Die Analytische Chemie beschäftigt sich als Teilgebiet der Chemie mit der Identifizierung und der Mengenbestimmung von chemischen Substanzen (in diesem Zusammenhang als Analyten bezeichnet). Sie spielt in fast allen chemischen Teildisziplinen eine bedeutende Rolle und ist häufig Gegenstand aktueller öffentlicher Diskussionen wie zum Beispiel in der Umweltanalytik.
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Grundlegende Typen der Analytischen Chemie
Die wohl wichtigste Unterscheidung ist die zwischen qualitativer Analyse, quantitativer Analyse und Strukturanalyse:
- Die qualitative Analyse fragt nach dem Was im Sinne von „Was für ein Stoff ist das?“. Liegt nicht nur eine chemische Verbindung vor, sondern ein Gemisch, lautet die Frage „Welche Substanzen sind in der Probe vorhanden?“. Grundaufgabe der qualitativen Analyse ist also die Identifikation von Stoffen.
- Die quantitative Analyse fragt dagegen nach dem Wieviel, d.h. danach, welche Menge eines Stoffes (des Analyten) in einem Gemisch (der Probe) vorhanden ist.
Was „wie viel“ genau bedeuten soll, ist übrigens gar nicht so trivial. Meist ist hier die Stoffkonzentration gemeint, also zum Beispiel die Angabe wie viel mg Coffein pro Liter Kaffee vorliegen.
- Die Strukturanalyse fragt nach dem molekularen Aufbau einer Substanz (der chemischen Strukturformel oder der Kristallstruktur)
Qualitative und quantitative Analytik gehen oft Hand in Hand: Für die quantitative Analyse muss man normalerweise wissen, welche Substanz man bestimmen will und eine qualitative Analyse setzt zumindest voraus, dass genügend Analyt in der Probe vorliegt, um überhaupt detektiert werden zu können. Insofern nimmt die Strukturbestimmung eine Sonderstellung ein. Mit dem Aufkommen moderner Kopplungsmethoden (s.u.) werden aber Struktur-bestimmende Analyseverfahren auch in der qualitativen und quantitativen Analytik immer wichtiger.
Neben der Bestimmung einzelner Stoffe eines Gemischs werden oftmals Summenparameter bestimmt – insbesondere wenn es um schnelle Grundaussagen über eine Probe geht. Beispiele sind der TOC (Total Organic Carbon, ein Maß für den Gesamtgehalt organischer Verbindungen) oder der CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf als Maß für die Gesamtmenge an oxidierbaren Substanzen).
In der Polymeranalytik (Polymere sind Stoffe mit großen Molekülen, die sich aus vielen kleinen aber ähnlichen Einheiten – den Monomeren - aufbauen) ist speziell die Molekulargewichtsverteilung von Interesse. Hintergrund ist, dass Polymere niemals aus Molekülen gleicher Größe bestehen, sondern immer eine gewisse Größenbandbreite vorliegt; mittlere Molekülgröße und Breite der Molekulargewichtsverteilung sind dabei für die Eigenschaften des Polymers extrem wichtig.
Schließlich gibt es noch die verschiedenen Verfahren der Oberflächenanalytik. Das besondere an diesen analytischen Methoden ist, dass sie besonders sensitiv und zugleich selektiv Oberflächen-Eigenschaften abbilden können. Beispiele für diese Methoden sind: Elektronen-Energieverlustspektroskopie (EELS), Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS), Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES), Ultraviolet-Photoelektronen-Spektroskopie (UPS), Ionen-Streu-Spektroskopie (ISS=LEIS), Rutherford Backscattering Spectrometry (RBS)(Surface) Extended X-Ray absorption Fine Structure ((S)EXAFS=XANES), X-Ray Absorption near edge Structure (XANES=NEXAFS) oder Beugung niederenergetischer Elektronen (LEED).
Nass-chemische Analysemethoden
Die nass-chemische Analytik bedient sich bei der Identifikation und Quantifizierung ausschließlich chemischer Methoden; irgendwelche Instrumente, die physikalische Methoden zu Hilfe nehmen, werden nicht benutzt, was aber Geräte zur Automatisierung der Analysen nicht ausschließt. Beispiele für qualitative Methoden sind:
- Farbbildung durch chemische Reaktionen
Beispiel: Eisen(III)-Ionen bilden mit Thiocyanat tiefrotes Eisen-Thiocyanat.
- Fällungsreaktionen
Beispiel: in wässriger Lösung bilden Bariumsalze mit Sulfaten eine weiße Trübung - einen sog. ’’Niederschlag’’.
