Gamma-Augen orten Eis im Marsboden
Wissenschaftler des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie an der Entdeckung der Raumsonde Mars Odyssey beteiligt
Gab es je Wasser auf dem Roten Planeten? Und wo ist es heute? Viele trockene Flussläufe deuten auf eine feuchte Vergangenheit hin. Heute erscheint der Mars ausgetrocknet: Unter dem niedrigen Druck seiner Atmosphäre (ein hundertstel des irdischen Luftdrucks) verdampft und entweicht flüssiges Wasser von seiner Oberfläche. Nur an den Marspolen kondensieren je nach Jahreszeit Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) zu Eis. Die Wissenschaftler vermuten seit langem, dass in den Polregionen, wo es das ganze Marsjahr über kalt genug ist, dauerhaft Wassereis unter der Oberfläche lagert. Jetzt hat Mars Odyssey (Abb. 1) dieses im Boden verborgene Eis um den Südpol entdeckt. Das vereiste Gebiet erstreckt sich dabei bis zum 60. Breitengrad.
Um dem Mars unter die Haut zu schauen, musste eine besondere Messmethode entwickelt werden. Dabei kam die Natur zu Hilfe: Auf dem Planeten entsteht reichlich Gammastrahlung, denn seine Oberfläche ist - mangels Magnetfeld und wegen der dünnen Atmosphäre - schutzlos dem Beschuss der kosmischen Strahlung ausgesetzt. Dieses Bombardement löst viele Kernteilchen, zum Beispiel Neutronen, aus dem Marsboden und setzt zugleich Gammastrahlen frei. Geeignete Detektoren an Bord einer Raumsonde können Neutronen und Gammaquanten registrieren und damit Informationen über die chemische Natur des Bodens liefern.
Am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz wurden technische und methodische Grundlagen für die Mission Mars Odyssey erarbeitet. So simulierten Wissenschaftler das Verhalten von Gammadetektoren im Weltraum: Dazu beschossen sie Detektoren in einem Beschleuniger so lange mit atomaren Partikeln, bis sie in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt waren. Danach wurden geeignete "Ausheilverfahren" entwickelt, mit denen sich die Instrumente wieder funktionstüchtig machen ließen. Den Zuschlag für den Bau des Marsdetektors erhielt die europäische Firma Canberra Eurysis.
In einem zweiten Satz von Experimenten ahmten die Forscher die Produktion von Gammastrahlung am Marsboden nach: 25 Tonnen Gestein und Eisen wurde mit energiereichen Protonen - dem Hauptbestandteil der kosmischen Strahlung - bombardiert und die dabei entstehende Gammastrahlung gemessen: Deren Spektrum diente als "Steckbrief" für die vom Marsboden erwartete Strahlung. Mit Computerprogrammen wurden anschließend Neutronen- und Gammaflüsse berechnet. Diese Methode des Vergleichens von Messdaten einerseits und Rechnungen andererseits brachte jetzt den Erfolg auf dem Mars.
Seit Februar dieses Jahres liefern die Detektoren von Mars Odyssey regelmäßig Daten über Energie und Intensität der Neutronen und Gammastrahlen vom Roten Planeten: Die Neutronen verraten, wo sich das Oberflächenmaterial verändert; auf diese Weise gewannen die Wissenschafter Karten der Neutronenintensität in verschiedenen Gebieten (Abb. 2). Die Gammastrahlung hingegen enthüllt, welche Elemente in welcher Häufigkeit im Boden vorkommen. Da sich mit der Gammaspektroskopie nur einzelne Elemente nachweisen lassen, muss man Wasser - als chemische Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff - über das Vorliegen von Wasserstoff bestimmen.
Das internationale Team unter der Leitung von William V. Boynton von der University of Arizona in Tucson (USA) war überrascht, wie viel Wasserstoff das Spektrometer in den südlichen Polarregionen auf dem Mars aufspürte. Wie sich zeigte, besteht der Boden aus zwei Lagen: Unter einer wasserstoffarmen Schicht befindet sich eine wasserstoffreiche, die zum südlichen Pol hin immer näher an die Oberfläche rückt. Die Wissenschaftler nehmen an, dass es sich bei dieser unteren Schicht um ein Gemisch aus Staub und Wassereis handelt.
Damit war die Sensation perfekt: Zum ersten Mal wurde Wassereis auch außerhalb der Polkappen des Mars in größeren Mengen gefunden, allerdings begraben unter einer Bodenschicht von rund 20 bis 60 Zentimeter Stärke. Da Wasser auf der Oberfläche nicht in flüssiger Form existieren kann, musste es sich im Boden verbergen, um Jahrmillionen als Eis zu überdauern. Die Mars-Oberfläche ist für Leben, wie wir es kennen, überaus unwirtlich. In mehreren Metern Tiefe jedoch könnten die Bedingungen besser sein. Sollten je Bakterien auf dem Planeten entstanden sein, dann dürften die Polarregionen eine gute Rückzugsmöglichkeit bieten, um in einer Art Winterschlaf auf bessere Zeiten zu warten.
Die Suche nach Wasser auf dem Mars wird im Jahre 2003 mit zwei großen Rovern der US- Raumfahrtbehörde NASA fortgesetzt. Dazu wird, wie bei der Mars Pathfinder-Mission, ein verbessertes "Schnüffel-Instrument" - das Alpha-Röntgen-Spektrometer - eingesetzt, das Forscher am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie entwickelt haben. Die Rover werden den "Schnüffler" zu vielen Steinen und Bodenstellen bringen, um deren chemische Zusammensetzung zu bestimmen. Damit werden die globalen Beobachtungen von Mars Odyssey auf regionaler Ebene im Detail weitergeführt werden