Korkenzieher-Laser sortiert Spiegelmoleküle
Innovativer Ansatz verspricht tiefere Einblicke in die rätselhafte Händigkeit des Lebens
DESY, Andrey Yachmenev
Die Trennung von Spiegelmolekülen ist jedoch in der Regel kompliziert. Ein Forschungsteam von DESY, der Universität Hamburg und dem University College London hat jetzt einen innovativen Ansatz entwickelt und damit zugleich einen neuen theoretischen Rahmen für das Verständnis des Phänomens geschaffen. Das Team um DESY-Forscher Jochen Küpper stellt seine Arbeit in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ vor.
Moleküle, von denen es Spiegelversionen gibt, werden chiral genannt. Die Bezeichnung stammt vom altgriechischen Wort für „Hand“ und bezieht sich darauf, dass auch die rechte und linke Hand Spiegelversionen voneinander sind. Aus bisher nicht vollständig verstandenen Gründen bevorzugt das Leben oft eine Version der Moleküle: Während Proteine beispielsweise fast immer linkshändig sind, sind Zucker meist rechtshändig.
„Traditionell war die chirale Analyse auf Flüssigkeiten beschränkt, aber wir erleben gerade einen starken Anstieg von Verfahren für die Gasphase, die eine weitaus höhere Empfindlichkeit bieten“, berichtet DESY-Wissenschaftler Andrey Yachmenev, Hauptautor der Studie. „Die Möglichkeit, Gase fast bis zum absoluten Nullpunkt abzukühlen, erlaubt eine bessere Kontrolle der Probe, was wiederum hilft, die Enantiomere effizient zu trennen und eine höhere Ausbeute zu erzielen.“
Auch das neue Verfahren ist für Gase ausgelegt. Es basiert auf einem speziellen Laseraufbau, der als optische Zentrifuge bezeichnet wird. Darin regt ein korkenzieherförmiger Laserpuls Moleküle zu ultraschnellen Rotationen an. Die Moleküle rotieren bis zu eine Billion Mal pro Sekunde. In Kombination mit einem zusätzlichen elektrischen Feld wird der gesamte Aufbau chiral, so dass sich die beiden Enantiomere unterschiedlich verhalten. „Die Interaktion des Laserfeldes mit einem chiralen Molekül erzeugt einen Zustand, den wir feldinduziertes Diastereomer nennen“, erklärt Ko-Autor Emil Zak von DESY. Diastereomere sind verschiedene Konfigurationen derselben Verbindung, die jedoch keine Spiegelbildversionen voneinander sind.
Die unterschiedlichen Eigenschaften von Diastereomeren können nun genutzt werden, um die Enantiomere räumlich zu trennen. „Wichtig ist, dass unser Ansatz steuerbar ist und wir die Anreicherung eines Enantiomers erhöhen können, indem wir einfach die Zeitspanne ändern, in der die Moleküle mit dem Laserfeld interagieren", sagt Ko-Autor Alec Owens vom University College London.
Das Team hat die Wirksamkeit seines Verfahrens rechnerisch an der Verbindung Propylenoxid (C3H6O) überprüft, dem ersten chiralen Molekül, das außerhalb des Sonnensystems nachgewiesen wurde. Experimente bei DESY sollen die Methode nun praktisch testen. Dabei sollen auch elektrische Molekültrenner zum Einsatz kommen, die in Küppers Controlled Molecule Imaging Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science CFEL entwickelt worden sind. Das CFEL ist eine gemeinsame Einrichtung von DESY, Max-Planck-Gesellschaft und Universität Hamburg.
„Die Manipulation chiraler Moleküle in der Gasphase befindet sich in einer spannenden Entwicklungsphase, sowohl für praktische Anwendungen in der Industrie als auch für neue Erkenntnisse über diesen sehr grundlegenden Aspekt der Natur“, betont Yachmenev. „Der Ursprung der Chiralität und der Händigkeit des Lebens ist eines der großen Geheimnisse der Natur, aber wir nähern uns allmählich einem tieferen und umfassenderen Verständnis.“