Wie Einkommen den Treibhausgas-Ausstoss beeinflussen
Frauen haben einen kleineren ökologischen Fussabdruck als Männer
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Die Schweiz hat sich das Ziel gesetzt, den Ausstoss an klimarelevanten Treibhausgasen zu senken. Hierbei spielt das Verhalten privater Haushalte und Personen eine wichtige Rolle. Schliesslich entsteht ein Grossteil der Emissionen durch Mobilität, Wohnen und Ernährung. Doch gerade beim Verkehr zeigt sich: Trotz der Diskussion um Elektromobilität und einem sehr gut ausgebauten öffentlichen Verkehr zählt die Schweiz zu den weltweit am stärksten motorisierten Gesellschaften, gibt Andreas Diekmann zu bedenken. Der emeritierte ETH-Professor für Soziologie leitet mit Ulf Liebe von den Universitäten Bern und Warwick (UK) die Forschungsgruppe Umwelt.
Reden wir also vor allem über Klimaschutz und lassen unseren Worten keine Taten folgen? Dieser Frage ist Diekmann gemeinsam mit Heidi Bruderer Enzler, Soziologin der Forschungsgruppe Umwelt, nachgegangen. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Steuerung des Energieverbrauchs» (NFP 71) untersuchten sie, wie stark sich die Emissionen zwischen einzelnen Personen und Haushalten in der Schweiz unterscheiden und in welchem Ausmass sich das jeweilige Einkommen und das Umweltbewusstsein auf die Emissionen auswirken. Ein besonderes Augenmerk legten sie auf die drei Emissionsbereiche Mobilität, Wohnen und Ernährung.
Sie nutzen für ihre Studie bestehende Daten des Schweizer Umweltsurveys 2007, die sie mit einem Bilanzierungsverfahren der Empa neu auswerten konnten. Für alle knapp 3400 befragten Personen aus sämtlichen Sprachregionen der Schweiz erstellen sie eine Ökobilanz.
Grosse Unterschiede bei Pro-Kopf-Emissionen
Die Ergebnisse von Bruderer Enzler und Diekmann sind nun in den Wissenschaftsjournals Energy Research and Social Science sowie Journal of Environmental Psychology erschienen. Bei den Pro-Kopf-Emissionen stellten sie grosse individuelle Unterschiede fest: Die Forscher verglichen die 10 Prozent der Personen, deren Pro-Kopf-Emissionen am niedrigsten war (nämlich im Schnitt 2300 kg CO2 pro Person), mit den 10 Prozent, die am meisten Emissionen verursachten (rund 14’000 kg CO2 pro Person). Demnach belastet die Gruppe mit den höchsten Emissionen das Klima rund sechsmal mehr als die Gruppe mit dem geringsten Ausstoss. Die 10 Prozent mit dem höchsten Ausstoss verursachen somit rund 23 Prozent aller Emissionen, die 10 Prozent mit den tiefsten Emissionen nur 4 Prozent.
Bei der Mobilität sind die Unterschiede am stärksten: Die 10 Prozent, die am meisten Treibhausgas ausstossen, verursachen 23-mal mehr Emissionen als die 10 Prozent mit dem geringsten Ausstoss. Beim Wohnen liegen die Emissionen der stärksten Treibhausgas-Verursacher 4,7-mal höher, beim Essen hingegen nur 1,3-mal.
Begrenzter Effekt des Einkommens
In einem nächsten Schritt untersuchten die Forscher den Einfluss der Haushaltseinkommen auf die Emissionen: Wie erwartet steigen die Treibhausgasemissionen mit dem Einkommen. Der Vergleich der Gruppen der jeweils 10 Prozent mit dem höchsten und dem niedrigsten Einkommen ergab, dass die Gruppe mit den höchsten Einkommen etwa 1,8-mal mehr Treibhausgase verursacht: «Dass Haushalte mit höherem Einkommen die Umwelt stärker belasten, ist nicht überraschend. Je mehr Einkommen zur Verfügung steht, desto mehr wird natürlich konsumiert und desto grösser die faktische Umweltbelastung», sagt Diekmann.
Überraschend ist aber, dass der Einkommenseffekt tiefer ist als erwartet, denn er erklärt gerade einmal einen Zehntel der Emissionsunterschiede. Bei den Klimagasen durch Ernährung spielt das Einkommen keine Rolle; die nahrungsmittelbedingten Emissionen unterscheiden sich in der Schweiz nicht nach dem Einkommen. Hier kommt eher das Umweltbewusstsein zum Tragen, ob jemand zum Beispiel biologische oder vegane Lebensmittel vorzieht.
Frauen verbrauchen weniger Strom
Stärkere Effekte des Einkommens sind dagegen beim Wohnen und besonders bei der Mobilität nachweisbar. Der insgesamt moderate Effekt des Einkommens auf die tatsächlichen Treibhausgasemissionen zeigt, dass die Ökobilanz bei gleichem Einkommen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Dies eröffnet Handlungsspielräume: Wohlhabende Haushalte haben ein erhebliches Potential Umweltbelastungen zu vermeiden. Das gelingt umso eher, wenn entsprechende Handlungsanreize vorliegen – etwa Lenkungsabgaben und die Förderung smarter und energieeffizienter Technologien.
Auch beim Geschlecht gibt es Unterschiede. Der ökologische Fussabdruck der Frauen fällt kleiner aus als derjenige der Männer. Dies demonstrieren Bruderer Enzler und Diekmann mit Ulf Liebe in einer ergänzenden Studie zum Stromverbrauch mit den objektiv gemessenen Daten eines Energieversorgers. So ist der Stromverbrauch von Frauen in Einpersonenhaushalten fast um einen Viertel geringer als der Verbrauch von alleine lebenden Männern. «Diese Differenz bleibt auch bestehen, wenn man den unterschiedlichen Einkommen und Wohnungsgrössen Rechnung trägt», sagt Diekmann.
Scheinbarer Röstigraben
Wie wichtig die Ökobilanzierung von Haushalten ist, zeigt ein Vergleich mit dem symbolischen Umweltverhalten: Dieses wird in vielen Studien der Einfachheit halber herangezogen und misst eher die guten Absichten, beispielsweise wenn Recycling, Mitbringen von Einkaufstauschen in den Supermarkt und andere Verhaltensweisen zu einem einfachen Index gebündelt werden. Das Umweltverhalten in der Deutschschweiz zum Beispiel schneidet dann scheinbar wesentlich besser ab als in der Romandie und im Tessin. Geht man dagegen von der Ökobilanz der Haushalte aus, die letztlich entscheidend ist, gibt es keine Unterschiede östlich und westlich des Röstigrabens.
Allerdings verbergen sich dahinter deutliche Diskrepanzen bei der Mobilität und beim Wohnen, die sich gegenseitig ausgleichen: In der Romandie ist die Umweltbelastung durch Mobilität höher als in der Deutschschweiz, beim Wohnen verhält es sich genau umgekehrt.
Wie könnte nun die Ökobilanz von Haushalten verbessert werden? Alle Studien, sagt Diekmann, deuteten auf die Wirksamkeit von Lenkungsabgaben hin: «Durch die Rückerstattung der Einnahmen könnten sogar einkommensschwache Schichten profitieren, denn ihre Ökobilanz fällt ja günstiger aus als die der wohlhabenden Haushalte. Dazu kommen ‹weiche› Anreize, kleine psychologische ‹Schubser›, deren Wirksamkeit die Umweltforschungsgruppe derzeit mit Energieversorgern in Feldexperimenten untersucht.»
Originalveröffentlichung
Bruderer Enzler H., Diekmann A.; "All Talk and No Action? An analysis of environmental concern, in-come and greenhouse gas emissions in Switzerland"; Energy Research and Social Science; 2019, 51, 12-19.
Bruderer Enzler, H., Diekmann, A., Liebe, U.; "Do environmental concern and future orientation predict metered household electricity use?"; Journal of Environmental Psychology; 2019, 62, 22-29.