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SELEXUnter dem Akronym SELEX (en: Systematic Evolution of Ligands by EXponential Enrichment, zu deutsch: Systematische Evolution von Liganden durch exponentielle Anreicherung) versteht man in der Molekularbiologie ein kombinatorisches Verfahren zur evolutionären Entwicklung von Oligonukleotid-Strängen, beispielsweise einsträngiger DNA oder RNA, die als Liganden spezifisch an ausgewählte Targets binden können[1][2].
Die mit Hilfe der SELEX gewonnenen Oligonukleotid-Sequenzen werden Aptamere genannt. Das Verfahren wird gelegentlich auch als In-vitro-Selektion oder In-vitro-Evolution bezeichnet. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Das VerfahrenZu Beginn des Verfahrens besteht die Synthese aus einer sehr großen Anzahl von unterschiedlichen Oligonukleotiden, die so genannte Molekülbibliothek, auch Molekülpool genannt. Aus diesem Pool von bis zu 1016 und mehr unterschiedlichen Molekülen werden die Moleküle mit den gewünschten Eigenschaften durch gezielte Vermehrung herausisoliert (separiert). Die verschiedenen Moleküle konkurrieren miteinander und die Moleküle, welche die gestellte Anforderung bzw. Aufgabe am Besten erfüllen, werden selektiert und weiter vermehrt. Anschließend werden die ausgewählten und vermehrten Moleküle erneut einer Selektion, unter variierten und meist verschärften Bedingungen, unterzogen. Danach werden wiederum nur die besten Moleküle erneut gezielt vermehrt.
erhält man üblicherweise Sequenzen, die sehr spezifisch und hochaffin an den gewünschten Targets binden.[5] Diese evolutionäre Vorgehensweise ist besonders leicht mit Molekülen wie DNA oder RNA durchzuführen, da sie mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion relativ einfach vermehrbar sind. Der Kreislauf Selektion – Separation – Amplifikation (– Mutation) wird bis zu zwölfmal wiederholt. Die DNA / RNA BibliothekDie einzelsträngige DNA-Ausgangsbibliothek (ssDNA) wird meist durch chemische DNA-Synthesen mittels automatisierter Festphasensynthese hergestellt. Dabei wird ein DNA-Synthesizer so eingestellt, dass nicht ein Nukleotid an einer bestimmten Stelle gekuppelt wird, sondern eine Mischung aus allen vier Nukleobasen. Die randomisierte Sequenz wird in der Mitte zwischen bekannten Sequenzen hergestellt, die für die Primererkennung notwendig sind[6] Der durch PCR erzeugte doppelsträngige DNA- und in RNA umgeschriebene Pool kann nun im nächsten Schritt des Selektionsprozesses mit dem gewünschten Zielmolekül, unter sorgfältig ausgewählten Bedingungen, inkubiert werden. Die Ausgangsbibliothek enthält für gewöhnlich einen Bereich von 20 bis 220 randomisierten Nukleotiden[7]. An den Enden befinden sich konstante Primerbindende 3'- bzw. 5'-Sequenzen. Im konstanten Bereich liegt meist eine Promotorsequenz, die für die in vitro-Transkription der RNA unerlässlich ist[8]. Zwischen den beiden konstanten Enden befindet sich die eigentliche Zufallssequenz aus n-Nukleotiden, was 4n verschiedene mögliche Sequenzen ergibt. Rein rechnerisch sind aus einer Zufallssequenz mit n Nukleotid-Elementen:
Ein Mol, das heißt 6,022·1023 Moleküle eines 25mers – eine Nukleotidsequenz mit 25 randomisierten Nukleobasen – wiegt ca. 7,5 kg. Um statistisch ein Molekül von jeder möglichen Variante zu haben, benötigt man 75 µg Oligonukleotid. Für eine 50-fache statistische Deckung benötigt man lediglich 3,75 mg Oligonukleotid. Der Nachteil langer Zufallssequenzen ist, dass je länger die Zufallssequenz wird, der Ausschnitt der möglichen Sequenzen kleiner wird, den eine Probe im mg-Maßstab repräsentiert. Der Vorteil langer Zufallssequenzen ist dagegen, dass ein einziges 100mer bereits 75 verschiedene 25mer Sequenzen bzw. 50 verschiedene 50mer Sequenzen enthält. Die kann das Selektionsverfahren deutlich beschleunigen.[4] SelektionDie Inkubation zwischen den Nukleotid-Sequenzen und den Zielstrukturen (Targets) kann im immobilisierten Zustand oder in Lösung stattfinden. Die Wechselwirkungskräfte zwischen der Vielzahl an Nukleotid-Sequenzen und den Zielstrukturen sind dabei sehr unterschiedlich. Die auf dem Schlüssel-Schloss-Prinzip basierende Bindung der Nukleotide ist von ihrer Sekundärstruktur extrem stark abhängig. Die Sekundärstruktur hängt wiederum sehr stark von der Sequenz, das heißt der Reihenfolge der Nukleobasen Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin (im Falle von DNA) bzw. Uracil (im Fall von RNA) ab. Als Sekundärstrukturen werden beispielsweise Helices, Triple-Helices, Haarnadel-Schleifen, Pseudoknoten und G-Quartette beschrieben.[9][10][11][12] SeparationDurch unterschiedliche Waschschritte werden die an den Targets nur schwach oder gar nicht gebundenen Sequenzen von den gebundenen Sequenzen abgetrennt (separiert). Üblicherweise erfolgt die Abtrennung mit Hilfe der Affinitätschromatografie. Die gebundenen Sequenzen werden eluiert und mit der PCR vermehrt.[13] Amplifikation
