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Zidovudin
Zidovudin (auch Azidothymidin, kurz AZT) ist ein chemisches Analogon des Nukleosids Thymidin. Pharmakologisch gehört es zu den nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern (NRTI, Nukleosidanaloga), einer Gruppe von antiretroviralen Substanzen. Es wird unter dem Handelsnamen Retrovir® bzw. Retrovis® der Firma GlaxoSmithKline vertrieben. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
ChemieAZT ist ein Nukleosid aus Thymin und einer modifizierten Desoxyribose mit einer Azidfunktion statt der Hydroxygruppe an 3'-Position. GeschichteAZT wurde erstmals 1964 von Jerome Horowitz synthetisiert, der zu dieser Zeit als Wissenschaftler an der Michigan Cancer Foundation arbeitete. Ursprüngliches Ziel war es, ein Medikament zur Behandlung von Krebs zu entwickeln, was jedoch nicht gelang. Im Februar 1985 konnte schließlich der NIH-Wissenschaftler Hiroaki Mitsuya die Wirksamkeit der Substanz gegen HIV nachweisen. Diese beruht auf der Fähigkeit des Medikaments, die Aktivität des Enzyms Reverse Transkriptase (RT) zu blockieren. Dieses Enzym nutzt das HI-Virus zur Replikation seiner RNA, also für das Umschreiben seines Genoms in DNA. Es erfüllt damit eine entscheidende Funktion bei der Vermehrung des Virus. Kurz darauf wurden die Rechte an der Substanz von dem Pharmakonzern Burroughs-Wellcome (jetzt GlaxoSmithKline) aufgekauft, der 1986 ein Patent auf AZT beantragte. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) erteilte am 20. März 1987 die Zulassung für AZT als Medikament zur Behandlung von HIV; 1990 erfolgte die Zulassung als Präventionsmedikament. In den Anfängen der AZT-Behandlung wurden wesentlich höhere Dosen verabreicht, als es heute der Fall ist: Üblich waren 400 mg alle vier Stunden (sogar nachts). Aus diesem Grund kamen schwere Nebenwirkungen, u. a. Anämien, vor. Moderne Behandlungspläne sehen geringere Dosen vor, die nur zwei- bis dreimal am Tag verabreicht werden. Unter einer Monotherapie oder einer Zweierkombination werden selten mehr als 500-600 mg AZT pro Tag gegeben. Ziel ist es, die Lebensqualität des Patienten insgesamt zu verbessern. Außerdem wird AZT heute nahezu immer mit anderen Medikamenten kombiniert, um einer Mutation des HI-Virus in eine AZT-resistente Form entgegenzuwirken – es ist wesentlich unwahrscheinlicher, dass das Virus zwei Resistenzen entwickelt. WirkungsweiseDie Azidgruppe erhöht die lipophile Natur des AZT, so dass es leicht mittels Diffusion Zellmembranen passieren und so auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Zelluläre Enzyme wandeln AZT in drei aufeinanderfolgenden Schritten in das wirksame 5’-Triphosphat (AZTTP) um. AZT-5’-Triphosphat entfaltet seine Wirkung nun auf zweierlei Art: als Nukleosidanalogon und somit konkurrierendes Substrat zum Thymidintriphosphat bedingt es die kompetitive Hemmung der Reversen Transkriptase des HIV. Durch seinen Einbau in die DNA stoppt es zum anderen die virale DNA-Synthese. Letzteres hat seine Ursache in der Abwesenheit einer 3`-Hydroxylgruppe im AZT, welches das Anfügen weiterer Nukleotide in die DNA-Kette unmöglich macht. Studien haben gezeigt, dass der Kettenabbruch der entscheidende Faktor der inhibitorischen Wirkung des AZT ist. AZT hemmt die virale RT ca. hundertmal effektiver als die zelluläre DNA-Polymerase. AZT hydrolysiert außerdem zum 3'-Amino-2'-desoxythymidin, dessen Triphosphat ein Substrat der DNA-Polymerase α ist. NebenwirkungenHäufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und gelegentlich auch Fieber. Schwerere Nebenwirkungen, insbesondere Anämie (Blutarmut) und Neutropenie und Leukopenie (Verminderung der weißen Blutzellen), sind von der Dosis und der individuellen Konstitution des Patienten abhängig. Da AZT heute in wesentlich geringeren Dosen verabreicht wird als zu Zeiten der Einführung des Medikaments, treten schwere Nebenwirkungen nur noch gelegentlich auf. So werden Blutarmut und Verminderung der Leukozytenzahl, insbesondere wenn AZT im Rahmen einer Dreierkombination zusammen mit einem Proteasehemmer eingenommen wird, nur sehr selten beobachtet. Die beschriebenen unerwünschten Nebenwirkungen von AZT könnten in der Empfindlichkeit der γ-DNA-Polymerase begründet sein; diese Polymerase ist ein Enzym in den Mitochondrien der Zellen, welches möglicherweise von AZT in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Die mitochondriale Toxizität von AZT und die dadurch verursachten Zellschädigungen sind bereits intensiv untersucht worden [1]. Concorde-StudieAufgrund der Ergebnisse der Mitte der 1990er Jahre durchgeführten großen Concorde-Studie mit 1.749 HIV-Patienten (PMID: 7908356) musste die bis 1994 eingesetzte AZT-Dosierung erheblich reduziert werden. In dieser mehrjährigen Untersuchung (mittlere Beobachtungszeit 3,3 Jahre) wurde einer HIV-Patientengruppe sofort AZT verabreicht (877 Patienten), in einer weiteren HIV-Patientengruppe erfolgte die Behandlung aber zunächst mit Placebo und erst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt mit AZT (872 Patienten). Die Concorde-Studie veränderte die mit AZT verbundenen Therapie-Erwartungen, denn in der sofort behandelten Patientengruppe kam es zu mehr Todesfällen (96:76), häufiger zu Therapieabbruch wegen schwerer Nebenwirkungen (99:38) und auch öfter zu einer Dosisreduzierung (148:37). Seit der weltweiten Verringerung der Dosierung und der Kombination von AZT mit weiteren Wirkstoffklassen (Kombitherapie (HAART)) haben sich die Überlebenschancen der HIV-Patienten wesentlich verbessert, was zumeist auf die effektivere Virusbekämpfung zurückgeführt wird (HIV.NET). Kritik an AZTDie anfängliche Hoffnung, mit AZT den entscheidenden Schlag gegen HIV und AIDS führen zu können, stellte sich bald als überhöht dar. Neben der - besonders bei den früher üblichen hohen Dosierungen - Toxizität machte vor allem die Resistenzentwicklung zu schaffen. Andere NRTIs (ab 1991) und andere Wirkstoffgruppen wie NNRTIs und Proteasehemmer (ab 1995) wurden daher entwickelt und die Medikamente vorzugsweise in Dreifachkombinationen im Rahmen der HAART eingesetzt. Mit diesen ist eine bessere Kontrolle der HIV-Vermehrung möglich und es können deutliche Lebensverlängerungen erzielt werden. Durch die niedrigere Dosierung von AZT stellt die Toxizität ein im Vergleich zu früher geringeres Problem dar und die Resistenzentwicklung ist in der HAART erschwert. Auch Dreifachkombinationen können jedoch HIV nicht ewig in Schach halten und auch in niedriger Dosierung ist besonders die mitochondriale Langzeittoxizität von AZT ein Problem. In manchen Situationen greift man daher bevorzugt auf neuere NRTIs wie Abacavir oder Tenofovir zurück und es bleibt abzuwarten, ob AZT nach Etablierung neuer Substanzen wie Fusionshemmern, Integrasehemmern, Korezeptorantagonisten und Maturationshemmern langfristig den Stellenwert von heute behalten wird. Im Moment stellt AZT jedoch trotz aller Probleme und Schwächen selbst nach 20 Jahren noch einen unverzichtbaren Teil vieler Regime dar, da es erwiesenermaßen wirksam ist, das am besten erforschte und am längsten bekannte HIV-Medikament darstellt und z. B. auch die Liquorgängigkeit günstig ist. Besonders einige Aids-Dissidenten sehen AZT dagegen nicht als (unvollkommenes) Mittel im Kampf gegen HIV und AIDS, sondern im Gegenteil als Ursache der AIDS-Epidemie. Sie führen an, daß AZT wegen seiner hohen Toxizität nicht zum Einsatz gegen Krebs kam und daß es keine zu Ende geführte randomisierte doppelblinde Studie gibt, die den langfristigen Vorteil einer AZT-Therapie zeigt. Literatur und Referenzen
Kategorien: Pyrimidin | Nukleosid | Arzneistoff |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Zidovudin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |