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Backstein



         

Der Backstein, korrekterweise als Ziegel bezeichnet, umgangssprachlich Ziegelstein genannt. Das Wort Ziegel (vom lateinischen tegula, eigentlich Dachziegel, zu tegere „decken“) ist das älteste künstliche Bauelement, ein keramischer Werkstoff: Er wird aus tonhaltigem Lehm gebrannt. Im weiteren Sinn werden auch Lehmziegel (Adobe), die durch Trocknen von geformtem Lehm gewonnen werden, als Ziegel bezeichnet. Terrakotta von einfachem gebranntem Ton wird häufig nach der Qualität des verwendeten Tons unterschieden. In Architektur- und Kunstgeschichte werden Terrakotten und Ziegel jedoch nur durch Maß und Form unterschieden. Terrakotten sind dann dekorativ gestaltete Ziegelelemente, die erheblich größer als die traditionellen (Form-)Ziegel sind. Die Bezeichnung „Ziegelstein“ ist insofern laienhaft, da Stein das Naturprodukt (Naturstein) bezeichnet, während der Ziegel ein von Menschenhand geschaffenes Baumaterial ist. Einfache Mauerziegel aus tonhaltigem Lehm können nur bei 900°C gebrannt werden und sind dadurch mechanisch nicht so stabil, werden üblicherweise auch verputzt, um die Wetterfestigkeit zu verbessern. Produkte aus „blauem“ Ton sind Klinker, diese können auf grund des höheren Silikatgehaltes bei 1200°C gebrannt werden und erreichen durch die höhere Versinterung eine bessere Wetterbeständigkeit. Je nach Eisengehalt in gelben bis roten und braunen Tönen geben sie dem Bau unverputzt das typische attraktive Aussehen. Die Brenntemperatur wird vom Ausgangsmaterial bestimmt, da der Rohling zwar sintern, aber nicht formverändernd weich werden soll.

Ziegel werden mit Mörtel zu Mauerwerk gefügt. Das Aussehen des Mauerwerks wird durch die Art des Mauerwerksverbandes und die Fugen bestimmt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Frühe Hochkulturen

Lehmziegel sind das erste in den frühesten menschlichen Siedlungen in der Jungsteinzeit (ca. 10.000 bis 8.000 v. Chr.) verwendete Baumaterial. Gegenüber Lehmwänden aus ungeformtem Lehm haben Wände aus Ziegelstein viele Vorteile: sie sind leichter zu transportieren als ungeformter Lehm. Mauern aus Ziegeln sind stabiler als Wände aus ungeformtem Lehm und man benötigt bei der Errichtung keine Schalung. Die ältesten Ziegel wurden 1952 bei archäologischen Grabungen in Jericho gefunden.

Die Technik des Brennens von Ton war zwar für Gefäße bereits in der Jungsteinzeit bekannt, wurde aber nicht für Ziegel eingesetzt.

Die ersten Ziegel (Lehmziegel) waren handgeformt und unregelmäßig in der Form. Ziegel mit glatt gestrichener Form sind etwa seit 6300 v. Chr. aus Mesopotamien bekannt. Dort wurde auch zwischen 5900 und 5300 v. Chr. die Verwendung von Formschablonen entwickelt. Zwischen 3100 bis 2900 v. Chr. wurde erstmals in großem Umfang gebrannter Ton in Ziegelform verwendet und die Technik des Glasierens entwickelt und perfektioniert. Das Ischtar-Tor ist ein herausragendes Beispiel für den in babylonischer Zeit erreichten Entwicklungsstand der Techniken. Es wurde unter Nebukadnezar II. (604 bis 562 v. Chr.) gebaut.

         

Frühe chinesische Backsteinarchitektur

In China wurden Backsteine ab ca. 1000 v. Chr. verwendet. Typisch für chinesische Backsteinbauten war der Verzicht auf Mörtel, der durch eine große Maßhaltigkeit der hergestellten Ziegel möglich war und die Errichtung von Hohlmauerwerken, die mit Schutt ausgefüllt wurden.

Antike und Spätantike

Für die römische Architektur hatte der gebrannte Ziegel eine zunehmende und schließlich zum Ende des Römischen Reichs große Bedeutung. Durch die Römer wurde das Bauen mit gebrannten Ziegeln im ganzen Römischen Reich verbreitet. Typisch für den römischen Backstein sind dünne Ziegel.

Die umfangreiche Verwendung von gebrannten Ziegeln für Mauerwerk setzte im ersten Jahrhundert v. Chr. ein, war aber beispielsweise in der Stadt Rom bis in die Zeit der Regierung des Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) überhaupt nicht nachzuweisen. Wohl deshalb nahm die Beschreibung der Technik des Bauens mit getrockneten und gebrannten Ziegeln bei Vitruv nur geringen Raum ein. Bis 100 n. Chr. war die Technik bereits durch die Römischen Legionen, die überall Feldziegeleien errichteten, im ganzen Reich verbreitet. Bis in diese Zeit wurden Backsteinmauern regelmäßíg verputzt oder verkleidet. Im 2. Jahrhundert wurden Ziegel aber auch als dekorative Oberfläche verwendet und ersetzten Tuffsteine und andere Steine als Verkleidung für die von den Römern erfundenen Betonmauern (lat: opus caementitium). Ende des 2. Jahrhunderts endete die Blütezeit des Backsteinbaus in Rom wieder.

In byzantinischen Reich und in Westen des Römischen Reichs wurde der Ziegelsteinbau weiterentwickelt. So ist die Hagia Sophia in Konstantinopel (gebaut 532 bis 537 n. Chr.) vollständig aus Ziegeln erbaut. Typisch für den byzantinischen Backsteinbau sind sehr dünne Ziegel und Fugen, deren Dicke die Ziegel teils noch übertrifft. Im Weströmischen Reich finden sich herausragende Beispiele für Backsteinarchitektur wie die Kirche San Vitale insbesondere in Ravenna.

Der Bau der Konstantinsbasilika in Trier ist ein Beispiel für einen großen Backsteinbau im Gebiet des heutigen Deutschlands. Allerdings war diese ursprünglich außen verputzt und innen mit Mamor verkleidet.

Außereuropäische Kulturen

Außerhalb der europäischen Kultur gibt es herausragende Backsteinarchitektur im Islam (Samaniden-Mausoleum in Buchara), im Buddhismus (z. B. Bagan (Myanmar)/Birma) und China.

Mittelalter

Während die Tradition des Backsteinbaus in Italien ungebrochen fortgesetzt wurde, verschwand der Backstein in Nordeuropa mit dem Ende des Römischen Reichs völlig, tauchte aber im 12. Jahrhundert plötzlich wieder auf und verbreitete sich wegen der besseren Stabilität und Maßhaltigkeit gegenüber Naturstein rasant. Die Kathedrale von Roskilde in Dänemark ist ein frühes Beispiel.

Die Blütezeit der Dekoration aus Formziegeln war die Backsteingotik, eine deutsche Sonderform der Gotik, die vor allem im Gebiet der Hanse weit verbreitet war. Das prägende Vorbild war die Marienkirche in Lübeck. Erwähnenswert ist hier auch das Kloster Chorin bei Eberswalde. Aus welchen Gründen die Backsteintecknik im 12. Jahrhundert wieder aufkam, ist nicht abschließend geklärt. Jedenfalls spielt auch die mangelnde Verfügbarkeit von Natursteinen eine wichtige Rolle. Ein weiterer Grund ist die Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials.

Der im Jahre 1500 fertiggestellte Turm der Landshuter Martinskirche ist mit 130,60 m der höchste Backsteinturm der Welt.

Ein Beispiel für Backsteingotik außerhalb Deutschlands ist die Kathedrale von Albi in Frankreich.

Renaissance und Barock

In der Renaissance und im Barock war Sichtmauerwerk aus Ziegel wenig beliebt und man überdeckte den Ziegel mit Putz, Stuck oder überschlämmte ihn zumindest. Unter der Verblendung war Backstein jedoch wahrscheinlich auch in Italien der am häufigsten verwendete Baustoff der Zeit, weil die Herstellung von Backsteinen billiger war als der Transport und das Behauen von Steinen und Backsteine leichter als die meisten Natursteine sind. Deshalb baute auch Brunelleschi die Kuppel des Doms von Florenz aus Backsteinen.

Andererseits hatte Backsteinarchitektur mit Sichtmauerwerk in England zwischen 1450 und 1650 eine Blütezeit.

Schließlich ist auch die dritte Chinesische Mauer zu großen Teilen aus Backstein errichtet.

1650 bis 1800

Zwischen 1650 und 1800 wurde Sichtbackstein-Mauerwerk in Europa vor allem in den Niederlanden, Frankreich und England mit jeweils nationalen Eigenheiten gebaut. Aus den Niederlanden sind die Ziergiebel Amsterdams bekannt. Im französischen Klassizismus wird Backstein mit Naturstein gemeinsam verbaut. In London durften nach dem großen Brand 1666 nur noch Stein- und Backsteinbauten errichtet werden. Backstein dominierte schon wegen des Preises.

Das 19. Jahrhundert

Sehr große Verbreitung fanden Backsteinbauten wieder in der Backstein-Neogotik in Norddeutschland, aber auch etwa die großen Mietskasernen in Berlin wurden in Backstein errichtet. Meistens wurden Ziegelbauten jetzt verputzt. Die Göltzschtalbrücke ist bis heute die größte Ziegelbrücke der Welt, errichtet aus Klinkern.

Das 20. Jahrhundert

Stahl, Beton und Glas lösen allmählich den Ziegel als Baumaterial ab. Das hat ökonomische und konstruktive Gründe. Denn Ziegel ist nicht hinreichend tragfähig, um etwa Hochhäuser zu errichten. Backsteinexpressionismus und Heimatschutzarchitektur setzen die Tradition des Backsteinbaus im 20. Jahrhundert in Norddeutschland fort.

Bedeutende Industriebauten (Kraftwerke, Stahlwerke, Kokereien, usw.) werden auch Mitte des 20. Jahrhunderts noch aus Ziegeln errichtet oder mit Klinkern verkleidet.

 

Herstellung

Traditionelle Herstellung

Ziegel werden seit Jahrtausenden auch von Hand geformt, indem Lehm in einen oben und unten offenen Formrahmen oder nur oben offenen Kasten gepresst, das überstehende Material abgestrichen und dann die Form gestürzt wird – dies ergibt die Handstrichziegel, die als sichtbares Merkmal typische Quetschfalten aufweisen. Eine Technik, die noch heute bei kulturhistorisch bedeutsamen Restaurierungsarbeiten eingesetzt wird.

Nach Pressung und Trocknung der Ziegel an der Luft werden die Ziegelformen in einem Meiler aufgeschichtet. Zwischen den Ziegeln wird Kohle (im unten stehenden Bild grau) hinzugefügt. Der Meiler wird abschließend mit Lehm und Ziegeln minderer Qualität abgedeckt. Nach ca. 14 Tagen ist der Brennvorgang abgeschlossen. Anschließend werden die fertig gebrannten Ziegel nach der Qualität sortiert.

Alternativ wurde der Ziegel zu Beginn des Mittelalters auch aus Lehm herausgeschnitten.

Exkurs: Herstellung von Handstrichziegeln bei Dukatole in Südafrika

Die nachfolgende Bilderserie zeigt die Herstellung von Handstrichziegeln bei Dukatole (Maletswai, Südafrika). Ca. 200 Ziegelhersteller leben dort von der Herstellung von Backsteinen.

Anmerkungen:
Bild 1: bei Dukatole (Maletswai, Südafrika), (Ausschnitt)
Bild 2: Mittels eines Siebes wird Kohle aus Ascheresten herausgefiltert. Die Aschereste werden von ansässigen Betrieben kostenlos zur Verfügung gestellt.

Industrielle Fertigung

Mit der Industrialisierung wurde auch bald die Herstellung mechanisiert. Zunächst gab es Maschinen, die das Abstreichen und Formen übernahmen. Erst dann setzte sich ein Verfahren durch, bei dem die Ziegel ihre Form durch Strangpressen erhalten und geschnitten werden. Stranggepresste Ziegel haben eine sehr glatte Oberfläche. Im Strangpressverfahren lassen sich auch Sonderformen, wie Hohllochziegel, fertigen.

Andere Fortschritte gab es beim Brennen. Zunächst wurde durch die so genannte überschlagende Flamme die Temperatur im Meiler gleichmäßiger und damit der Ausschuss oder Anteil minderer Qualität vermindert. Dann ging man zu Öfen mit Dauerbrand über (Ringofen), bei denen in verschiedenen Kammern kontinuierlich gebrannt wurde. Aufwärm- und Abkühlphasen des Gesamtofens entfielen. Heute sind sogenannte Tunnelöfen üblich, bei denen die Ziegel sich während des Brandes auf Wagen durch den Ofen bewegen. Im Gegensatz hierzu blieb der Ziegel im Ringofen fest und der Brand wanderte durch die Kammern.

Die Neuerungen der Produktion ermöglichten es, die gewaltigen Bauleistungen der Industrialisierung mit den Fabrikhallen, Arbeitersiedlungen, Mietskasernen und repräsentativen Bürgerhäusern zu meistern. Für eine typische Berliner Mietskaserne benötigte man über eine Million Ziegel, der Bau des Anhalter Bahnhofs in Berlin bestand aus 16 Millionen Ziegel.

Kalksandziegel (oder auch Sandsteinziegel) sind seit 1855 bekannt und wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit Hilfe von patentierten Herstellungsverfahren in großen Mengen hergestellt. Sie wurden aus scharfkantigem kieselsäurehaltigem Sand gefertigt, der möglichst frei von erdigen Bestandteilen, wie Lehm und Humus sein sollte. Als Kalk kam Fettkalk (Weißkalk), Magerkalk (Graukalk) oder auch hydraulischer Kalk (Schwarzkalk) in Betracht. Das Mischungsverhältnis von Kalk zu Sand betrug etwa 1:6.

Einteilungen

Härtungsmethode

     

  • Luftgetrocknete Ziegel (Adoben) werden nicht gebrannt, sondern über eine längere Zeit an der Luft getrocknet. Die Konsequenz ist, dass sie sich bei Aufnahme von Wasser wieder aufweichen können und daher hauptsächlich in niederschlagsarmen, trockenen Regionen verwendet werden. Diese Ziegelsteine werden auch als Lehmziegel bezeichnet.
    • Belastbarkeit dieser Ziegel: 150 kg/cm²
  • Weichgebrannte Ziegel werden im Brennofen gebacken (siehe Brennen von Tonmineralen). Sie sind zwar im Gegensatz zum luftgetrockneten Ziegel dauerhaft verfestigt, aber dennoch nicht sonderlich witterungsbeständig, da sie eine hohe Porösität und Wasseraufnahmefähigkeit aufweisen. Sie werden daher entweder beim Bau im Innenbereich verwendet (Hintermauerziegel) oder am fertigen Bauwerk (überlicherweise mit Putz) abgedeckt. Die Luftdurchlässigkeit dieser Ziegel ist beträchtlich, so gelingt es bereits durch Atemluft mit Hilfe von 2 Trichtern mit 20 cm oberer Öffnungsweite durch einen Ziegel hindurch eine Kerze auszublasen.
    • Belastbarkeit dieser Ziegel: 250 kg/cm²
  • Hartgebrannte Ziegel werden mit höheren Temperaturen gebrannt, und sind dadurch härter und dichter als weichgebrannte. Sie finden im Außenbereich Verwendung. Zu dieser Sorte gehören die Vormauerziegel (VMZ), die Klinker (Pflasterklinker) sowie die Dachziegel (Tondachziegel). Klinker sind so stark gebrannt, dass die Poren des Brenngutes durch Sinterung geschlossen werden. Sie nehmen daher nur sehr wenig Wasser auf und sind sehr widerstandsfähig.
    • Belastbarkeit dieser Ziegel: 500 kg/cm²

Farben

Die Farbe der Ziegel hängt in erster Linie von den im Ton enthaltenen Mineralien ab. Ein hoher Eisengehalt (rote Eisen(III)silikate) führt zu hell- bis dunkelroten (braunen) Farbtönen, abhängig von Brenntemperatur und Brennatmosphäre durch die Oxidation des Eisens. Ein hoher Kalkgehalt und geringer Eisengehalt führt zu gelben Farbtönen. Die farblichen Nuancen lassen sich durch die Brandführung beeinflussen. Eine abweichende Möglichkeit ist der Zusatz von nassen Baumstämmen während des Brennens: Die hierbei erzeugte reduzierenden Atmosphäre im Ofen (bei den zum Brennen benötigten Temperaturen entstehen aus Kohle und Wasser Kohlenmonoxid und Wasserstoff) ermöglicht blaue Farbtöne durch Eisen der Oxidationsstufe 0. Da hierbei der Ofen Schaden nimmt, blieb diese Technik auf wenige Sonderfälle beschränkt.
Eine breite Farbpalette lässt sich durch Glasuren erreichen, die vor dem Brennen aufgetragen werden. Diese Technik wird in Europa seit dem Mittelalter, bei islamischen Backsteinbauten schon seit dem frühen Mittelalter angewendet. Darüber hinaus sind schon in der Blütezeit Babylons unter Nebukadnezar II. viele Farben und Schattierungen zu finden. Interessant auch die glasierten Dachziegel in Burgund und Ungarn (Burg in Budapest).

Formate

Der traditionelle kleinformatige Backstein ist ein länglicher Quader, dessen größte Kantenlänge (Länge) etwas mehr als dem doppelten Maß der mittleren Kantenlänge (Breite) entspricht. Die Differenz entspricht der Breite der vertikalen Fuge, der so genannten Stoßfuge. Unter Berücksichtigung der Fuge entspricht damit ein längs eingemauerter Ziegel, der so genannte Läufer, genau zwei quer eingemauerten so genannten Bindern. Die Notwendigkeit, Ziegel wegen ihrer Tragfähigkeit im Verbund zu vermaueren, bestimmt also ihr Format.

Da Normung zu Zeiten der Backsteingotik unbekannt war ist das sogenannte Klosterformat für die in Handstrichziegel uneinheitlich, so dass in jedem Gebäude unterschiedlich große Ziegel verwendet wurden. Fritz Gottlob gibt als Durchschnittsmaße 28 × 15 × 9 cm³ bis 30 × 14 × 10 cm³ an, wobei die Höhe in Einzelfällen auch bis zu 12,5 cm betragen kann. Die Fugen waren üblicherweise etwa 1,5 cm dick.

Die Industrialisierung ermöglichte den Transport von Baumaterialien über größere Strecken und die Lieferanten mussten austauschbar sein. So wurde 1872 in Deutschland per Gesetz das so genannte alte Reichsformat für Ziegel eingeführt, 25 × 12 × 6,5 cm³. Damit konnte man ein Gebäude aus Mauer-Ziegeln verschiedener Herkunft erbauen. Für staatliche Bauten war die Anwendung des neuen Formats vorgeschrieben. Dieses Ziegelformat wurde 1869 von dem Berliner Baumeister Lämmerhirth vorgeschlagen. Damit wurde die Anzahl mit dem Planungsmaß 1 m³ Bauwerk verbunden. Ein m³ Mauerwerk inklusive 1 cm Fuge und üblichen Verlusten an den Ecken bestand aus 400 Ziegeln.

Das (neue) Reichsformat mit 240 × 115 × 63 mm³ und das Normalformat mit 240 × 115 × 71 mm³ nahmen Bezug auf das metrische System, denn mit dieser Ziegelgrundfläche und 1 cm Mörtelfuge waren die Bauten in 1/8–Meter–Einheiten gerastert – oktametrisches System. Durch fehlende oder zusätzliche Mörtelfuge bei Innen- und Außenmaßen ergibt sich immer eine Differenz um +/- 1 cm von 1/8 Meter. Auf dieses Baurichtmaß genannte Raster wurden später die Maße anderer Baugewerke, wie zum Beispiel Fenster und Türen, abgestimmt und in ihren Maßen genormt. Andere Länder und bestimmte Regionen haben andere Formate entwickelt.

Die Rohdichte von Ziegeln beträgt je nach den Brennbedingungen etwa 1,4 bis 2,0 kg/dm³. Formate und Rohdichten für Deutschland sind in der DIN 105 geregelt.

Auswahl an Ziegelformaten

Normalformat (NF) - Deutschland 24 × 11,5 × 7,1 cm³
Reichsformat (RF) - Deutschland 24 × 11,5 × 6,3 cm³
altes (deutsches) Reichsformat 25 × 12 × 6,5 cm³
Normalformat - Österreich 25 × 12 × 6,5 cm³
Dünnformat (DF) 24 × 11,5 × 5,25 cm³
Standardformat der Donaumonarchie 29 × 14 × 6,5 cm³
Klosterformat(e) 28...30 × 14...15 × 9...10 cm³
englisches Format 21 × 10 × 6,5 cm³
Standardformat (Waalformaat) - Niederlande[1]   20...21 × 10 × 5 cm³

Formen

Ziegel können vor oder nach dem Brennen in Form gebracht werden. Für die Formgebung vor dem Brennen werden Formrahmen verwendet. Der Ton muss relativ feucht sein, so dass die Steine vor dem Brennen trocknen müssen, um beim Brennen keine Risse zu bekommen. Die Formsteine der Backsteingotik wurden in dieser Weise hergestellt.

Nach dem Brennen können Backsteine behauen oder beschliffen werden. Beschliffen wurden Backsteine insbesondere, um Größenunterschiede und dadurch schmalere Fugen zu erreichen.

Ziegel heute

  Der traditionelle kleinformatige Ziegel hat heute als Tragendes Mauerwerk im Neubau nur noch geringe Bedeutung. Die Ziegel wurden durchlöchert und immer größer, dies nennt man Lochziegel. Die Löcher machten einerseits den Ziegel leichter und damit auch größere Formate handhabbar, andererseits dient die eingemauerte Luft zur Wärmedämmung, genauer zur Reduzierung der Wärmeverluste durch Wärmeleitung im Material. Um diese Eigenschaften noch zu verbessern, wird das Ziegelmaterial inzwischen selbst porosiert, indem die Rohmasse mit brennbaren Stoffen wie Sägemehl oder Kunststoffkügelchen vermengt wird. Diese Stoffe verbrennen beim Brennvorgang und hinterlassen Poren. Die Aufschäumung mit Treibmitteln ist weniger gebräuchlich. Diese Produkte tragen den Namen Schaumton. Bei den Großformaten gelten immer noch die alten Standardmaße, die modernen Steine sind immer Vielfache des Normal- oder Dünnformats. Eine moderne Variante des Ziegels ist der Planziegel.

Als Verblendmauerwerk sind Ziegel vor allem in Norddeutschland immer noch sehr beliebt. Die Baustoffindustrie hat eine breite Palette von Formaten, Tönungen und Oberflächenstrukturen entwickelt, um auf die modischen Wünsche der Bauherren eingehen zu können. Das Spektrum reicht von weiß glasierten bis zu anthrazit durchgefärbten Steinen. Im Gegensatz zu historischen Ziegeln, die durch Verunreinigungen im Ton in der Fläche ein lebendiges Bild ergaben, wirken moderne Wandflächen aus Ziegeln oft steril. Man versucht dies durch farbliches Changieren zu kompensieren.

Alte Backsteine werden inzwischen aus Abbrüchen geborgen und wiederverwendet bei Renovierungen und Neubauten in alter Tradition. Dieses Recycling hat eine sehr lange Tradition und konnte bereits bei Bauten im Zweistromland oder bei römischen Ziegeln beobachtet werden, die in mittelalterlichen Bauwerken zu finden sind.

Trivia

Feierabendziegel sind spezielle Ziegel, die mit Datumsangaben, Texten, Sprüchen oder Ornamenten verziert wurden. Diese Bezeichnung ist auch als Oberbegriff für verzierte Ziegel üblich. Die Ziegel wurden ursprünglich im Meiler gebrannt, d.h. unter freiem Himmel. Ein Brand umfasste eine Menge von 5 000 bis 10 000 Ziegeln, die Ausschussquote war sehr hoch. Um den Segen für das Gelingen des Brandes zu erbitten, wurde der erste und der letzte Ziegel mit aufgehenden Sonnen und Monden verziert. Auftragsbezogen wurden Abwehrziegel (bei Dachziegeln) verziert, d.h. mit Wellen- und Zackenmustern versehen, die wohl einer Blitzmarke nachempfunden waren und Haus und Bewohner vor den Witterungsunbilden schützen sollten. Außerdem gibt es als Glücksbringer Blumen-, Kreuz- und Tiermotive, auch Hand- und Kinderfußabdrücke sind zu finden. Die Tradition hielt sich bis in die vorindustrielle Zeit, d.h. man findet die Verzierungen auch noch auf stranggepressten Dachziegeln. In Zeiten der manuellen Produktion wurde der noch weiche Ton/Lehm damit verziert. Dies fand häufig nach getaner Arbeit statt – zum Feierabend.

Siehe auch

  • Naturstein, Baustein aus Naturstoff
  • Porenbeton, Gasbeton in Bausteinform, ist kein Stein
  • Klinker, Material, das durch höhere Brenntemperaturen wasserabweisend wird
  • Terrakotta, eine seit dem Altertum bekannte Keramik
  • Wienerberger AG, führender Ziegelhersteller

Literatur

  • Campbell, James W.P. und William Pryce, Backstein. Eine Architekturgeschichte - Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Verlag Knesebeck 2003. ISBN 389660189X
  • Gottlob, Fritz (1907), Formenlehre der Norddeutschen Backsteingotik: Ein Beitrag zur Neogotik um 1900. Nachdruck der 2. Auflage (1999), Verlag Ludwig. ISBN 3-9805480-8-2: Abschnitt A.1.A (Flächenmauerwerk)
  • Heusinger von Waldegg, Edmund, Die Ziegel- und Röhrenbrennerei, einschließlich der neuesten Maschinen und Geräthe für die Ziegelfabrikation. Verlag Theodor Thomas, Leipzig 1891 (Umfassender Überblick über alle Aspekte der Ziegelproduktion um 1900)

Fußnoten

  1. Maße, des niederländischen Verbandes von Backsteinfabrikanten (pdf) (nl)
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