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TunneleffektDer Tunneleffekt ist der quantenmechanische Effekt, der Teilchen die Überwindung endlicher Potentialbarrieren erlaubt, welche nach den Vorstellungen der klassischen Physik für diese Teilchen unüberwindbar wären. Der Tunneleffekt ist u. a. der Grund für den Alpha-Zerfall und wird z. B. bei Rastertunnelmikroskopen verwendet. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
EntdeckungDer Tunneleffekt wurde erstmals 1897 im Vakuum bei der Feldemission von Elektronen in einem Experiment von Robert Williams Wood beobachtet, der diesen Effekt allerdings noch nicht deuten konnte. Von den Forschern auf dem Gebiet der Radioaktivität waren es zuerst Julius Elster und Hans Friedrich Geitel, die 1899 vage den Verdacht äußerten, dass es sich bei einigen Formen der Radioaktivität um den Zerfall chemischer Elemente handeln könnte. 1902 formulierten Ernest Rutherford und sein Schüler Frederick Soddy eine Zerfallstheorie zur Erklärung der Radioaktivität. Diese Theorie wurde 1909 von Rutherford und Thomas Royds bestätigt, als sie nachweisen konnten, dass es sich bei Alphateilchen um zweifach positiv geladene Heliumionen handelt. 1926 legten Gregor Wentzel, Hendrik Anthony Kramers und Leon Brillouin mit der nach ihnen benannten WKB-Methode den Grundstein für die quantenmechanische Erklärung von Tunnelprozessen. Mit dieser Methode konnten 1928 George Gamow, Ronald W. Gurney und Edward U. Condon den Alphazerfall und Ralph Howard Fowler und Lothar Wolfgang Nordheim die Feldemission von Elektronen erklären. 1929 entdeckte der schwedische Physiker Oskar Klein die Durchtunnelung von Barrieren mittels sehr schneller Teilchen. Auftreten und AnwendungenKernfusion in der SonneDruck und Temperatur im Innern der Sonne würden alleine nicht ausreichen, damit Kerne für eine thermonukleare Fusion die Coulomb-Barriere überschreiten können. Durch den Tunneleffekt wird das Coulomb-Potential jedoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit quantenmechanisch überwunden[1][2]. Biologische EvolutionDer genetische Code ist u. a. durch das Auftreten von Protonen-Tunneln in der DNA nicht vollständig stabil. Dadurch ist der Tunneleffekt mit verantwortlich für das Auftreten von Spontan-Mutationen[3]. AlphazerfallAuf dem Tunneleffekt beruht unter anderem der spontane, radioaktive Alphazerfall, zum Beispiel von Urankernen. Nach der Theorie der klassischen Physik dürften Urankerne nicht zerfallen, da die Energiebarriere der starken Wechselwirkung zu hoch ist. Dennoch kommt es auf Grundlage des Tunneleffektes zu einer stochastischen – also zufälligen, aber einer bestimmten Wahrscheinlichkeit unterliegenden – Gesetzmäßigkeit, die das Verlassen eines Alphateilchens aus dem Mutterkern und die Definition einer Halbwertszeit ermöglichen. Die Theorie des Tunneleffekts erklärt, dass die Wellenfunktion der Alphateilchen durch die Energiebarriere hindurch reicht. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hält sich das positiv geladene Alphateilchen also außerhalb der Barriere auf und verlässt den Kern in einem solchen Moment endgültig durch Abstoßung vom ebenfalls positiv geladenen Rest des Kerns. Zwei-Elektroden-Tunneln1933 haben Hans Bethe und Arnold Sommerfeld näherungsweise die Tunnelstromdichte zwischen zwei Elektroden mit geringer Potentialdifferenz und trapezförmiger Potentialbarriere berechnet. Eine etwas bessere Näherung konnte dann 1935 von R. Holm und B. Kirschstein angegeben werden, die die Form der Potentialbarriere mit einer Parabel approximierten. Holm verfeinerte 1951 seine Theorie dahingehend, dass er die Tunnelstromdichte auch für Potentialdifferenzen angeben konnte, die in der Größenordnung der Austrittsarbeit von üblichen Elektrodenmaterialien liegt. Erst 1963 konnte J. Simmons eine generalisierte Formel angeben, mit der die Tunnelstromdichte für alle Potentialdifferenzen zwischen zwei Elektroden ausgerechnet werden kann, wobei dann auch die Feldemission mit eingeschlossen ist. Feldelektronen- / FeldionenmikroskopEine wichtige Anwendung fand der Tunneleffekt bei den hochauflösenden Mikroskopen, die Erwin Wilhelm Müller in Berlin entwickelt hat. 1936 beschrieb er das Feldelektronenmikroskop und 1951 dann das Feldionenmikroskop, das als erstes Instrument eine atomare Auflösung ermöglichte. Tunneldiode1957 entwickelte Leo Esaki die erste Tunneldiode. Er bekam dafür 1973 den Nobelpreis für Physik. Supraleitung1960 entdeckten Ivar Giaever und J. C. Fisher das Ein-Elektronen-Tunneln zwischen zwei Supraleitern. 1962 entdeckte Brian D. Josephson, dass auch Cooper-Paare tunneln können (Josephson-Effekt). Dies wurde 1963 von Philip W. Anderson, J. M. Rowell und D. E. Thomas für den Gleichstromfall und von Sidney Shapiro für den Wechselstromfall experimentell nachgewiesen. Josephson erhielt dafür 1973 den Nobelpreis für Physik. RastertunnelmikroskopGerd Binnig und Heinrich Rohrer entwickelten ein Verfahren, mit dem erstmalig das kontrollierte Zwei-Elektroden-Tunneln im Vakuum möglich wurde, das schließlich zur Erfindung des Rastertunnelmikroskops führte. Das Patent für diese Technologie wurde 1979 beantragt. Sie bekamen dafür 1986 zusammen mit Ernst Ruska den Physik-Nobelpreis verliehen. Magnetischer TunnelwiderstandBeim magnetischen Tunnelwiderstand wird die Tatsache ausgenutzt, dass sich der Tunnelstrom zwischen zwei durch einen dünnen Isolator getrennten Ferromagnetika durch ein äußeres Magnetfeld ändert. Dieser Effekt wird zum Beispiel beim Auslesen der Daten in modernen Festplatten ausgenutzt (TMR-Effekt). Tunneleffekt (Lichttunnel durch Lichthaut)Dieser Effekt wird in der Lichtleitertechnik genutzt, um Licht mit Hilfe eines Prismas zur Datenübertragung in einen Lichtwellenleiter ein- oder auszukoppeln. Quantenmechanische BetrachtungsweiseDie quantenmechanische Betrachtungsweise geht von der Schrödingergleichung aus, einer Differentialgleichung für die Wellenfunktion Ψ, die angibt, wo sich ein Teilchen aufhalten kann. Diese Wellenfunktion (= Welle) dringt in den verbotenen Bereich ein und klingt exponentiell ab. Durch den exponentiellen Abfall der Welle in dem verbotenen Bereich bleibt am Ende des verbotenen Bereiches noch ein Rest der ursprünglichen Welle übrig. Da nach den Regeln der Quantenmechanik das Betrags-Quadrat der Wellenfunktion eine Wahrscheinlichkeitsdichte darstellt, gibt es eine kleine Wahrscheinlichkeit, dass das Teilchen am anderen Ende der Barriere auftaucht. Wie die meisten Effekte der Quantentheorie spielt auch der Tunneleffekt nur bei extrem kurzen Distanzen sowie sehr kurzen Zeitabschnitten oder hohen Energien eine Rolle. Die Namensgebung Tunneleffekt trägt dem Umstand Rechnung, dass die Teilchen die Barriere klassisch nicht überwinden können, und man sich den Effekt, wenn überhaupt, eher als eine Art „Durchtunnelung“ der Barriere vorstellen muss. Quantenmechanische Erscheinungen verleiten zu Überlegungen, die zwar richtig sind, aber nicht realistisch: Denn ein Kuriosum der Quantenmechanik ist, dass der Versuch, durch eine Hauswand hindurchzugehen, nicht notwendig scheitert. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit ungleich Null, dass jedes einzelne Teilchen im menschlichen Körper durch die Potentialbarrieren der Wand hindurchtunnelt und sich anschließend somit auf der anderen Seite der Wand befindet. Diese Wahrscheinlichkeit ist allerdings unvorstellbar klein. Tunneleffekt am Beispiel des KastenpotentialsZur mathematischen Beschreibung des Tunneleffekts betrachten wir das Potential
und unterteilen den Raum in die drei Bereiche (I) (links der Barriere), (II) (in der Barriere) und (III) (rechts der Barriere). Das von links (Bereich I) einfallende Teilchen hat die Energie E mit 0 < E < V0. Klassisch betrachtet würde ein von links einfallendes Teilchen an der Barriere x = − a reflektiert. Die stationäre Schrödingergleichung für dieses Potential lautet:
Um die Gleichung zu lösen, wählen wir für die Wellenfunktion in den Bereichen (I) und (III) den Ansatz: Φ(x) = Aeikx + Be − ikx Dies ist eine Superposition einer einlaufenden (eikx)und auslaufenden (e − ikx) ebenen Welle mit noch zu bestimmenden A und B. k ist der Wellenvektor und durch
bestimmt. Im Bereich (I) ist anschaulich klar, dass A=1 und B=R sein muss. Dabei ist R der komplexe Reflexionskoeffizient, welcher den Anteil der einlaufenden Welle beschreibt, der vom Potential reflektiert wird. Wird | R | 2 = 1 sind wir beim klassischen Grenzfall und das einlaufende Teilchen wird total reflektiert. Wir haben also ΦI(x) = eikx + Re − ikx Im Bereich (III) haben wir, da von rechts kein Teilchen kommt, nur einen eventuell durchgelassenen Teil der einfallenden Welle und setzen an: ΦIII(x) = Teikx Dabei ist T der komplexwertige Transmissionskoeffizient. Da die Wahrscheinlichkeitsstromdichte erhalten bleiben muss, folgt aus der Kontinuitätsgleichung (ohne Beweis): | R | 2 + | T | 2 = 1 Dies ist anschaulich klar, da das Teilchen nicht verschwinden kann. Im Bereich (II) wählen wir den allgemeinen Ansatz ΦII(x) = αeκx + βe − κx dabei ist und reell, da V0 − E > 0 ist. Damit sind die physikalischen Überlegungen abgeschlossen und es bleibt mathematische Handarbeit. Durch die Stetigkeitsbedingung der Wellenfunktion und deren Ableitung an den Stellen (x=-a) und (x=a) erhält man vier Gleichungen für die vier Unbekannten R, T, α und β. Die Lösungen gelten dann für alle Energien E > 0 und man erhält z. B. für den Transmissionskoeffizient T für E < V0:
Die Wahrscheinlichkeit für eine Transmission ist dann gerade das Betragsquadrat von T und lautet:
Man sieht, dass die Transmissionswahrscheinlichkeit auch für E < V0 nicht null ist, dass also eine endliche Wahrscheinlichkeit besteht, das Teilchen auf der klassisch verbotenen Seite zu finden. Dies ist der Tunneleffekt. Um die obige Formel noch etwas anschaulicher zu machen, betrachtet man z. B. den Grenzfall (). Hier geht die Transmissionswahrscheinlichkeit gegen 1, was auch anschaulich klar ist: keine Barriere, keine Reflexion. Siehe auch
Literatur
Allgemeinverständliche Einführungen
Quellen
Video
Kategorien: Quantenphysik | Quantenchemie | Theoretische Chemie |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Tunneleffekt aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |