Physiker haben den Dreh mit den zweidimensionalen Kristallen raus
Atomar dünne Heterostrukturen untersucht
Fabian Mooshammer
Von Solarzellen bis hin zu Computern basiert Elektronik auf Halbleitern, welche typischerweise elektrischen Strom im Gegensatz zu Metallen nur schlecht leiten. Der Grund hierfür ist, dass in Metallen frei bewegliche Elektronen vorhanden sind, in Halbleitern sind die Elektronen jedoch stark gebunden und daher unbeweglich. Erst wenn man diese Ladungsträger beispielsweise mittels Licht, Wärme oder elektrischer Spannung anregt, können sie sich frei bewegen. Das hierbei angeregte, negativ geladene Elektron hinterlässt dabei ein positiv geladenes Loch. Kombiniert man zwei unterschiedliche Halbleiter geschickt in einer sogenannten Heterostruktur, so können die, z. B. durch Sonnenlicht angeregten Elektronen und Löcher, räumlich voneinander getrennt werden, wodurch in Solarzellen ein elektrischer Strom fließen kann.
Derzeit besteht Elektronik hauptsächlich aus kristallinem Silizium, aber in den vergangenen Jahren haben sich sogenannte zweidimensionale Materialien als erfolgsversprechende Kandidaten für zukünftige flexible und ultradünne Halbleitertechnologie bewiesen. Diese neuartigen Kristalle sind nur wenige Atomlagen dünn und können mit geringem technischem Aufwand präzise „aufeinandergestapelt“ werden. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich die angeregten Ladungsträger auch in den so hergestellten ultradünnen Heterostrukturen räumlich komplett voneinander trennen, dass also das Elektron in das eine Material wandert und das Loch in das andere.
Ein entscheidender experimenteller Schritt für das Resultat der internationalen Kollaboration war, dass es den Forschern in Regensburg gelang, Heterostrukturen herzustellen, bei denen die beiden atomar dünnen Schichten präzise gegeneinander verdreht wurden. Dieser weitere Freiheitsgrad der zweidimensionalen Materialien gegenüber herkömmlichen Halbleitern wurde hierbei eingesetzt, um optische und elektronische Eigenschaften der Heterostrukturen gezielt zu beeinflussen.
Im Wesentlichen basiert der Effekt darauf, dass sich die beiden zweidimensionalen Kristalle für unterschiedliche Drehwinkel unterschiedlich nahe kommen, weil sich die Materialien unterschiedlich stark „im Weg sind“. Durch diesen veränderten vertikalen Abstand der beiden Halbleiter wird auch die Anziehung zwischen Elektron und Loch gezielt verändert.
In anschließenden Experimenten konnte beobachtet werden, dass die optischen Eigenschaften der Heterostrukturen eine deutliche Abhängigkeit vom Drehwinkel zeigen. Theoretischen Physikern der TU Dresden um Dr. Jens Kunstmann und der Columbia University um Prof. Dr. David Reichman gelang es mit Hilfe von aufwendigen Berechnungen zu zeigen, dass sich durch diese Beobachtung Rückschlüsse auf das Verhalten von Elektronen und Löchern in den jeweiligen Einzelschichten ziehen lassen. So wandert das Elektron zwar in das MoS2, das Loch hält sich jedoch in beiden Materialien auf und nicht nur, wie bisher angenommen, im WSe2.
Diese neuen Einsichten sind entscheidend für die Kontrolle optischer Effekte in den neuartigen zweidimensionalen Kristallen und für das Verständnis zukünftiger Technologie wie ultradünner Solarzellen.
Originalveröffentlichung
J. Kunstmann, F. Mooshammer, P. Nagler, A. Chaves, F. Stein, N. Paradiso, G. Plechinger, C. Strunk, C. Schüller, G. Seifert, D. R. Reichman, T. Korn; "Momentum-space indirect interlayer excitons in transition-metal dichalcogenide van der Waals heterostructures"; Nature Physics; 2018