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Hoechst
Ende der achtziger Jahre erreichte der Konzern mit über 170.000 Beschäftigten, einem Jahresumsatz von 46 Milliarden DM und einem Gewinn von über vier Milliarden DM seine größte Ausdehnung. 1994 begann die Neuausrichtung und Umgestaltung der Hoechst AG. Das ehemalige Stammwerk wurde 1997 zum Industriepark Höchst. Nach der Überführung in eine Holding schloß die Hoechst AG sich 1999 mit Rhône-Poulenc zur Aventis S.A. mit Sitz in Straßburg zusammen und spaltete die verbliebenen Chemieaktivitäten in der Celanese AG ab. Die Hoechst AG blieb noch bis Ende Dezember 2004 als deutsche Zwischenholding an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Nach der Fusion mit Sanofi-Synthélabo zur Sanofi-Aventis 2004 verschwand der Name Hoechst endgültig aus der Öffentlichkeit. Das Firmenlogo Turm und Brücke, eine stilisierte Darstellung des denkmalgeschützten Behrens-Baus, war viele Jahre ein bekanntes Markenzeichen, das an zahlreichen Apotheken als Reklameschild diente. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Firmengeschichte
1863 bis 1914Am 4. Januar 1863 gründeten Carl Friedrich Wilhelm Meister, Eugen Lucius und Ludwig August Müller mit anfangs fünf Arbeitern die Teerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co.. Das Fabrikgelände lag direkt am Ufer des Mains in der kleinen Stadt Höchst, die seit 1928 ein Stadtteil von Frankfurt am Main ist. Obwohl die Gründer Bürger der Freien Stadt Frankfurt waren, gründeten sie ihr Unternehmen im benachbarten Herzogtum Nassau, das im Gegensatz zum industriefeindlichen Handels- und Finanzzentrum Frankfurt die Ansiedlung von Industriebetrieben förderte. Nach Müllers Ausscheiden 1865 übernahm der bisherige Technische Direktor Adolf von Brüning dessen Anteile. Er wird deshalb oft auch als Gründungsmitglied bezeichnet. Seit Brünings Eintritt firmierte das Unternehmen als Farbwerke Meister, Lucius & Brüning. Die Fabrik stellte zunächst die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so bezeichneten Teerfarben her. Sie waren im Gegensatz zu anderen damaligen Farbstoffen wie Indigo oder Krapp kostengünstig aus dem Steinkohlenteer, einem Abfallstoff der Metallverarbeitung, zu gewinnen. Zunächst stellte die Fabrik Fuchsin und Anilin her, später auch das von Lucius und Brüning entwickelten Aldehydgrün. Dies war der erste grüne Textilfarbstoff, der auch bei Gaslicht seinen Farbton behielt. Als es gelang, die französische Kaiserin Eugénie als Kundin zu gewinnen und an die Textilindustrie in Lyon große Mengen der Höchster Farbstoffe zu liefern, brachte dies den Durchbruch für das neugegründete Unternehmen. 1869 brachten die Farbwerke das Alizarin auf den Markt, einen roten Farbstoff, der rasch zum erfolgreichsten Produkt wurde. Umgehend begann man mit der Verlagerung der Produktion auf ein etwa einen Kilometer flußabwärts gelegenes Gelände, das wesentlich bessere Wachstumsmöglichkeiten bot. Das neue im Volksmund bald Rotfabrik genannte 1874 fertiggestellte Werk wurde später in mehreren Etappen erweitert und bildet heute den Industriepark Höchst. Um die schnell wachsende Zahl von Arbeitern mit ihren Familien zu versorgen, entwickelten die Gründer eine Reihe von für die damalige Zeit vorbildlichen betrieblichen Sozialleistungen. Die 1874 gegründete Hilfskasse für erkrankte Arbeiter war eine Betriebskrankenkasse, die auch die soziale Sicherung der Arbeiter und ihrer Angehörigen bei Unfall, Invalidität, Berufskrankheiten, Alter und Tod übernahm. Der Werksärztliche Dienst war ein Pionier in der Erforschung von Berufskrankheiten. 1874 bis 1875 entstanden die ersten Arbeiterwohnungen in der Siedlung Seeacker in Höchst, später auch in Unterliederbach und Zeilsheim. 1879 richtete Brüning die Kaiser-Wilhelm-Augusta-Stiftung ein, eine Pensionskasse für Höchster Arbeiter, die auch Hypothekendarlehen für den Hausbau gewährte. 1880 wurden aus dem kleinen Unternehmen die Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG, die bald darauf ihre Wertschöpfungskette verlängerte. Seit 1881 stellte die Rotfabrik auch Vorprodukte wie anorganische Säuren her, 1883 begann die Produktion von synthetischen Arzneimitteln. Eines der ersten erfolgreichen Arzneimittel der Farbwerke war das schmerzstillende und fiebersenkende Antipyrin. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg wuchs das Unternehmen zu einem Weltkonzern, der 88% seiner Produktion exportierte. Auch Produktionsanlagen entstanden im Ausland, zunächst 1878 in Moskau, 1883 in Creil bei Paris und 1908 in Ellesmere Port bei Manchester. 1900 gründeten die Farbwerke ein neues Werk in Gersthofen bei Augsburg. Die Wasserkraft des Lech wurde dabei für die energieintensive Synthese von Indigo genutzt. 1904 bildeten die Farbwerke Höchst mit den Cassella Farbwerken durch wechselseitige Kapitalverflechtungen und Lieferbeziehungen den Zweibund, der 1907 durch den Beitritt der Chemischen Fabrik Kalle in Biebrich zum Dreibund wurde. 1910 begannen die Farbwerke in Höchst mit der Produktion des ein Jahr zuvor von Paul Ehrlich entwickelten Salvarsan. Im Jubiläumsjahr 1913 hatte das Unternehmen, das noch immer mehrheitlich im Besitz der Gründerfamilien war, einen Weltumsatz von 100 Millionen Reichsmark. Es beschäftigte allein in Höchst rund 9000 Mitarbeiter. 1914 bis 1945Der Erste Weltkrieg brachte dem exportorientierten Unternehmen einen Rückschlag, der die Unternehmensentwicklung für die folgenden dreißig Jahre prägte. Die Auslandsorganisation, Patente und Warenzeichen wurden enteignet, große Teile des Weltmarktes gingen für immer verloren, da die Kriegsgegner eigene Industrien aufbauten. 3237 der 9200 Mitarbeiter des Werkes Höchst wurden 1914 einberufen, 547 von ihnen fielen im Krieg. Die Entwicklung im Stammwerk wurde durch die Umstellung auf Kriegsproduktion geprägt, an die Stelle von Farbstoffen und Arzneimitteln traten Ammoniak, Salpetersäure und Ammoniumnitrat. Es mangelte an Arbeitskräften, die zum Kriegsdienst eingezogen worden waren. Die Rohstoffversorgung litt unter der britischen Seeblockade.
1916 war Hoechst Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft der deutschen Teerfarbenfabriken, ein Kartell, das die Rohstoffversorgung, Produktionssteuerung und Absatzstrategien der beteiligten Unternehmen unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft aufeinander abstimmen sollte. Das Kriegsende und der Versailler Vertrag brachten den Farbwerken neue Belastungen: Das Werk wurde von französischen Truppen besetzt, Rohstoffmangel und Devisenknappheit behinderten die Neuausrichtung und den Wiedereinstieg in den Weltmarkt. Anstelle der Kriegsproduktion von Sprengstoffen stellte man nun Düngemittel und Pflanzenschutzmittel her. Die traditionellen Hoechster Schmerzmittel Antipyrin und Pyramidon (Aminophenazon) wurden durch das neue Lokalanästhetikum Novalgin ergänzt, und 1923 produzierten die Farbwerke als erstes deutsches Unternehmen Insulin in Lizenz. Von 1920 bis 1924 baute Peter Behrens das Technische Verwaltungsgebäude, das heute als einer der bedeutendsten expressionistischen Industriebauten Deutschlands gilt. 1925 schlossen sich die Farbwerke der neugegründeten I.G. Farbenindustrie an. Die I.G. Farben konzentrierte ihre Investitionen in neue Produkte, wie Buna, Fischer-Tropsch-Synthese und Kunstfasern, auf die neuen mitteldeutschen Werke, wo mit der Braunkohle eine günstige Rohstoffbasis verfügbar war. Das traditionelle Stammwerk der Farbwerke Höchst geriet dadurch etwas ins Abseits. Umsatz stagnierte und die Beschäftigtenzahl ging zurück. Das Werk bildete zusammen mit kleineren Standorten im Rhein-Main-Gebiet die Betriebsgemeinschaft Maingauwerke. Große Teile der Farbstoffproduktion wurden an andere Standorte verlagert, dafür entstanden neue Anlagen für die Herstellung von Lösungsmitteln und Kunstharzen. Der Personalabbau im Stammwerk Höchst vollzog sich teilweise durch Frühpensionierung, aber auch über Entlassungen. Um die sozialen Folgen abzumildern, sammelte eine seit 1931 bestehende Notgemeinschaft der Werksangehörigen der I.G. Farbenindustrie AG Werk Hoechst Spenden, um damit Unterstützungszahlungen an Bedürftige zu leisten. Im Frühjahr 1931 führte die Werksleitung Kurzarbeit ein. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde auf 40 Stunden gesenkt. Erst Ende 1936 wurde wieder die Normalarbeitszeit von 48 Wochenstunden eingeführt. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 begann auch die Gleichschaltung der I.G. Farben, die auf wenig Widerstand im Unternehmen stieß. Der damalige Werksleiter Ludwig Hermann und Chefingenieur Friedrich Jähne sympathisierten offen mit dem neuen Regime. Zwischen 1933 und 1938 mußten alle jüdischen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Auch die jüdischen Aufsichtsratsmitglieder, darunter Carl von Weinberg und die Frankfurter Ehrenbürger Leo Gans und Arthur von Weinberg, wurden aus ihren Ämtern vertrieben. Mit dem Vierjahresplan von 1936 begann die Vorbereitung auf die erneute Kriegführung unter den Bedingungen der Autarkie von kriegswichtigen Rohstoffen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden erneut zahlreiche Mitarbeiter der Stammbelegschaft zum Kriegsdienst eingezogen und später durch Kriegsgefangene, Fremd- und Zwangsarbeiter ersetzt. Im Oktober 1944 zählt die Belegschaft des Werkes Höchst 11.784 Personen, davon 3021 Zwangsarbeiter (2302 Männer und 719 Frauen) und 142 Strafgefangene.[1] Insgesamt wurden während des Krieges rund 8500 Menschen aus fast allen besetzten Ländern Europas zur Zwangsarbeit im Werk Höchst gepreßt, wo sie in einem eigenen Lager unter harten Bedingungen bei meist unzureichender Ernährung lebten. Die Kriegsereignisse zogen das Werk kaum in Mitleidenschaft, obwohl die Stadt Frankfurt vor allem ab Herbst 1943 regelmäßig zum Ziel alliierter Bombenangriffe wurde. Nur am 29. Juni 1940 schlugen bei einem Luftangriff einige Sprengbomben auf dem Gelände ein, von denen eine den Behrensbau traf. Es gilt heute als gesichert, daß Bombenangriffe auf das Werk unterblieben, weil die amerikanischen Streitkräfte bereits während des Krieges planten, das Werk nach Kriegsende zu besetzen und in eigener Regie zu betreiben. 1942 begannen Versuche zur Herstellung von Penicillin. Sie verliefen erfolgreich, eine daraufhin geplante Produktionsanlage konnte jedoch vor Kriegsende nicht mehr in Betrieb gehen. Im Januar 1945 kam die Produktion wegen Mangels an Kohle teilweise zum Erliegen. Am 27. März 1945 – zwei Tage vor der Besetzung des Werkes durch amerikanische Truppen – wurde die Produktion vollends eingestellt. 1945 bis zur Fusion 1999Bereits kurz nach der Besetzung des Werkes Höchst liefen die ersten Betriebe wieder an, vor allem die für Diabetiker lebensnotwendige Insulinproduktion. Aus Mangel an Kohle mußten manche Produktionsbetriebe in den ersten Nachkriegswintern jedoch immer wieder geschlossen werden, zum Teil wurden sie für die Herstellung von Alltagsprodukten wie Bohnerwachs oder Puddingpulver zweckentfremdet. Am 5. Juli 1945 verfügte die Militärregierung in ihrer Anordnung Nr. 2 zum Gesetz Nr. 32 die Beschlagnahme des gesamten I.G. Farben-Vermögens. Die Werke wurden unter alliierte Militärverwaltung gestellt. Zunächst planten die amerikanischen Behörden, das Werk Höchst in etwa fünf unabhängige Unternehmen zu zerlegen, eine Pharma-, eine Farbstoff-, eine organische und anorganische Chemikalien-, eine Pflanzenschutzmittel sowie eine Düngemittelfabrikation. Es erwies sich jedoch als technisch unmöglich, die in siebzig Jahren gewachsene Infrastruktur und den Produktionsverbund des Werkes zu entflechten. Daher gab man diese Pläne im Frühjahr 1947 auf, ebenso wie die geplante Demontage der I.G. Farben-Werke Offenbach und Griesheim. Ab August 1947 firmierte das Werk Höchst als Farbwerke Hoechst US Administration. Der Umsatz erreichte 77 Millionen Reichsmark, davon jeweils 24 Millionen mit Arzneimitteln und Chemikalien, 17 Millionen mit Farbstoffen, 6 Millionen mit Düngemitteln und 5 Millionen mit Pflanzenschutzmitteln. Der Auslandsumsatz betrug 200.000 Reichsmark, exportiert wurden Farbstoffe und Chemikalien in fünf Nachbarländer. Ebenfalls 1947 entstand die erste Fassung des später weltberühmten Firmenlogos Turm und Brücke, des von Peter Behrens entworfenen Technischen Verwaltungsgebäudes. Mit der Währungsreform am 21. Juni 1948 und der schrittweisen Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung begann das später sogenannte Wirtschaftswunder. Bereits kurz nach der Währungsreform begann der gemeinnützige Bau von Werkswohnungen, um die durch Kriegszerstörungen und die Aufnahme von Flüchtlingen entstandene Wohnungsnot zu lindern. 1949 genehmigte die amerikanische Kontrollbehörde die Einrichtung einer ersten Auslandsniederlassung in der Schweiz. 1950 ging die Penicillin-Produktion im Werk Höchst in Betrieb, deren Kapazität für die Versorgung des gesamten deutschen Marktes ausreichte. An der Einweihung nahmen neben dem amerikanischen Hochkommissar John McCloy der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb sowie Vertreter der Hessischen Landesregierung und der Bundesregierung teil. Das Unternehmen firmierte nun als Farbwerke Hoechst vormals Meister Lucius & Brüning US Administration. Der Umsatz in Höchst wuchs von 163 Millionen DM (1949) auf 253 Millionen (1950). Das