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Elektrostatischer TrägheitseinschlussElektrostatischer Trägheitseinschluss (engl. inertial electrostatic confinement, IEC) ist eine Methode, ein Plasma hoher Dichte und hoher Ionenenergie alleine oder vor allem mit Hilfe eines elektrischen Feldes zu erzeugen. IEC-Anordnungen wurden ursprünglich mit dem Ziel gebaut, eine Kernfusion einzuleiten; die ersten Geräte dieser Art wurden nach ihren Entwicklern auch als Farnsworth-Hirsch-Fusor und Hirsch-Meeks-Fusor oder einfach Fusor bekannt. Seit den 1990er Jahren wurde das Konzept jedoch nur mehr dazu verfolgt, um eine leicht zu betreibende Neutronenquelle zu entwickeln.
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GrundlagenDas Konzept des elektrostatischen Trägheitseinschlusses zum Erzielen von Kernfusion beruht darauf, dass Deuterium- und/oder Tritium-Ionen durch ein elektrisches Feld in einem kleinen Raumbereich gehalten werden und diese von außen mit energiereichen D- oder T-Ionen bombardiert werden. Im Gegensatz zu Kernfusionsreaktoren mit magnetischem Einschluss ist die Energie beim Stoß also nicht durch die Temperatur des Plasmas gegeben, sondern es können höhere Ionenenergien (hohe Beschleunigungsspannungen) verwendet werden, sodass die Coulombabstoßung beim Stoß leichter überwunden werden kann und die Wahrscheinlichkeit für Kernfusion beim Stoß steigt. Allerdings wurde trotz der höheren Ionenenergien keine auch nur annähernd ausreichende Kernfusionsrate für die Energiegewinnung erzielt. Bei den meisten der bisher ausgeführten Versuchsaufbauten erfolgt der Einschluss der Ionen im Bereich eines kugelförmigen Gitters (Kathode), das auf negativer Hochspannung liegt. Die von außen kommenden Ionen werden von der Kathode angezogen, fliegen meistens an der Gitterdrähten vorbei und bilden im Inneren eine positive Ladungswolke, von der sie abgestoßen werden. Daher pendeln sie zwischen der Innen- und Außenseite des Kathodengitters hin- und her und verlieren durch Stöße Energie, bis sie schließlich auf das Gitter auftreffen. Dabei werden Elektronen ausgelöst; fliegen diese in Richtung der positiven Ionenwolke in der Mitte der Kathode, so können sie dort eine negative Ladungswolke bilden, die niederenergetische Ionen in einem kleinen Bereich sehr nahe der Kugelmitte festhält ("virtuelle Kathode"). Die hochenergetischen Ionen können von Ionenquellen kommen, die außerhalb der Kathode (in Öffnungen des Vakuumgefäßes) angeordnet sind, oder durch eine Glimmentladung zwischen einer äußeren Elektrode und der Wand des Vakuumgefäßes (oder einer dritten Elektrode) erzeugt werden. Um zu vermeiden, dass die Ionen ihre Energie durch Stöße verlieren, bevor sie das Innere der Kathodenkugel erreichen, muss der Druck in der Kammer im Bereich unter 10-2 mbar liegen. GeschichteErfindungFrühe Arbeiten zu dieser Technik wurden von Philo Farnsworth erbracht. In der Frühphase der Experimente der kontrollierten Fusion in den 1950er Jahren war eines der größten Probleme zu vermeiden, dass das geheizte Brennmaterial (Deuterium und/oder Tritium) die Wände seines Behälters berührte; wenn dies geschah, kühlte es schnell ab, was zu einem Energieverlust führte. Basierend auf seiner Erfahrung mit dem Bau von Elektronenröhren für die Verwendung in Fernsehern (Kathodenstrahlröhren) und der Untersuchung des Multipaktor-Effekts überlegte Farnsworth, dass er ein elektrostatisches Käfigsystem bauen könnte, in dem die „Wände“ aus Elektronen oder Ionen bestehen würden. Das Brennmaterial könnte dann durch die Wand eingeführt werden und würde, sobald es im Innern wäre, nicht mehr entweichen können. Er nannte dieses Konzept eine „virtuelle Elektrode“ und das System in seiner Gesamtheit den Fusor. KonstruktionDie ursprünglichen Fusorentwürfe basierten auf zylindrischen Anordnungen von Elektroden. Der Brennstoff für die Kernfusion, also Deuterium wurde ionisiert und dann aus kleinen Beschleunigern (Ionenquellen) durch Löcher in den äußeren (physikalischen) Elektroden geschossen. Nach dem Passieren der Löcher wurde er mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der inneren Reaktionszone beschleunigt. Elektrostatischer Druck durch die positiv geladenen Elektroden hielt den Brennstoff insgesamt von den Wänden der Kammer fern, und der Aufprall von neuen Ionen hielt das heißeste Plasma im Zentrum. Farnsworth bezeichnete dies als „elektrostatischen Trägheitseinschluss“ (Inertial Electrostatic Confinement, IEC) – ein Begriff, der auch heute noch benutzt wird. In den frühen 1960er Jahren wurden verschiedene Modelle des Fusors gebaut. Obwohl sie sonst der ursprünglichen Konstruktion ähnlich waren, nutzten sie eine kugelförmige Reaktionszone. In Farnsworth' Labor ging es recht offen zu, sodass einige Labortechniker ebenfalls ihre eigenen Konstruktionen bauten. Trotz seines allgemeinen Erfolgs hatte der Fusor ein Problem mit der Skalierbarkeit: die Menge an Brennstoff, die bei der Reaktion genutzt werden konnte, war gering. Robert HirschMit der Ankunft von Robert Hirsch im Labor gab es weitere Fortschritte. Hirsch baute in den späten 1960er Jahren ein großes Gerät mit sechs Ionenquellen und einer Hochspannungsversorgung bis 150 kV. Mit diesem Gerät wurden mit Deuterium nahezu 108 Fusionsereignisse pro Sekunde erreicht (für die Deuterium-Tritium-Reaktion ist die Reaktionsrate um einen Faktor von etwa 100 höher). Dies ergibt jedoch selbst für den Fall der D-T Reaktion nur eine Fusionsleistung von weniger als einem Zehntel Watt, bei einem Energieverbrauch des Geräts im Kilowatt-Bereich. Außerdem schlug er eine von Grund auf neue Art vor, einen Fusor zu bauen, ohne Ionenkanone. Stattdessen war das System aus zwei konzentrischen kugelförmigen Elektrodengittern aufgebaut, die sich in einem größeren Behälter befanden, der mit verdünntem Brenngas befüllt war. In diesem System reichte die Glimmentladung um die äußeren Elektroden als Ionenquelle aus. Mit dieser Anordnung, auch Hirsch-Meeks-Fusor genannt, wird auch heute noch experimentiert. Letztlich waren beide Systeme dem ursprünglichem Fusor-Konzept Farnsworth's ähnlich, nutzten aber eine echte Elektrode, also ein kugelförmiges Gitter nahe dem Zentrum. Hirsch hat auch Berechnungen zur Verteilung der Ladungen und somit zum Effekt der virtuellen Elektrode durchgeführt. Farnsworth Television LabsDie gesamte Entwicklung hatte in den Farnsworth Television Labs stattgefunden, die 1949 – mit dem Plan, ein Unternehmen der Größe der Radio Corporation of America (RCA) zu werden – vom Unternehmen International Telephone and Telegraph (ITT) gekauft worden waren. 1961 setzte die ITT Harold Geneen als Chief Executive Officer (CEO) ein. Geneen entschied, dass die ITT nicht weiter ein Telefonie-/Elektronik-Unternehmen sein würde und leitete eine Strategie ein, schnell Unternehmen jeder Art einzukaufen, beispielsweise Versicherungen, Sheraton Hotels, Wonderbread und Avis Rent-a-Car, wobei der Profit im Vordergrund stand. Ein Forschungsprojekt zu Fusoren brachte jedoch keinen unmittelbaren Profit. 1965 begann der Vorstand daher, Geneen zu drängen, die Farnsworth-Abteilung abzustoßen, aber deren Budget für 1966 war bereits bewilligt und die Finanzierung bis 1967 gesichert. Eine weitere Finanzierung wurde verweigert, was die Fusions-Experimente der ITT beendete. Die Arbeitsgruppe wandte sich dann an die United States Atomic Energy Commission (AEC), die damals für die Finanzierung von Fusionsforschung zuständig war, und stellte dieser ein Gerät zu Demonstrationszwecken zur Verfügung. Das auf einem Servierwagen montierte Gerät erzeugte eine höhere Fusionsrate als jedes existierende „klassische“. Die Beobachter waren erschrocken, aber zu diesem Zeitpunkt war das gesamte Budget bereits durch große Forschungsprojekte blockiert, die sich dagegen wehrten, dass irgendwelche Mittel neuen Systemen zugeordnet werden sollten – gleichgültig, wie vielversprechend diese seien. Brigham Young UniversityFarnsworth wechselte dann zur Brigham Young University und versuchte, sein Laborpersonal von der ITT dorthin zu übernehmen. Das Unternehmen nahm 1968 den Betrieb auf, aber nachdem es Farnsworth nicht gelungen war, einige Millionen Dollar Anfangskapital zu sichern, waren 1970 seine finanziellen Reserven aufgebraucht. Im Februar 1971 wurden die Firmenkonten von der amerikanischen Steuerbehörde IRS eingefroren. Einen Monat später erlitt Farnsworth eine Lungenentzündung und starb. Der Fusor starb gewissermaßen mit ihm. Aktuelle EntwicklungenIn den frühen 1980er Jahren erwiesen sich die „Riesenmaschinen“ zur Kernfusion als kaum erfolgreicher als frühere Generationen der Maschinen, weshalb eine Reihe von Physikern anfingen, sich alternative Bauweisen auszudenken. Unter anderen entwickelte George Miley von der University of Illinois den Fusor dennoch weiter. Bis heute werden ähnliche Geräte auf Basis des elektrostatischen Trägheitseinschlusses immer wieder gebaut, um eine Neutronenquelle zu entwickeln, es wurden jedoch keine wesentlich höheren Raten für Kernfusion als bereits in den Experimenten von Hirsch erzielt. Versuchsaufbauten, meist mit Glimmentladung, aber auch mit zusätzlichen Ionenquellen, wurden an verschiedenen Universitätsinstituten, am Los Alamos National Laboratory und von Daimler-Chrysler Aerospace durchgeführt. Es konnte insbesondere in verschiedenen Experimenten das Konzept der virtuellen Elektroden experimentell nachgewiesen werden, also die Ausbildung von Potenzial-Minima innerhalb der inneren Gitter-Elektrode, wo sich die Ionen geringer Energie sammeln. Es wird heute allgemein angenommen, dass mit diesem Konzept im Vergleich zur aufgewendeten Energie nur geringe Energie aus Kernfusion gewonnen werden kann und es daher nicht zur Energiegewinnung durch Kernfusion geeignet ist. Einfache VersuchsaufbautenEs ist relativ leicht, ein Gerät mit elektrostatischem Trägheitseinschluss zu bauen. So wurden schon kleine Demonstrationsgeräte, in denen (mit geringer Rate) Kernfusion abläuft, von Amateuren, beispielsweise von High-School-Schülern, die an Forschungsprojekten teilnahmen, konstruiert. Jede Elektrode wird dabei aus rostfreiem Edelstahldraht (beispielsweise Schweißdraht) punktgeschweißt. Die Größe der Elektroden des Fusors ist hierbei unbedenklich. Die äußere hat einen Durchmesser von 100 bis 600 mm und die innere einen von 40 bis 100 mm. In solchen Projekten werden gewöhnlich ein Hochspannungstransformator aus Leuchtreklamen oder Röntgengeräten und ein Hochspannungsgleichrichter aus Hobbyläden verwendet. Zündkerzenkabel leiten den Strom, der von Zündkerzen oder ähnlichen keramischen Nichtleitern in die Vakuumkammer geleitet wird. Deuterium ist für Dozenten erhältlich und wird nicht als nukleares Material überwacht. Die entstehenden Neutronen können auf Grund ihrer geringen Menge wohl kaum durch die Messung der in Aluminium-, Silber- oder Indiumfolien induzierten Radioaktivität nachgewiesen werden (wobei die Neutronen vorher durch Wachs, Wasser oder Kunststoff moderiert werden müssten). Es kann aber mit dem Ansprechen von Neutronendetektoren, die mit Bortrifluorid oder Helium-3 gefüllte Röhren nutzen, gerechnet werden; diese sind jedoch relativ teuer. Nennenswerte Kosten verursacht normalerweise auch die Vakuumpumpe. Zu beachten ist, dass die auftretende Spannung (über 20.000 Volt) extrem gefährlich ist und dass die Neutronenemissionen zu einer Gefahr werden können, wenn Spannungen über 40 kV angelegt werden. Die Röntgenstrahlenemissionen sind das größte mit dem Fusor verbundene radiologische Risiko; deswegen muss man röntgenstrahlendurchlässige Teile wie Beobachtungsfenster angemessen abschirmen. ReferenzenPatente
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Elektrostatischer_Trägheitseinschluss aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |