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Kurt Kluge



Kurt Kluge (* 29. April 1886 in Leipzig; † 26. Juli 1940 in Fort Eben-Emael bei Lüttich) war ein deutscher Dichter, der erst im Alter von 48 Jahren zu veröffentlichen begann; zuvor hatte er als Bildhauer und Erzgießer gewirkt. Kluges Roman Der Herr Kortüm (1938) gilt als literarische Besonderheit im 20. Jahrhundert, zeichnet er doch eine „lebendige, abseitige Sonderlingsgestalt“ (Fricke/Klotz), wie sie sonst nur von Autoren früherer Epochen, z. B. Jean Paul, Charles Dickens oder Wilhelm Raabe bekannt sind.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bildender Künstler

Der Sohn eines Organisten und Lehrers besuchte die Kunstschule seiner Geburtsstadt und in Dresden. Mit Aquarellen, Holzschnitten, Lithographien, Radierungen und Handzeichnungen hatte der Schüler Max Klingers erste Anerkennung erfahren, als er 1914 in den 1. Weltkrieg eintrat, aus dem er 1916 bei Langemarck schwer verwundet zurückkehrte. Wiederum in Leipzig gründete Kluge eine Erzgießerei. 1921 folgte er einem Ruf Arthur Kampfs an die Akademie für bildende Künste in Berlin, um dort als ordentlicher Professor einen neu errichteten Lehrstuhl für Erzplastik zu besetzen. In der Folge baute Kluge für die Akademie eine Werkstatt für sein Fachgebiet auf, restaurierte im Staatsauftrag beschädigte Kunstdenkmäler, wirkte als Bildhauer eigener Werke und war in der Forschung tätig: in Deutschland, der Türkei, Griechenland und Italien führte er Forschungsarbeiten durch, die für die Metallurgie insbesondere für den Metallguss als wegweisend bezeichnet werden können. Wissenschaftliche Publikationen wie Die Gestaltung des Erzes und ihre technischen Grundlagen (1928) und drei Bände Die antiken Großbronzen (1927 f.) fassten Ergebnisse seiner akademischen Tätigkeit zusammen.

Dichter

Noch Ende der 1920er Jahre entstand jedoch der Entschluss sich vermehrt der Schriftstellerei zu widmen; aber erst 1934, im Alter von bereits 48 Jahren, veröffentlichte Kluge den ersten der sein eigentliches Werk bildenden erzählerischen Texte, nachdem er zuvor nur durch ein 1933 veröffentlichtes Schauspiel, das sich im Gegensatz zum nachfolgenden Werk den Vorwurf der ideologischen Mitwirkung an der nationalsozialistischen Erhebung gefallen lassen muss und Friedenslyrik, die im ersten Weltkrieg entstand, als Verfasser von Dichtung in Erscheinung getreten war. Damit beginnt eine umfangreiche, nichtfaschistische literarische Tätigkeit, die sich aufgrund seines frühen Todes – bei einer Frontbesichtigung deutscher Dichter erleidet Kluge in der Nähe von Lüttich einen Herzschlag – jedoch nur über wenige Jahre erstreckt.

Kurt Kluge wurde nach Berlin-Zehlendorf überführt und liegt am Kirchweg in Nikolassee begraben.

Werk

Das schriftstellerische Werk Kurt Kluges ist dem bürgerlichen Realismus zuzurechnen und steht in der Tradition Jean Pauls und Wilhelm Raabes. Es erscheint dabei losgelöst von jeder literarischen Strömung seiner Zeit. Die bildende Kunst ist ein großes Thema des Autors – aus diesem Blickwinkel ist ein nicht unbedeutender Teil des Werkes autobiographisch geprägt. Auf der anderen Seite sind Kluges Arbeiten auch Beweise für die große Phantasiebegabung und – auch hierin folgt er Raabe und Jean Paul nach – den weisen Humor des Autors. Des Weiteren zeichnet sich das Erzählwerk durch episch breite Anlage und den Reichtum an sorgfältig gezeichneten Figuren aus. Dabei zeigt Kluge in seiner blutvollen Schilderung des deutschen Kleinbürgertums durchaus auch kritische Ansätze.

Kluges Erzählwerk, in gewissem Maße auch seine dramatischen und lyrischen Arbeiten, ist von der ernsthaft-heiteren Geisteshaltung und dem feinen bis skurrilen Humor des Autors bestimmt, sowie seiner starken Verehrung für Kunst, Musik und Handwerk; dabei kann Kluge der Vorwurf gemacht werden, während der Zeit des 3. Reichs in seinen Schriften eine abseitige Idylle errichtet zu haben. Von diesem Standpunkt aus kann Kluge als Negativbeispiel für innere Emigration gelten: so setzte sich der Germanist Rainer Drewes in einer literaturwissenschaftlichen Publikation nicht eben zufällig gerade anhand des Werkes dieses Autoren mit der Ambivalenz nichtfaschistischer Literatur im Dritten Reich (1991) auseinander.

Eine achtbändige Werkausgabe des auch in andere Sprachen übersetzten Autors erschien im Stuttgarter Engelhornverlag.

Romancier

Erste Veröffentlichung

Kluges erstveröffentlichter Roman Der Glockengießer von Christoph Mahr (1934) hatte das Aussterben eines Handwerksberufes zum Thema. Der Titelheld, ein leidenschaftlicher Glockengießer, gerät als „seine Kunst“ plötzlich nicht mehr gefragt ist, ernsthaft in Gefahr, findet schließlich jedoch als Ziegelbrenner zum eigentlichen Sinn des Handwerks zurück.

Dichter des „Kortüm“

Noch im gleichen Jahr folgten dem Erstling die Romane Die silberne Windfahne und Das Flügelhaus, die Kluge 1938 zu seinem Hauptwerk Der Herr Kortüm umformte und ergänzte. Mit hinzugefügten Teilen (Die Gäste, Die Echostube und Die weiten Wege) entstand aus den beiden kürzeren Werken ein humoristischer Roman epischen Ausmaßes, der in der Erstauflage über siebenhundert Seiten umfasste.

In ihm beschreibt Kluge episodenartig die bisweilen auch tragische Geschichte eines sich als eine Art früher Erlebnisgastronom im Thüringer Wald niederlassenden Hamburger Kapitänsoriginals indem er die einzelnen Bauabschnitte des Gasthauses gleichsam die Lebensabschnitte seiner weit herumgekommenen Titelfigur bezeichnen lässt. Gero von Wilpert befindet noch 1969:

Während die neueren Strömungen (...) kaum Humor zeigen, ragt in der Gegenwart neben Thomas Mann, Emil Strauß und Ernst Penzoldt besonders Kurt Kluges „Der Herr Kortüm“ als Meisterwerk echt deutschen Humors hervor.

Mit der Figur des närrischen Weltverbesserers, der in der Lage ist Menschen jeglicher Couleur für die Durchführung hirnrissiger Projekte, deren Ergebnisse ihn selbst kaum interessieren, zu begeistern, gelingt Kluge zudem „ein Urbild des deutschen Menschen“ (Lennartz). Gerhard Frickes Geschichte der deutschen Literatur sieht den Grund für das hervorragende Funktionieren des viel gelesenen Romans um den „tragikomischen Kortüm (, dem) das Leben selbst zur Kunst“ wird und der sich schließlich am Ende des Buches aus seinem Wirkungskreis verabschiedet, um als Planetoid im Weltall zu kreisen, in

einer meisterhaft geschilderten eigenwilligen kleinstädtischen Atmosphäre voller Sonderlinge und Eigenbrötler, in der der Mikrokosmos alltäglicher Ereignisse und der Makrokosmos universaler Gedanken, Erinnerungen und Phantasien sich kreuzen.

Aufgrund der überragenden Bekanntheit und Beliebtheit des Werkes wurde Kluge zeitweise, auch in der Fachliteratur, häufig nur als „Dichter des Kortüm“ genannt, oder sogar wie z. B. im Titel einer posthumen Auswahl aus seinem Gesamtwerk Weisheit des Kortüm (1956) mit seiner Figur gleichgesetzt. Dabei war das wirkliche Vorbild für den Herrn Kortüm nicht der Autor selbst, sondern tatsächlich ein thüringer Gastwirt, der übrigens das Erscheinen von Die silberne Windfahne und Das Flügelhaus noch mit stetigen Protesten begleitet hatte. In diesem Zusammenhang ist das schließlich zum Herrn Kortüm umgeformte humoristische Werk auch als Vertreter des Schlüsselromans zu bezeichnen. Allerdings relativiert Paul Fechter bereits wenige Jahre nach dem ersten Erscheinen für sein Kleines Wörterbuch für literarische Gespräche (1950):

Bei Kluges Kortüm denkt niemand mehr an das Urbild, die Wirkung des Werkes hat trotzdem von Jahr zu Jahr zugenommen

Die weit reichende Wirkung des Kortüm führte auch zu künstlerischen Bearbeitungen durch Dritte; so komponierte z.B. Julius Weismann eine Ouvertüre mit dem Titel Die silberne Windfahne.

Preisgekrönter Roman

Mit dem in seinem Todesjahr erschienenen heiteren Roman Die Zaubergeige, der die Geschichte eines verkannten Geigenvirtuosen, der mit Hilfe einer entwendeten Stradivari über zahlreiche Verwicklungen und Hindernisse zu höchstem Ruhm und der Frau seines Lebens gelangt, erzählt, gelang Kluge ein zweites Werk, das ihm ähnlich wie Der Herr Kortüm höchste Aufmerksamkeit sowohl von Seiten der Kritik als auch der Leserschaft einbrachte und gleichsam ausgezeichnet wurde. Außerdem war die Zaubergeige mit einer Auflage von über 400.000 Exemplaren einer der Bestseller seiner Zeit.

Postum erschienener Erstling

Mit Grevasalvas (1942) erschien Kluges erster Roman, den er bereits 1929 zu schreiben begann und Anfang der 1930er Jahre fertig stellte, erst nach seinem Tode. Diese „Geschichte eines entfachten Menschen“ trägt autobiographische Züge: Sie zeigt einen thüringer Bildhauer, der dem Berliner Kunstbetrieb den Rücken kehrt, um sich in der dörflichen Einsamkeit Engadins und zu Delphi seiner dichterischen Bestimmung bewusst zu werden.

Novellist

Noch mehr als seine Romane stehen die heiter-besinnlichen Erzählungen und Novellen Kurt Kluges stofflich im Zusammenhang mit seinem Künstlerberuf: Die gefälschte Göttin (1935) handelt z.B. von der archäologischen Jagd nach antiken Plastiken, Der Gobelin (1936) spielt im Malermilieu, Der Nonnenstein (1936) ist ein schicksalhaftes Ereignis im Leben einer Porzellanfabrikantenfamilie.

Dramatiker

Neben dem dramatischen, den Kampf der Kärntner gegen die Serben mythisierende Erstling Ewiges Volk (1933), mit dem sich Kluge als Schriftsteller einführt und der, möglicherweise nur als Zugeständnis an die neuen Machthaber, als einziges Werk des Autors Anzeichen nationalsozialistischer Gesinnung zeigt, entstanden weitere Bühnenwerke wie Die Ausgrabung der Venus (1934), eine Archäologenkomödie und Das Gold von Orlas (1936). Dennoch blieb Kluge als Dramatiker weit weniger bedeutend, denn als Erzähler.

Hörfolgen

Im Bereich der Rundfunkdramatik schrieb Kluge u. a. Hörfolgen, z.B. Johann Sebastian Bach (1935). Eine besondere Verbundenheit des musisch begabten Autors zur deutschen Musik kommt hierin wie auch in seinem letzten Roman Die Zaubergeige oder der Erzählung über die Dunkelgräfin von Hildburghausen Nocturno (1939) zum Ausdruck.

Lyrik

Neben seinen in jungen Jahren entstandenen in dem kaum beachteten Band Pacem (1916) veröffentlichten Kriegsgedichten, erschien 1941 ein Gedichtband Gedichte, deren Auswahl noch von dem verstorbenen Autor selbst stammte.

Essayist, Funk- und Filmautor, Briefe

Ebenfalls posthum wurden Briefe Kluges an Zeitgenossen veröffentlicht (Lebendiger Brunnen, 1952), als Weisheit des Kortüm wurde 1956 eine Anthologie aus den Werken, Briefen und Gesprächen Kurt Kluges zusammengestellt. In Die Sanduhr (1966) gab die Familie des Autors bis dahin unveröffentlichte Erzählungen, Funk- u. Filmtexte, Essays und Aufzeichnungen heraus.

Wirkung

Zahlreiche literaturwissenschaftliche Abhandlungen versuchen nach 1945 dem „Weltbild und humoristischen Lebensgefühl“ Kluges auf die Spur zu kommen und kommen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Besonders der immer wieder aufgelegte Herr Kortüm steht dabei im Mittelpunkt des Interesses der Nachwelt; aber auch anderen Werken wie z. B. Nocturno wird im Laufe der Zeit mehr Gewicht beigemessen.

Verfilmungen

Weniges von Kluges Erzählwerk ist verfilmt worden: Der Roman Die Zaubergeige jedoch noch 1944 mit Starbesetzung: Will Quadflieg und Gisela Uhlen spielten die Hauptrollen in dem melancholisch-heiteren Film; die Novelle Die Gefälschte Göttin setzte 1971 der bedeutende Regisseur Helmut Käutner für das Fernsehen in Szene.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Kurt_Kluge aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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