EU verbannt wegen Bienensterben drei Insektenmittel von Äckern
(dpa) Mit einer knappen Mehrheit haben die EU-Mitgliedsstaaten am Freitag einem Freilandverbot für drei bienenschädliche Insektenmittel zugestimmt.
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Wie ist die Entscheidung genau ausgegangen?
Eine knappe Mehrheit der Mitgliedsstaaten hat sich für das Freilandverbot von drei Neonikotinoiden ausgesprochen. Diplomatenkreisen zufolge haben 16 Mitgliedsstaaten dafür votiert - das ist das Minimum an Befürwortern, das für ein Ja zum Verbot benötigt wurde. Zudem müssen die Staaten mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, das traf in diesem Fall zu. Zu den Befürwortern zählen Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Die Abstimmung erfolgte nach einer Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Die aktuelle Entscheidung soll bis Ende des Jahres in Kraft treten.
Worüber wurde genau abgestimmt?
Konkret soll der Einsatz der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid auf Äckern untersagt werden. Dann dürfen die Substanzen auf dem Acker weder in Form von Saatgutbehandlung noch als Spritzmittel genutzt werden. 2013 hatte die EU-Kommission bereits den Einsatz der drei Substanzen nach einem Efsa-Gutachten eingeschränkt: So war es nicht erlaubt, die Mittel etwa auf Rapssaat und beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken anzuwenden. Es gab aber Sondergenehmigungen, etwa für Getreide wie Hafer oder Weizen.
Was ist das Problem mit den Stoffen?
Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Die tödliche Dosis liege für viele der Wirkstoffe bei etwa vier Milliardstel Gramm pro Biene.
Schweizer Forscher zeigten 2016, dass bestimmte Sorten dieser synthetisch hergestellten Wirkstoffe die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Eine andere Studie befand, dass Bienen die mit den Stoffen behandelten Pflanzen nicht etwa meiden, sondern sogar bevorzugt ansteuern.
Ende Februar dieses Jahres bestätigte die Efsa erneut die Gefahren: «Die Mehrzahl der Anwendungen von Neonikotinoid-haltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.» Erschwerend kommt hinzu, dass alle Pflanzenteile, auch die Blüten und Pollen, die mobilen Moleküle aufnehmen - diese verbreiten sich unter anderem durch den Wind in der Umwelt und bleiben lange wirksam.
«Die Entscheidung (der EU-Staaten) ist folgerichtig und berücksichtigt die wissenschaftlichen Ergebnisse der vergangenen vier Jahre», sagt der Neurobiologe Randolf Menzel, emeritierte Professor der Freien Universität Berlin, der zu Neonikotinoiden geforscht hat.
Welche Folgen hat das Verbot für die Bauern?
Der Deutsche Bauernverband (DBV) ist gegen ein umfassendes Freilandverbot und will etwa Ausnahmen für Zuckerrüben. Ohne Pflanzenschutzmittel könne man weder in der ökologischen noch in der konventionellen Landwirtschaft Qualität und Erträge garantieren, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Es sei «eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln».
Was meint die EU-Behörde zu weiteren Neonikotinoiden?
Es gibt weitere Neonikotinoide, die ohne Einschränkung eingesetzt werden können, etwa Thiacloprid und Acetamiprid - letzteres hat laut Efsa ein «geringes Risiko für Bienen». Ein Verbot oder weitere Einschränkungen des Mittels seien daher «weder wissenschaftlich noch rechtlich angebracht». Grünen-Bundestagsabgeordneter Harald Ebner widerspricht: Mehrere Studien bewiesen, dass auch die zugelassenen Neonikotinoide bienen- und insektenschädlich sind.
Sind die beiden Stoffe tatsächlich Alternativen zu den verbotenen Neonikotinoiden?
Nein, sagt der Geschäftsführer des Dachverbands Norddeutscher Zuckerrübenanbauer, Heinrich-Hubertus Helmke. Das Verbot würde den Zuckerrübenanbau auf den Stand von vor 20 Jahren zurück katapultieren. «Welche Insektizide wir jetzt anwenden können, da haben wir bislang keinen Überblick.» Kurzfristig stünden wohl keine neuen Mittel zur Verfügung. Nahezu 100 Prozent der Zuckerrübensaat in Deutschland wird nach DBV-Angaben mit Neonikotinoiden gebeizt.
Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg entgegnet, für manche Pflanzen könnten die weniger effektiven Mittel Thiacloprid und Acetamiprid eine Alternative sein, wenn auch die Dosierung intensiver sein müsse. Es gebe auch etwas weniger effiziente Insektizide wie Pyrethroide, die bereits vor den Neonikotinoiden eingesetzt worden seien. «Die Frage ist nun, ob die Anwendung dieser Insektizide besser für unsere Nützlinge und Biodiversität sein wird.»
«Alles wird sich bei den Neonikotinoiden auf eine Substanz - das Thiacloprid - konzentrieren, das von Bayer hergestellt wird», meint Neurobiologe Menzel. Diese werde als «nicht bienengefährlich» bezeichnet, da die tödliche Dosis sehr hoch liege. «Aber es geht ja nicht nur um das Töten, sondern auch um das Schädigen der Tiere.» Die Wirkung von Thiacloprid im Gehirn der Insekten sei auch bei niedrigen Dosen massiv, wie er und sein Team nachgewiesen habe.
Nach Angaben des Chemiekonzerns Bayer ist Thiacloprid zumindest beim Raps eine besonders gute Alternative. Insgesamt sei das Verbot aber ein Problem für die Landwirtschaft: «Landwirte werden anstelle der gezielten Beizung auf kostenintensive Flächenspritzungen auszuweichen. Ein solcher Rückschritt widerspricht einem nachhaltigen Pflanzenbau.»
Der Grünen-Abgeordnete Ebner ergänzte, dass eine ganze Reihe neuer Insektizide zur Zulassung stünden, die nahezu identisch wirkten. «Die Industrie versucht, das zu verschleiern, indem sie neue Bezeichnungen dafür erfunden hat, damit der Begriff Neonikotinoide nirgends mehr auftaucht».