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Enzymkinetik



Die Enzymkinetik ist ein Teilgebiet der biophysikalischen Chemie. Sie beschreibt, wie schnell enzymkatalysierte chemische Reaktionen verlaufen. Die Enzymkinetik findet breite Anwendung in Biologie und Medizin, da auch biologische Substrate (Reaktionspartner) – darunter solche, die im Menschen auftreten – untersucht werden. Ein Hauptziel der Enzymkinetik ist die Beschreibung der Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit mit geeigneten Formeln, sowie die Bestimmung der dazugehörigen Parameter für ein bestimmtes Protein (Enzymaktivität und katalytische Effizienz). Da Enzyme dazu dienen, Reaktionen zu beschleunigen und zu lenken, ist die enzymkinetische Analyse zum Verständnis von Enzymfunktionen unerlässlich.

Der klassische Weg der Charakterisierung von Enzymen erfolgt aufgrund der Substrataffinität (reziprok zum Km-Wert) und der Wechselzahl (molekulare Aktivität Vmax, auch kcat genannt): je größer kcat und je kleiner Km, desto größer die katalytische Effizienz ("kcat-über-Km"-Kriterium; vergleiche die Abbildung "Hyperbel" zur graphische Ermittlung). Zur Bestimmung dieser Werte dienen darüber hinaus computergestützte Verfahren wie die nichtlineare Regressionsanalyse oder − herkömmlich – graphische Extrapolationsverfahren (Linearisierungen).

Inhaltsverzeichnis

Direkt-lineare Auftragung


Wenig bekannt ist die Tatsache, dass sich enzymkinetische Parameter bequem und präzise direkt aus einer Sättigungshyperbel gemäß der Abbildung herleiten lassen ("direkt-lineare Auftragung" auch "Cornish-Bowden-Diagramm" genannt). In dieser Hyperbel ist die enzymatische Umsatzgeschwindigkeit v (Y-Achse) als Funktion der Substratkonzentration [S] dargestellt.

Für die direkt-lineare Auftragung überträgt man die Anfangsgeschwindigkeiten des enzymatischen Umsatzes direkt in das v-[S]-Diagramm. Die [S]-Werte sind vor Versuchsbeginn bekannt (eingestellte Substratkonzentrationen); während der Versuchsreihe ist dann der Ordinatenwert für v (die Anfangsgeschwindigkeit) nachzutragen. Im Gegensatz zu normalen Auftragungen werden die Messwerte also nicht als Punkte dargestellt, sondern in Form von Linien, die sich im günstigsten Fall in einem gemeinsamen Punkt schneiden, aus dessen Koordinatenwerten Km und Vmax folgen. Die katalytische Effizienz folgt übrigens aus der Steigung der Tangente an den Ursprung: Vmax/Km; daraus ergibt sich kcat/Km.

Die Fehlerbehandlung wird im direkt-linearen Plot weitgehend vereinfacht: die Linien im zweiten Quadranten werden mehr oder weniger um einen Punkt streuen. Mittelwertsbildung gibt dann die wahrscheinlichen Werte für die Parameter Km und Vmax. Bei Inspektion der Streubreite der Messpunkte (nicht identisch mit deren Standardabweichung) können Ausreißer leicht identifiziert und sogenannte Mediane abgelesen werden.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass alle (auch die nachfolgenden) Auswertungverfahren nicht nur für Enzyme, sondern auch für die Bindungsvorgänge von Carriern oder Rezeptoren Gültigkeit haben. Historisch gesehen gab es hier zweifellos Parallelentwicklungen (Hanes und Eadie-Hofstee-Auftragung für Enzyme, Scatchard und Hill-Auftragungen für Carrier).

Linearisierungsverfahren

Klassisch sind zum gleichen Zweck die Linearisierungsverfahren. Diese sind zwar einprägsam und verbreitet, zur Fehlerbetrachtung jedoch mehr oder weniger ungeeignet. Deshalb sollen sie hier nur gestreift werden:

Lineweaver-Burk-Diagramm (doppelt-reziproke Auftragung)

1/v als Funktion von 1/[S].

zur Datenrepräsentation meist verwendet, zur Auswertung jedoch am wenigsten verlässlich. Kleine Fehler in v ergeben bei kleinen [S]-Werten eine große Abweichung in 1/v, bei großen [S]-Werten ist diese eher zu vernachlässigen. Die Autoren der Methode haben die Unsicherheit großer 1/v Werte betont und darauf hingewiesen, dass diese grundsätzlich geringer zu gewichten sind. Spätere Anwender haben dies zumeist ignoriert. Wo möglich sollte dieses Verfahren zur Bestimmung enzymkinetischer Parameter ersetzt werden, vorzugsweise durch das Hanes-Diagramm.

Eadie-Hofstee-Diagramm

Das Eadie-Hofstee-Diagramm nimmt eine Mittelstellung ein.

v als Funktion von v/[S].

Der Fehler wächst mit v/[S]. Da v bei beiden Koordinaten eingeht, konvergieren alle Abweichungen zum Ursprung.

Scatchard-Diagramm

Das Scatchard-Diagramm

v/[S] als Funktion von v.

gleicht dem vorigen (Achsen sind vertauscht) und wird zumeist zur Repräsentation von Bindungsmessungen (anstelle enzymkinetischer Daten) angewendet. Scatchard- und Eadie-Hofstee-Diagramme gelten als die besten Werkzeuge zur Diagnose kooperativer Phänomene. Im Falle negativer Kooperativität oder nicht-identischer, isolierter Bindungsplätze entsteht ein konkaver Verlauf mit linearem Endast. Die Steigungen entsprechen hier den Affinitäten (Kd beziehungsweise Km) und die Gesamtzahl der Bindungsplätze (aktiven Zentren) ist aus dem Schnittpunkt mit der x-Achse abzulesen.

Hanes(-Wilkinson)-Diagramm (Hanes-Woolf-Diagramm)

[S]/v als Funktion von [S].

Bestmögliche Auftragung dieses Typs. Fehler in [S]/v sind eine weit bessere Annäherung der Fehler in v. Aufgrund einer unverfälschten Spreizung der Messpunkte entlang der [S]-Achse wird das Ergebnis durch einzelne Ausreißer prinzipiell weniger verfälscht. Nur bei dieser Auftragung kann auch eine Datenoptimierung durch lineare Regression sinnvoll sein. Der Anstieg der Regressionsgeraden beträgt 1/vmax, der Schnittpunkt mit der Y-Achse entspricht Km/vmax.

Hill-Diagramm

Graphische Methode, vorrangig für die Bestimmung eines kooperativen Bindungsvorganges für ein Protein (Enzym). Gebunden werden Substrate S (bzw. Liganden L) Die Graphik setzt Kenntnis von Vmax (beziehungsweise n) voraus. Die Auftragung von

log v/(Vmax-v) als Funktion von log [S] beziehungsweise
log r/(n-r) als Funktion von log [L]

ist eine Gerade der Steigung 1 (nH = 1), wenn die Bindungsplätze voneinander unabhängig sind. Bei kooperativen Systemen kann die Steigung am Nullpunkt (der Hill-Koeffizient nH) theoretisch der Zahl der Untereinheiten (n) gleichen, wird aber praktisch darunter bleiben. Falls die individuellen Km-(Kd-)Werte nicht durch Tangenten an die 45°- Ausläufer der Kurve extrapolierbar sind, ist nH ein Ersatzmaß der Kooperativität einzusetzen; nur für nH = 1 gleicht der Nulldurchgang ln Km (beziehungsweise ln Kd). Für Hämoglobin (n = 4), das als klassisches, hochkooperatives Protein gilt, wurde nH zu 2,8-2,9 bestimmt.


Inhibitoren

Viele Therapeutika – auch Kampfstoffe – sind Hemmstoffe oder Mediatoren (Inhibitoren) von Enzymen. Aus diesem Grunde ist der Aufklärung des Wirkungsmechanisms immer eine besondere Bedeutung zugekommen. Hier sollte allerdings beachtet werden, dass sich klassische Analysen auf reversibel bindende Stoffe beschränken. Enzymgifte als "nichtkompetitive Inhibitoren" zu beschreiben ist zwar gängig, aber nicht korrekt.

Abgeleitet aus der Michaelis-Menten-Gleichung (v = Vmax x [S] / (Km + [S]) stellt sich die allgemeine Inhibitionsgleichung wie folgt dar:

\nu =  \frac { V_{max} \times [S] }  { Km (1 + \frac{[I]}{Ki}) + [S] (1 + \frac{[I]}{Kis}) }


Danach kann das Verhältnis des Ki-Wertes (Dissoziationskonstante des Komplexes EI) und des Kis-Wertes (Dissoziationskonstante des Komplexes EIS) zur Ableitung des Inhibitionstyps dienen:

A – Mischtyp.

Der Inhibitor bindet sowohl an das freie Enzym als auch an den Enzym-Substratkomplex. Km und Vmax werden nicht erreicht. Im Sonderfall des nichtkompetitiven Inhibitors wäre Ki=Kis. Km bliebe unverändert, aber Vmax würde nicht erreicht.

B – Kompetitiv.

Der Inhibitor bindet anstelle des Substrats. Km kann nicht erreicht werden, während Vmax mit steigendem Substratüberschuss angenähert wird. Kis hat keine Bedeutung, das heißt, es ist unrealistisch groß.

C – Unkompetitiv.

Der Inhibitor assoziiert nur, nachdem das Substrat bereits gebunden ist. Vmax kann nicht erreicht werden, während der Km-Wert scheinbar sinkt(!). Ki hat keine Bedeutung, das heißt, es ist unrealistisch groß.

Reversible Hemmtypen werden häufig als kompetitiv, nichtkompetitiv oder unkompetitiv klassifiziert, obgleich sie ursprünglich auf der Grundlage von Einsubstratenzymen definiert wurden. Mit Ausnahme der kompetitiven Hemmung sind sie jedoch nur für Mehrsubstratenzyme von Bedeutung. Die klassische Vorgehensweise beruht übrigens wieder auf der Inspektion linearisierter Graphiken (Details im Kapitel Enzymhemmung), für die der Einfluss eines Inhibitors I auf den Km- beziehungsweise Vmax-Wert diskutiert wird. Die Zukunft sollte der nichtlinearen Regressionsanalyse auf der Basis der allgemeinen Inhibitionsgleichung gehören.

Siehe auch

Allosterie, Crabtree-Effekt, Energieladung, Enzymaktivität und katalytische Effizienz, Enzymhemmung, exergon, Fließgleichgewicht, Kooperativität, Mehrsubstratreaktion, Michaeliskonstante, Michaelis-Menten-Theorie, Multienzymkomplexe, Pasteur-Effekt, Substratzyklus, Wechselzahl

 
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