Rote Liste 2006. Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte). Rote Liste Service GmbH, Frankfurt/Main 2006 ISBN 3-939192-00-7
  4. Mewis C, Riessen R, Spyridopoulos I (Hrsg.): Kardiologie compact. Alles für Station und Facharztprüfung. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2004 S.782-783 ISBN 3-13-130741-2
  5. Priori SG, Aliot E, Blomstrom-Lundqvist C, Bossaert L, Breithardt G, Brugada P, Camm AJ, Cappato R, Cobbe SM, Di Mario C, Maron BJ, McKenna WJ, Pedersen AK, Ravens U, Schwartz PJ, Trusz-Gluza P, Vardas P, Wellens HJJ, and Zipes DP: Task Force on Sudden Cardiac Death of the European Society of Cardiology. Eur Heart J, August 2, 2001; 22(16): 1374 - 1450. PMID 11482917
  6. Seeger W: Erkrankungen der Atmungsorgane. In: Schölmerich J, et al.: Medizinische Therapie 2005/2006, 2.A, Springer Berlin Heidelberg New York, 2005, S. 1005 ISBN 3-540-21226-4
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