- Flammenfärbung
Beispiel: viele Metallionen färben eine Bunsenbrennerflamme in charakteristischer Weise
- Spezifische Reaktionen verschiedener Substanzklassen
Beispiel: Aldehyd-Nachweis mit der Fehling-Probe
Aber auch quantitative Bestimmungen lassen sich rein chemisch durchführen:
- Photometrie
Der Analyt reagiert mit einem Reaktionspartner unter Bildung eines farbigen Komplexes. Die Stärke der Färbung wird anschließend mit der Färbung von Lösungen bekannter Konzentration verglichen.
- Titration (Volumetrie)
Zu einer Lösung des Analyten wird die Lösung eines Reaktionspartners bekannter Konzentration langsam zugegeben. Wenn der Analyt vollständig abreagiert ist, bewirkt der zugesetzte Reaktionspartner bzw. ein Indikator einen Farbumschlag, eine Niederschlagsbildung oder sonst ein deutlich sichtbares Ereignis. Aus dem Volumen der verbrauchten Lösung des Reaktionspartners kann man die Konzentration des Analyten errechnen.
- Gravimetrie
Der Analyt reagiert mit einem Reaktionspartner und bildet einen unlöslichen Niederschlag bekannter Zusammensetzung; aus dessen Gewicht wird die Analytmenge bestimmt (daher der Name: gravis ist Latein und bedeutet „schwer“).
Instrumentelle Analytik
Wichtiger als die rein chemischen Nachweise sind heutzutage die Methoden der instrumentellen chemischen Analytik, deren Anzahl fast schon unüberschaubar geworden ist. Die Verfahren beruhen im Wesentlichen auf physikalischen Messprinzipien. Viele dieser Methoden sind sowohl für qualitative als auch quantitative Bestimmungen verwendbar. Auch hier nur ein paar Beispiele:
- Spektroskopie
Hier wird die Wellenlängen-abhängige Absorption oder Emission von elektromagnetischer Strahlung benutzt, die für den jeweiligen Analyten charakteristisch ist. Elektromagnetische Strahlung kann dabei sichtbares oder UV-Licht sein (UV/VIS-Spektroskopie), infrarotes Licht (IR-Spektroskopie, Raman-Spektroskopie), Röntgenstrahlung (Röntgen-Fluoreszenz Analyse, RFA) oder Gamma-Strahlung (Mößbauer-Effekt). Zur quantitativen Elementanalytik kommen hauptsächlich Atomabsorptionsspektroskopie, Atomemissionsspektroskopie und Induktiv gekoppelte Plasmen mit Optischer Emissionsspektroskopie (ICP-OES) zum Einsatz.
- Massenspektrometrie (MS)
Die Analyt-Moleküle werden auf irgendeine Weise ionisiert und im Vakuum in die Gasphase gebracht. Die Massen der intakten Molekülionen und der sog. Fragmentionen (Molekülionen können zerbrechen und dabei Fragmente bilden) werden bestimmt. Es gibt eine Unmenge an verschiedenen Ionisierungsmethoden und Detektortypen (Elektronenstoß-Ionisation (EI), chemische Ionisation (CI), Elektrospray (ESI), Atmospheric Pressure Chemical Ionization (APCI), Matrix Assisted Laser Desorption Ionisation (MALDI), Fast atom bombardment (FAB), Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS); Felddesorption (FD), Feldionisation (FI), Thermische Ionisation (TIMS), ICP-Massenspektrometrie (ICP-MS); Sektorfeld-Massenspektrometer, Quadrupol-Massenspektrometer, Flugzeit-Massenspektrometer, Ionenfallen-Massenspektrometer etc.).
- Kernresonanz-Spektroskopie (NMR)
Bei dieser besonderen Art der Spektroskopie werden magnetische Wechselwirkungen zwischen Atomkernen und Elektronen in den Analyt-Molekülen ausgenutzt. Es gibt eine unüberschaubare Zahl an speziellen Detektionsmethoden (z.B. COESY, NOESY), sog. 1D-, 2D- und 3D-NMR etc. Eine besondere Spielart der NMR ist die sog. MRT (Magnet-Resonanz Tomographie), die als bildgebendes Verfahren in der Medizin erhebliche Bedeutung gewonnen hat.
- Chromatographie
Ziel ist hier die Trennung verschiedener Substanzen. Dazu wird das Analytgemisch in einem Lösungsmittel (mobile Phase) gelöst, das dann eine feste Trägersubstanz (stationäre Phase) durchströmt (Flüssigchromatographie). Alternativ kann das Analytgemisch auch verdampft an der stationären Phase vorbei geführt werden (Gaschromatographie). Durch unterschiedlich starke Wechselwirkungen mit der stationären Phase werden manche Analyten schnell, andere langsam in Flussrichtung transportiert. Die Wanderungsgeschwindigkeit ist für den jeweiligen Analyten charakteristisch.
- Elektroanalytische Messmethoden
Hier werden elektrochemische Parameter (Redoxpotentiale, elektrischer Strom, Leitfähigkeit etc.) benutzt, um qualitative und quantitative Analysen durchzuführen. Stichworte sind Voltammetrie/Polarographie, Coulometrie, Amperometrie, Potentiometrie, Konduktometrie, Elektrogravimetrie etc.
Spektroskopische Methoden haben über ihre Anwendung in der klassischen Analytik hinaus erhebliche Bedeutung für die Strukturaufklärung chemischer Verbindungen. Insbesondere die Kombination mehrerer spektroskopischer Methoden ist vor allem in der Organischen Chemie ein sehr effektives Werkzeug. Daneben spielt die Röntgen-Strukturanalyse eine herausragende Rolle bei der Aufklärung von Kristallstrukturen.
In letzter Zeit ist die online Kopplung unterschiedlicher Analysemethoden immer wichtiger geworden. Ein klassisches Beispiel ist die sog. GC-MS, bei der ein Massenspektrometer an den Ausgang eines Gaschromatographen angeschlossen wird. Der Chromatograph erledigt die Auftrennung eines oft komplexen Substanzgemischs und das Massenspektrometer, dem der Gasfluss des Chromatographen kontinuierlich zugeleitet wird, identifiziert und quantifiziert die einzelnen Probenkomponenten. Ähnliche Kombinationen sind Kopplungen von HPLC (High Performance Liquid Chromatography) und Massenspektrometrie oder von HPLC und NMR.
Abschließend sei noch gesagt, dass die Trennung von nass-chemischer und instrumenteller Analytik in der Realität nicht so stark ist wie bisher dargestellt: Häufig muss eine Probe nass-chemisch aufbereitet werden, um für eine instrumentelle Methode verwendbar zu sein. So müssen schwer verdampfbare Substanzen chemisch modifiziert werden, damit sie in einem Gaschromatographen analysiert werden können oder es müssen besonders komplexe Gemische erst mal mit chemischen Methoden aufgetrennt werden, bevor die instrumentelle Analytik zum Zuge kommen kann.
Anwendungen
Die Zahl der verschiedenen Analysemethoden wird noch übertroffen durch die Vielzahl an Anwendungen der Analytischen Chemie. Wiederum nur ein paar Beispiele:
- Die Strukturaufklärung dient der Identifizierung neuer chemischer Verbindungen bei der chemischen Synthese oder bei der Erforschung neuer Naturstoffe und dem Verständnis ihrer Eigenschaften.
- In der forensischen Chemie (Gerichtschemie) müssen Substanzen identifiziert und quantifiziert werden (Hat der Gärtner Gift benutzt und wenn ja: welches und wieviel?).
- Fast alle Produkte der chemischen, kosmetischen und zum Teil der Nahrungsmittel-Industrie müssen sowohl während der Herstellung als auch unmittelbar vor der Auslieferung auf den Gehalt an wichtigen Inhaltsstoffen quantitativ getestet werden (Qualitätskontrolle).
- Die Umwelt- und Lebensmittelanalytik tragen das Wort „Analytik“ bereits im Namen. Gerade hier wurden in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte in der Leistungsfähigkeit analytischer Messmethoden gemacht (immer kleinere Mengen eines Analyten können in immer kürzerer Zeit genau bestimmt werden).
Literatur
- Jander, Blasius, Strähle, Schweda: Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie; Hirzel, Stuttgart; Auflage: 16., überarb. A. (März 2006); ISBN-13: 978-3777613888
- Jander, Blasius, Strähle: Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum (einschl. der quantitativen Analyse); Hirzel, Stuttgart; Auflage: 15., neu bearb. Aufl. (Oktober 2005); ISBN-13: 978-3777613642
- Otto: Analytische Chemie; Wiley-VCH; Auflage: 3., vollst. überarb. u. erw. A. (Juli 2006); ISBN-13: 978-3527314164
- Skoog, Leary: Instrumentelle Analytik. Grundlagen, Geräte, Anwendungen (Springer-Lehrbuch); Springer, Berlin; Auflage: 1 (Mai 1996); ISBN-13: 978-3540604501
- Schwedt: Analytische Chemie; Wiley-VCH; Auflage: 1 (2004); ISBN-13: 978-3527308668
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