Gesetz Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission schuf die Voraussetzung für die Entflechtung der I.G. Farben, das heißt für die Gründung von Nachfolgegesellschaften. Dabei orientierte sich man im wesentlichen an den Besatzungszonen. Die am 7. Dezember 1951 gegründete Farbwerke Hoechst Aktiengesellschaft vormals Meister Lucius & Brüning umfaßte schließlich den größten Teil der in der amerikanischen Zone gelegenen Werke der I.G. Farben; neben dem Werk Höchst waren dies die Werke Griesheim, Offenbach, Gersthofen und Gendorf sowie als Tochtergesellschaften die Knapsack-Griesheim AG, das Werk Bobingen (wo 1950 die Produktion der Chemiefaser Perlon aufgenommen worden war), die Behringwerke in Marburg, die Kalle AG in Wiesbaden und Anteile an der Wacker Chemie und der Sigri. Im ersten Geschäftsjahr 1952 beschäftigten die Farbwerke 15.000 Menschen in der Muttergesellschaft und fast 27.000 im Konzern. Der Umsatz betrug etwa 750 Millionen DM, wovon etwa 20% im Export erzielt wurden. Das Grundkapital von anfangs nur 100.000 DM war später rückwirkend auf 285,7 Millionen festgelegt worden, auf die man nun eine Dividende von 4% zahlte. Damit waren die Farbwerke Hoechst neben BASF und Bayer der kleinste der drei großen I.G. Farben-Nachfolger. Trotz zäher Verhandlungen war es den Farbwerken nicht gelungen, die seit 1904 mit Hoechst verbundenen Cassella-Werke wieder in den Konzern zu integrieren. Die Farbwerke mußten sich mit einer Minderheitsbeteiligung von 25% begründen. Erst 1970 konnten sie in einer Familienzusammenführung genannten Transaktion die von den anderen Farben-Nachfolgern jeweils gehaltenen 25% übernehmen und somit eine Mehrheit erwerben. Erster Vorstandsvorsitzender der Farbwerke Hoechst (1952 bis 1969) wurde Karl Winnacker, Aufsichtsratsvorsitzender Hugo Zinßer. Jeder der 12 Vorstände erhielt anfangs ein Monatsgehalt von 6000 DM. Alle Investitionen über 5000 Mark mußten zunächst von der Kontrollbehörde genehmigt werden. Erst am 27. März 1953 wurde das Unternehmen endgültig aus der allierten Kontrolle entlassen. 1955 bis 1963 übernahm Friedrich Jähne den Vorsitz im Aufsichtsrat. Jähne war 1934 bis 1945 als Chefingenieur Vorstandsmitglied der I.G. Farben gewesen und 1947 im I.G.-Farben-Prozess zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Bis Ende der fünfziger Jahre verdreifachte sich der Umsatz auf 2,7 Milliarden Mark, die Zahl der Mitarbeiter im Konzern stieg auf über 50.000. Das Wachstum wurde getrieben von einer Vielzahl neuer Produkte, vor allem Kunstfasern (Trevira) und Kunststoffe. Seit 1954 produzierte Hoechst Polyvinylchlorid, seit 1955 auch Polyethylen unter dem Markennamen Hostalen nach dem Ziegler-Natta-Verfahren. Voraussetzung für die neuen Produktionen war die Umstellung der Rohstoffversorgung von der Kohlechemie auf die Petrochemie. Hatte man früher das benötigte Acetylen aus Karbid gewonnen, für dessen Herstellung viel elektrische Energie benötigt wurde, so baute man 1955 in Höchst eine Spaltanlage für schweres Rohöl, den sogenannte Koker. Die Anlage konnte etwa 20.000 Tonnen Ethylen pro Jahr liefern, daneben Methan, Ethan und Propylen. Mit seiner 100 Meter hohen Kolonne und einer stets brennenden Fackel an der Spitze bildete er etwa 20 Jahre lang ein Wahrzeichen des Werkes Höchst. In einer weiteren Anlage, der Hochtemperaturpyrolyse, konnte man aus Leichtbenzin neben Ethylen auch Acetylen gewinnen. Damit besaßen die Farbwerke eine Rohstoffbasis, aus der sich neben den Kunststoffen auch Acetaldehyd, Essigsäure, Vinylacetat und Mowiol und daraus abgeleitete Produkte wie das Konservierungsmittel Sorbinsäure herstellen ließen. Da das Werk Höchst inzwischen seine Kapazitätsgrenzen erreicht hatte und es nur südlich des Mains noch freie Flächen für eine Erweiterung gab, wurde 1960 die Werksbrücke Mitte gebaut. Ein Wasserwerk und das im September 1960 eingeweihte Hauptlabor waren die ersten Gebäude im neuen Südwerk, das rasch wuchs und seitdem einen großen Teil der Investitionen aufnahm. 1961 nahmen eine neue Produktionsstätte im wenige Kilometer von Höchst entfernten Kelsterbach den Betrieb auf. Am neuen Standort, der von der benachbarten Caltex-Raffinerie in Raunheim mit Vorprodukten versorgt wurde, produzierten die Farbwerke Höchst sowie die Ticona, ein Gemeinschaftsunternehmen von Hoechst und Celanese, unter dem Markennamen Hostaform hauptsächlich Kunststoffe für technische Anwendungsgebiete. Zum hundertjährigen Jubiläum 1963 ließen die Farbwerke Hoechst die Jahrhunderthalle errichten. Auch ein Schwimmbad, das so genannte Silobad wurde gebaut. Im Jubiläumsjahr beschäftigten die Farbwerke Hoechst AG 63.000 Mitarbeiter, darunter 8.000 im Ausland, und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden DM, davon 41% in über 70 Ländern außerhalb Deutschlands. 230.000 Aktionäre, darunter etwa 20.000 Belegschaftsaktionäre, teilten sich das Grundkapital von 770 Millionen DM. Die Dividende war auf 18% gestiegen, doch lag die Eigenkapitalbasis und die Rentabilität deutlich unter der vergleichbarer amerikanischer Unternehmen. 1964 übernahm Hoechst die Kapitalmehrheit der Chemischen Werke Albert in Wiesbaden-Amöneburg. wo neben Arzneimitteln hauptsächlich Kunstharze hergestellt wurden. Im Werk Gendorf begann die Produktion von Hostaflon. Das erstmals ausgebrachte Diuretikum Lasix wurde für viele Jahre einer der Hauptumsatzträger des Pharmabereiches von Hoechst. 1965 investierte Hoechst zum ersten Mal in größerem Umfang in Umweltschutzanlagen. Im Stammwerk ging die erste Stufe der biologischen Abwasserreinigung in Betrieb, damals die erste biologische Kläranlage für industrielle Abwässer in Europa. Die Auslandsorganisation von Hoechst, die sich mittlerweile auf etwa 120 Staaten erstreckte, wurde in zahlreichen Landesgesellschaften zusammengefaßt, welche die Aktivitäten aller Sparten im jeweiligen Land bündelten. Mit der Inbetriebnahme der Faserwerke in Bad Hersfeld und Spartanburg (South Carolina), dem Werk Vlissingen für die Herstellung von Phosphor-Produkten sowie der Übernahme der Mehrheit an Spinnstoffabrik Zehlendorf AG in Berlin wuchs der Konzern 1966 weiter. 1967 übernahm Hoechst die Süddeutsche Zellwolle AG in Kelheim und die Reichold Chemie AG in Hamburg. Im gleichen Jahr ging die neue Pharma-Fertigung H600 im Stammwerk in Betrieb, eines der größten Fabrikgebäude Europas. Erstmals wurde mehr als die Hälfte der Umsatzerlöse von damals 6,6 Milliarden DM im Ausland erzielt. Die wöchentliche Arbeitszeit war inzwischen auf 41,25 Stunden gesunken. Neue Elemente der betrieblichen Sozialpolitik, wie eine erfolgsabhängige Jahresprämie und die Finanzierung von Eigenheimen, ergänzten die traditionellen Instrumente, z.B. den Bau von Werkswohnungen oder die nach Dienstalter gezahlte Treueprämie. 1968 folgten weitere Übernahmen, darunter die Mehrheitsbeteiligung an dem französischen Pharmaunternehmen Roussel Uclaf, des Düsseldorfer Kosmetikunternehmens Marbert und der Farbwerke Schröder & Stadelmann in Lahnstein. Der Weltumsatz überschritt 1969 erstmals die Schwelle von 10 Milliarden DM. 1972 waren 146.300 Mitarbeiter im Hoechst-Konzern beschäftigt und erzielten einen Jahresumsatz von 13,6 Milliarden DM. 1990 beschäftigte der Hoechst-Konzern 172.900 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von 44,862 Milliarden DM. In den 90er Jahren wurde das operative Geschäft der Hoechst AG in zahlreiche kleine sowie drei große Unternehmen (Clariant, Celanese, HMR) überführt. Einige Betriebe auf dem Gelände des Hauptsitzes, dem heutigen Industriepark Höchst, wurden dabei teils an andere Nachfolger der I.G. Farben, wie Bayer, teils auch an Konkurrenten, wie Solvay verkauft. Gleichzeitig wurde das weltberühmte Logo in ein einfaches, schwarzes oder blaues Quadrat geändert.[2] 1999 brachte Hoechst das in der Celanese AG zusammengefasste Chemiegeschäft an die Börse und fusionierte mit Rhône-Poulenc zu Aventis. Das fusionierte Unternehmen hatte seinen Sitz in Straßburg und war an der Pariser Börse notiert. Der damalige Vorstandsvorsitzende von Hoechst, Jürgen Dormann, hatte diese Konstruktion befürwortet, da er in der Fusion die einzige europäische Perspektive für Hoechst sah. Die Hoechst AG blieb als Zwischen-Holding erhalten und bündelte alle deutschen Tochtergesellschaften von Aventis. Die Aktie blieb weiterhin in Frankfurt notiert, wurde jedoch nur noch wenig gehandelt, da weniger als 4% außenstehende Aktionäre verblieben waren. Die Marke Hoechst, die traditionell an vielen Apotheken zu sehen war, wurde nach und nach zugunsten des neuen Aventis-Firmenzeichens aufgegeben. seit 1999Mitte 2004 fusionierte Aventis mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi-Synthelabo. Das neue Unternehmen Sanofi-Aventis wurde zum größten Pharmaunternehmen Europas. Sanofi-Aventis beschloss nach der Übernahme, die verbliebenen Hoechst-Aktionäre abzufinden und die Hoechst AG von der Börse zu nehmen. Auf der letzten Aktionärssitzung von Hoechst am 21. Dezember 2004 in Wiesbaden wurden die restlichen 2 Prozent Aktien von Kleinaktionären an Aventis zu je 56,60 € verkauft. Dieses Ergebnis der zweitägigen Sitzung macht immerhin 600 Millionen € aus. Die gegen den Hauptversammlungsbeschluss angestrengten Anfechtungsklagen wurden im Juli 2005 durch Vergleich beigelegt. Sanofi-Aventis übernahm das gesamte Grundkapital von Hoechst und sagte die für den 29. Juli geplante Hauptversammlung ab. Im Oktober 2005 wechselte Hoechst die Rechtsform von einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Hoechst GmbH ist heute eine Zwischenholding innerhalb der Sanofi-Aventis-Gruppe ohne operative Geschäfte. Größter Standort von Sanofi-Aventis ist nach wie vor der Industriepark Höchst, für den die Entwicklung der Hoechst AG seit Ende der 90er Jahre insgesamt vorteilhaft verlief. Im Industriepark Höchst wurden seit 2000 jährlich mehr als 300 Mio. Euro investiert, das ist mehr als in den besten Jahren der Hoechst AG. Die Zahl der Arbeitsplätze stieg von ca. 19.000 Ende der 90er Jahre auf ca. 22.000 im Jahr 2005. In den nächsten Jahren sind weitere Großprojekte mit einem Investitionsvolumen von über einer Milliarde Euro geplant, darunter der Neubau eines Ersatzbrennstoff-Kraftwerks und der Neubau des Ticona-Werkes, das dem geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens weichen muss. Die Farbenstraße und der S-Bahn-Haltepunkt Farbwerke erinnern noch heute an den Ruhm der Hoechst AG. Das Unternehmensarchiv wird von der HistoCom GmbH verwaltet, die auch zahlreiche Publikationen zur Unternehmensgeschichte herausgegeben hat. Das Firmenmuseum der Hoechst AG befand sich bis Ende 2006 im Alten Schloss in Höchst. Es soll einen neuen Platz im Bolongaropalast erhalten. Was seit 1990 aus der Hoechst AG wurde: Käufe und Verkäufe
Chemieunfälle 19931993 löste eine Folge von Betriebsunfällen in verschiedenen Werken der Hoechst AG eine schwere Vertrauenskrise aus. Am 22. Februar 1993 um vier Uhr morgens kam es in einem Betrieb des Werkes Frankfurt-Griesheim aufgrund eines Bedienungsfehlers zu einem plötzlichen Druckanstieg in einem Reaktor. Fast 10 Tonnen eines Chemikaliengemisches, darunter Ortho-Nitroanisol, traten über ein Sicherheitsventil aus und schlugen sich in Form eines klebrigen gelben Niederschlags auf einem 1,2 Kilometer langen und 300 Meter breiten Streifen nieder. Betroffen waren Wohngebiete für rund 1000 Menschen und etwa 100 Kleingärten in den Ortsteilen Schwanheim und Goldstein. Etwa 40 Personen mussten wegen Atembeschwerden, Haut- und Augenreizungen oder Kopfschmerzen ärztlich behandelt werden. In einer wochenlangen Reinigungsaktion mussten 36 Hektar von dem Niederschlag gereinigt, etwa 5000 Kubikmeter Erde entsorgt werden.[3] Das Unternehmen gab später die direkten Kosten für die Beseitigung der Schäden mit 40 Millionen DM an; hinzu kamen die Kosten für die durch den Unfall ausgelöste Überprüfung der Anlagensicherheit in allen Betrieben. Noch gravierender war der Imageschaden für die Hoechst AG. Das Krisenmanagement und besonders die Kommunikationspolitik des Unternehmens stießen in der Öffentlichkeit auf scharfe Kritik, da Hoechst in den ersten Informationen ein Sicherheitsdatenblatt verwendet hatte, in dem die Chemikalie o-Nitroanisol als mindergiftig eingestuft war. Eine neuere, dem Unternehmen bereits vorliegende, Studie hatte dagegen zum Ergebnis gehabt, daß die Chemikalie in Tierversuchen bei hohen Konzentrationen möglicherweise krebserregend war. Das städtische Gesundheitsamt gab noch am Tag des Störfalls bekannt, daß aufgrund der geringen Konzentration des Stoffs keine unmittelbare Gesundheitsgefahr von der Chemikalienmischung ausgehe. Die Öffentlichkeit war dadurch jedoch nicht beruhigt, zumal die mit den Aufräumarbeiten beauftragten Arbeiter Schutzanzüge und Atemmasken trugen. Zwei Tage nach dem Unfall kritisierten der hessische Umweltminister Joschka Fischer und in der Folge auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer und das Bundesumweltamt die Informationspolitik der Hoechst AG. Erst zehn Tage nach dem Unfall trat der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Hilger vor die Öffentlichkeit, entschuldigte sich bei den Bürgern von Schwanheim und Goldstein, schloß aber zugleich personelle Konsequenzen aus. In den nächsten Wochen ereigneten sich zwei weitere Unfälle im Werk Höchst: Am 15. März 1993 kam es in einem Betrieb bei Wartungsarbeiten zu einer Methanol-Explosion, bei der ein Mitarbeiter getötet und ein weiterer schwer verletzt wurde. Am 2. April traten aus einem gebrochenen Glasrohr mehrere hundert Kilogramm der stark ätzenden Substanz Oleum aus, die in einer Wolke Richtung Kelsterbach und Flughafen Frankfurt zogen. Um die Langzeitfolgen des Griesheimer Unfalls zu erforschen, beauftragte das Stadtgesundheitsamt das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), ein Expositionsregister für die 20.000 Bewohner der beiden betroffenen Stadtteile zu erstellen.[4] Etwa 6.600 Bewohner beteiligten sich an der Befragung, deren Daten für 30 Jahre gespeichert bleiben sollten. Das Stadtgesundheitsamt kam zu dem Ergebnis, daß keine Hinweise auf chronische, asthmatische oder neurodermitische Erkrankungen als Folge des Unfalls vorliegen. Gleichwohl beschäftigte die Frage nach weiteren Forschungen und dem Umgang mit den erhobenen Daten noch im März 2007 die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Siehe auchLiteratur
Quellen
Kategorien: Chemieunternehmen (Deutschland) | Pharmazieunternehmen |
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