Die Amplifikation erfolgt durch eine reverse Transkription und die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Daraus entsteht ein Pool von DNA bzw. RNA-Molekülen mit – im Vergleich zum ursprünglichen Molekülpool – verbesserten Bindungseigenschaften zum Liganden. Mit diesem Schritt schließt sich der Kreislauf und wird nun für gewöhnlich acht bis zwölfmal wiederholt, bis ein gewünschtes Aptamer erhalten wird, oder nur wenig verschiedene Sequenzen angereichert sind. Durch Klonierung und Sequenzierung resultieren nach Abschluss der systematischen Evolution monoklonale Aptamere. Als mögliche Zielmoleküle (Targets) kommen verschiedenste Moleküle wie einfache organische Verbindungen, Proteine oder ganze Zellen in Frage.[5] MutationWie bereits bei der Molekülbibliothek beschrieben, ist eine komplette Randomisierung eines 100meren Oligonukleotid mit 1060 (=4220) Varianten nicht realisierbar. Man kann nur ca. 1016 Moleküle produzieren. Die aus diesem limitierten Pool isolierten aktivsten Oligonukleotide, können zu einer weiteren Verbesserung durch mutagene PCR leicht verändert werden. Man spricht in diesem Fall auch von Nachrandomisieren. Dabei werden die PCR Bedingungen so eingestellt, dass die Polymerase während des Kopiervorganges Fehler macht. Eine Fehlerrate von beispielsweise 1 pro 20 Basenpaaren kann durch die Wahl der Bedingungen eingestellt werden.[6] Das Nachrandomisieren empfiehlt sich erst nach mehreren Durchläufen des Selektions-Separations-Amplifikations-Zykluses. Es ist genau genommen kein gesonderter Prozessschritt sondern eine Modifizierung des Amplifikations-Schrittes. HistorieDie SELEX-Methode wurde 1990 zeitgleich von Larry Gold[2] und Andrew E. Ellington[1] entwickelt. Beide Ansätze basieren auf dem Prinzip der selektiven Erkennung von Zielstrukturen, vermittelt durch die 3-dimensionale Form von einzelsträngigen Nukleinsäuren. Gold verwendete dabei einsträngige DNA (single strand DNA, ssDNA), Ellington dagegen RNA mit definierter Oberflächenstruktur.[14] Bedeutung des VerfahrensDie Selektion neuer Enzyme auf RNA- und DNA-Basis, den sogenannten Ribozymen, ist in den Fokus der Forschung gerückt. Die katalytisch aktive RNA, die sich in spezifische dreidimensionale Formen faltet, kann wie ein auf Proteinen basierendes Enzym Reaktionen katalysieren. Zudem können die Ribozyme wie ein Antikörper hochspezifisch kleine Moleküle oder Proteine molekular binden. Das Verfahren wird genutzt, um Aptamere mit extrem hoher Bindungsaffinität an unterschiedliche Targets zu entwickeln. Auch kleine Moleküle wie ATP[15], Adenosin[16][17] und Proteine, wie beispielsweise Prionen[18] und Signalmoleküle wie Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)[19], sind Targets für Aptamere. Im Bereich der Onkologie sind Aptamere sehr vielversprechende Liganden[20]. Das an VEGF bindende Aptamer Pegaptanib ist für die Behandlung der altersabhängigen Makula-Degeneration (AMD)[19][21] zugelassen. Es ist allerdings zu beachten, dass extrem hohe Bindungsaffinitäten im sub-nanomolaren Bereich nicht unbedingt die Spezifität zum Zielmolekül erhöhen.[22] Die sogenannte Off-Target-Bindung hat signifikante klinische Auswirkungen. Die Entwicklungs- und Herstellungskosten für Biosensoren auf Aptamerbasis werden in der Literatur als erheblich niedriger eingeschätzt, als die auf Proteinbasis wie z.B. Antikörper.[4] MolekülmodifikationenDie Verwendung von 2’-Fluor- oder 2’-Amino-Mononukleotid-Triphosphat modifizierten RNA-Bibliotheken ermöglicht die Gewinnung von Ribonuklease-resistenten Aptameren[23]. Derart modifizierte Aptamere haben das Potenzial, auch in biologischen Flüssigkeiten (Blut, Urin) als Sonde zu fungieren.[24][14] Einzelnachweise
Literatur
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel SELEX aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |