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Erythropoetische Protoporphyrie
Die erythropoetische Protoporphyrie (EPP) ist eine Stoffwechselstörung aus der Gruppe der Porphyrien. Die erythropoetische Protoporphyrie beruht auf einem seltenen genetischen Defekt, der sich auf die Blutbildung auswirkt. Die Krankheit geht mit einer äußerst schmerzhaften (Sonnen-)Lichtempfindlichkeit einher, weshalb oftmals fälschlicherweise eine „Sonnenallergie“ vermutet wird. Die ersten Symptome zeigen sich meistens zwischen dem ersten und 10. Lebensjahr und äußern sich in Vermeidungsverhalten gegenüber Sonnenlicht und Hyperaktivität der Kinder. Da bei den meisten Betroffenen keinerlei sichtbare Symptome auf der Haut auftreten, wird den Patienten oftmals nicht geglaubt. Der dadurch entstehende Anpassungsdruck führt, trotz Schmerzen, häufig zum Verbergen der Symptome (Dissimulation). Neben den Hautsymptomen treten in bis zu 10 % der Fälle Leberkomplikationen auf, die tödlich verlaufen können. Der Name „Erythropoetische Protoporphyrie“ besagt, dass die Bildung (griechisch: Poiesis) der roten Blutkörperchen (grch.: Erythrozyten) betroffen ist. Dabei reichert sich die chemische Substanz Protoporphyrin, ein Vorläufer u.a. des roten Blutfarbstoffes, in den roten Blutkörperchen, dem Blutplasma, der Leber und den Zellwänden der Gefäße ab. Das ringförmige Protoporphyrin ist für die Lichtunverträglichkeit verantwortlich. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
UrsacheUrsache der EPP ist meistens der teilweise Ausfall der Funktion eines Enzyms, der Ferrochelatase. Die Ferrochelatase ist verantwortlich für den letzten Schritt der Herstellung des roten Blutfarbstoffes, der Häm-Gruppe. Die Häm-Gruppe entsteht durch den Einbau eines Eisenatoms in den Protoporphyrinring, ihre Hauptaufgabe ist der Transport des Sauerstoffs im Blut. Ist zB. durch eine Mutation die Aktivität der Ferrochelatase eingeschränkt, können nicht genügend Eisenatome eingebaut werden und die Vorläufersubstanz, das Namen gebende Protoporphyrin, reichert sich in den roten Blutkörperchen an. Lichtunverträglichkeit (Phototoxizität): Protoporphyrin ist in der Lage, Licht der Wellenlänge 400-410 Nanometer (UV-A Strahlung und violetter Anteil des sichtbaren Lichts) aufzunehmen. Durch Abgabe der Energie entstehen Sauerstoffradikale, die Strukturen im Gewebe angreifen und zerstören können (Oxidativer Stress). Entzündungsreaktionen und Einbeziehung des Immunsystems sind die Folge (Jucken und Anschwellen der dem Sonnenlicht ausgesetzten Haut). Symptome
Abhängig von der Witterung und der persönlichen Toleranzschwelle gegenüber Sonnenlicht beginnen unter Umständen schon wenige Minuten nach der Sonnenexposition die belichteten Hautareale zu jucken, kribbeln und zu brennen. Die Toleranz ist von Patient zu Patient verschieden, einige Betroffene vertragen nur wenige Minuten Sonnenlicht, andere mehrere Stunden. Zudem kann ein vorangegangener Aufenthalt in der Sonne, die Menstruation u. a. Faktoren die Empfindlichkeit erhöhen.
Besonders zu beachten ist, dass in extremen Fällen auch künstliches Licht nicht vertragen wird! Dies kann bspw. bei Operationen zu schweren Verbrennungen führen.
Ist der Betroffene der persönlichen Schwellendosis an Licht ausgesetzt gewesen, werden auch andere Reize wie Luftzug oder Kälte als unangenehm und schmerzhaft empfunden; Wind kann die Symptome verschlimmern. Charakteristisch ist eine als "kaltes Kribbeln" oder "eiskaltes Feuer auf der Haut" beschriebene, äußerst unangenehme Empfindung, der häufig mit warmhalten (!) der betroffenen Regionen begegnet wird. Besonders Nase, Lippen und Handrücken werden als sehr sensibel beschrieben, bei einigen Patienten wird das Fleisch unter den Fingernägeln blass und stoßempfindlich. Kann der Aufenthalt in der Sonne nicht abgebrochen werden, steigern sich die Symptome zu einem äußerst schmerzhaften, brennenden Hitzegefühl, das schwer beschrieben werden kann (Zitate: „Wie heiße Nadeln, die die Haut durchstechen“, „brennende Ameisen unter der Haut“). Die Betroffenen versuchen durch Kühlung die Symptome zu lindern, häufig werden Gegenstände aus Metall oder Glas an die betroffenen Hautstellen gehalten oder mit (fließendem) kalten Wasser oder feuchten Wickeln die Stellen gekühlt. Wärme, auch (die eigene!) Körperwärme, wird als schmerzhafte Hitze empfunden. In diesem Stadium sind bei den meisten Betroffenen keinerlei Veränderungen der Haut sichtbar, in einigen Fällen kann eine fleckige Rötung oder die Bildung kleiner Blasen auf der Haut beobachtet werden. Häufig treten Begleiterscheinungen wie Schlaflosigkeit, motorische Unruhe, Gereiztheit oder Aggressivität auf.
Dauert der Aufenthalt in der Sonne (natürlich erzwungenermaßen) zu lange, treten ödemartige Schwellungen der Hautareale auf, die der Sonne ausgesetzt waren. Dabei können die Areale vollständig zuschwellen und ein Öffnen der Augen oder das Bewegen der Finger fast unmöglich machen. Die Schwellungen (Wassereinlagerungen) treten erst mit einer mehrstündigen Verzögerung (meist über Nacht) auf, werden oft begleitet von einer tiefroten Verfärbung der Haut und können über Tage bis mehrere Wochen bestehen bleiben. Das Gewebe ist in dieser Zeit extrem schmerzempfindlich gegenüber allen äußeren Reizen (Kälte, Wind, geringe Wärme, Berührung). Die Grenze der Sonnentoleranz, ob und bis Schwellungen auftreten, ist individuell unterschiedlich. Gesicht: In sehr extremen Fällen kann sogar das Gewebe unter den Hautpartien in Mitleidenschaft gezogen werden und einen plastischen chirurgischen Eingriff notwendig machen.
Einige Betroffene entwickeln an den chronisch dem Sonnenlicht ausgesetzten Hautpartien dauerhaft sichtbare Veränderungen wie der Vergröberung des Hautreliefs (lichenoide Infiltrate) um Nase, Mund und Fingerknöchel. Faltenbildung, abweichende Pigmentierung oder kleine, wachsartige Narben können vorkommen.
LeberbeteiligungProtoporphyrin ist nicht in Wasser löslich und kann daher nicht mit dem Urin aus dem Körper entfernt werden. In der Leber wird das Protoporphyrin in eine transportierbare Form umgewandelt und dann mit dem Stuhl ausgeschieden. Wird zuviel Protoporphyrin aus dem Blut in die Leber geschwemmt, kann die Kapazität des Organs überlastet werden und es kommt zu kristallinen Einlagerungen in den Leberzellen. Diese Ablagerungen schädigen die Zellen der Gallenkanälchen und beeinträchtigen dadurch die Abgabe der Gallenflüssigkeit. Häufig entstehen Gallensteine. Bis zu 10% der Betroffenen entwickeln darüber hinaus lebensbedrohliche Leberkomplikationen. In einem frühen Stadium der Leberbeteiligung steigt die Konzentration des Protoporphyrins in den roten Blutkörperchen und dem Blutplasma nachweisbar an, zudem findet sich vermehrt das Umwandlungsprodukt Koproporphyrin Isomer I im Urin. Im fortgeschrittenen Stadium entwickelt sich eine Gelbsucht, ohne Transplantation führt die fortschreitende Leberschrumpfung (Leberzirrhose) innerhalb von 3-4 Monaten zum Tod. Weshalb nur 1-10% der von EPP Betroffenen eine schwere Leberfunktionsstörung entwickeln, ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass Leberzellen Entgiftungsmechanismen besitzen, um eine erhöhte Belastung tolerieren zu können. Fehlt diese Fähigkeit, ist die Leber sensibler für die toxische Wirkung des Protoporphyrins. Mutationen in bestimmten Abschnitten des Ferrochelatase-Gens scheinen eine Leberbeteiligung zu begünstigen. BehandlungBereits vorhandene Symptome klingen beim Aufenthalt in dunklen, kühlen Räumen innerhalb von Stunden bis Tagen wieder ab. Von einer Kühlung der betroffenen Hautareale mit Wasser wird abgeraten, da die Haut austrocknet und leicht einreißt. Das vorsichtige Erwärmen der betroffenen Hautareale mit warmem Wasser wurde von einigen Patienten als hilfreich beschrieben. Prävention: Bei einigen Patienten können die Symptome durch Gabe von hohen Beta-Carotin-Dosen eventuell vermindert werden. Die Berichte beruhen auf anekdotischen Daten, denen keine kontrollierten klinischen Blindstudien sondern Zusammenfassungen von case reports zugrunde liegen (Mathews et al 1975 ff). Das Ausmaß des Placeboeffektes ist unbekannt. Wegen der nicht bewiesenen Wirkung wird die Betacarotentherapie heute weitgehend nicht mehr als geeignete Maßnahme diskutiert (European Porphyria Meeting, Rotterdam, Mai 2007). Eine wirkliche Heilung gibt es derzeit nicht. Neue Behandlungsansätze werden zur Zeit verfolgt und befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstufen. Wichtigste Maßnahme bleibt nach wie vor die konsequente Vermeidung von Sonnenlicht durch vernünftige Verhaltensweisen und entsprechende Kleidung (Handschuhe, Hut, lange Ärmel, Schirm etc.). Einigen Betroffenen hilft das Tragen UV-undurchlässiger Textilien und UV-Schutzfolien bzw. gelb eingefärbten Schutzfolien für Fensterscheiben. Da der Hauptauslöser der Symptome das sichtbare Lichtspektrum zwischen violett bis blau ist, kommt gelb (Komplemantärfarbe) eingefärbter Folie eine besondere Schutzwirkung zu. Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor im UV-A Bereich und Mikropigmenten wird empfohlen. Bewährt hat sich auch handelsübliche abdeckende Kosmetik. Leber: Die Untersuchung von Leberwerten, Protoporphyrinspiegel und -zusammensetzung (im Blut) wird mindestens einmal jährlich empfohlen. Von Alkohol und anderen Leber belastenden Substanzen wird dringend abgeraten; einer fortgeschrittenen Schädigung der Leber kann nur durch Transplantation begegnet werden. Psychosoziale Aspekte
Die meisten Betroffenen sind trotz der Einschränkungen sehr gut sozial integriert, sind berufstätig und führen ein relativ normales Leben! DiagnoseAufgrund ihrer Seltenheit und der im akuten Stadium unsichtbaren Symptome wird die Erythropoetische Protoporphyrie oft erst nach vielen Jahren diagnostiziert (im Durchschnitt 16 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome).
Bei Kleinkindern: Ausgeprägte Sonnenbrände und Rötungen/ Schwellungen aller dem Sonnenlicht ausgesetzten Hautpartien. Unruhe, Schlaflosigkeit und langes Schreien der Kinder weisen auf die Lichtempfindlichkeit hin. Ältere Kinder zeigen bei erfolgter Sensibilisierung extremes Vermeidungsverhalten wie das Rennen durch besonnte Areale zum nächstmöglichen Schatten oder das Nutzen geringer Temperaturunterschiede von Materialien zur Kühlung (Handkanten an Glasflaschen pressen etc.).
Häufigkeit und AuftretenDie Symptome der EPP treten in der Regel in den ersten Lebensmonaten bis – jahren auf. Anhand der Verbreitung der genetischen Veranlagung ist in Deutschland schätzungsweise ein Mensch von 100.000 an EPP erkrankt. Bei 80 Mio. Menschen in Deutschland entspricht das 800 Fällen, von denen die allermeisten bisher nicht erkannt sind. Seltene Fälle von Erstmanifestationen später im Leben sind beschrieben, Ursache sind hier Veränderungen der Blut- Stammzellen im Erwachsenenalter. Im Tierversuch sind einige Substanzen als EPP-auslösend beschrieben. VererbungFerrochelatase: Entgegen ursprünglichen Annahmen ist die EPP nicht nur dominant sondern auch rezessiv vererbbar, folgt aber nicht in jedem Fall dem einfachen Muster anderer dominant/rezessiver Erbgänge: In der Regel führt ein Aktivitätsverlust des Enzyms von 50% (gleichbedeutend mit dem Totalausfall eines der beiden Gene) noch nicht zum Ausbruch einer EPP, erst wenn die Aktivität beider Ferrochelatase-Enzyme zusammen unter 50% fällt (d.h. beide Gene betroffen sind) zeigen sich die Symptome. Es wird vermutet, dass neben dem defekten Gen für die Ferrochelatase weitere Faktor für die Entstehung von EPP mitverantwortlich ist. Das mit ca. 40.000 Basenpaaren relativ große Gen der Ferrochelatase liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 18. Über 70 verschiedene Mutationen, die zu EPP führen, sind bisher beschrieben. Neben der Ferrochelatase oder ihren regulatorischen Regionen können auch Veränderungen an anderen Stellen der Häm-Biosynthese oder des Transportes zu einer EPP führen. Patienten mit einer dominant vererbten Form der EPP zeigen in der Regel stärkere Symptome und leiden häufiger an einer Leberbeteiligung. Leben mit EPPEPP in der Presse: "Die Sonne hat nur Schattenseiten", Schweizer Familie 1997 [1] "Wenn Sonnenstrahlen weh tun",Westfälische Rundschau vom 05.12.2007: [2] Erfahrungsberichte Betroffener: [3] Schutzmaßnahmen im täglichen Leben, eine Betroffene aus den Niederlanden berichtet auf ihrer Homepage: [4] Verwandte ThemenDie Photodynamische Therapie zur Behandlung verschiedener Krebsarten (v.a. Hautkrebs) beruht auf dem selben zellschädigenden Effekt, den Protoporphyrin auch bei EPP hat: Dabei werden Krebszellen dazu angeregt, Protoporphyrin zu bilden und zu speichern. Danach werden die Areale sichtbarem Licht ausgesetzt, wodurch die Krebszellen selektiv zerstört werden. Die Reaktion gleicht in allen Symptomen einer EPP, die Behandelten klagen über ähnliche Schmerzwahrnehmgungen und - intensitäten. QuellenangabenÜbersichtsartikel EPP:
Psychosoziale Aspekte
Studie zu EPP und Lebensqualität aus GB:
"Unsichtbare" Hautsymptome bei EPP:
Leberbeteiligung:
Ferrochelatase:
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