Algen als lebende Biokatalysatoren für eine grüne Industrie
Entdeckung könnte für mehr Umweltschutz in der chemischen Industrie sorgen
© RUB, Marquard
Auf die 3D-Struktur kommt es an
Viele chemische Substanzen in Kosmetika, Lebensmitteln oder Medikamenten können leicht unterschiedliche dreidimensionale Strukturen einnehmen, wobei nur jeweils eine davon den gewünschten Duft oder die gewünschte medizinische Wirkung zeigt. Die chemische Herstellung der richtigen Substanzen ist oft nicht gerade umweltverträglich, da hohe Temperaturen oder spezielle Lösungsmittel notwendig sind. In der Natur gibt es dagegen bestimmte Proteine, die das gewünschte Produkt bei milden Temperaturen und in Wasser herstellen. Dabei erzeugen sie oft genau die 3D-Struktur der Substanz, die von der Industrie gebraucht wird.
Old Yellow Enzymes brauchen ein teures Hilfsmittel
Diese sogenannten Old Yellow Enzymes, kurz OYEs, verdanken ihren Namen ihrer von Natur aus gelben Farbe. Sie kommen in Bakterien, Pilzen und Pflanzen vor, sind teils gut untersucht und vielversprechend für eine biobasierte Wirtschaft. Sie haben jedoch einen Nachteil: Um ihre Reaktion ausführen zu können, brauchen sie das Hilfsmittel NADPH (Nicotinamid-Adenindinukleotid-Phosphat). In lebenden Zellen wird dieses kleine Molekül durch den Stoffwechsel bereitgestellt. Es chemisch herzustellen ist dagegen sehr teuer, was die ökonomische Nutzung der OYEs ausbremst.
OYEs aus einzelligen Grünalgen: zwei Fliegen mit einer Klappe?
Das Bochumer Forschungsteam hat mehrere OYEs in einzelligen Grünalgen entdeckt. „Für eine breite Anwendung braucht die Industrie OYEs, die auch ungewöhnliche Moleküle herstellen können“, erklärt Prof. Dr. Thomas Happe, Leiter der Arbeitsgruppe Photobiotechnologie an der RUB. „Algen besitzen sehr komplexe Stoffwechselwege und sind daher ideale Quellen für neuartige Biokatalysatoren.“ Die Forscher untersuchten Algen-OYEs im Reagenzglas und konnten zeigen, dass sie viele kommerziell interessante Substanzen umsetzen können. „Besonders spannend ist es, dass auch lebende Algen die gewünschten Reaktionen durchführen können“, berichtet die Doktorandin Stefanie Böhmer, Erstautorin der Studie. „Algen stellen NADPH mithilfe der Fotosynthese, also mit Sonnenlicht her, sodass das Hilfsmittel der OYEs umweltfreundlich und kostengünstig bereitgestellt wird.“
Vielversprechende Zusammenarbeit
Die Studie zeige, wie wichtig die Zusammenarbeit von Forschern verschiedener Fachgebiete ist, und dass Kontakte zur Wirtschaft auch wertvolle Grundlagenforschung initiieren, betonen die Autoren. Mitgewirkt haben vier Wissenschaftler aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg „Micon – Mikrobielle Substratumsetzung“, die jeweils ihre eigene Expertise einbrachten. Das Konzept der Arbeiten entstammt dem Spin-off Solarbioproducts Ruhr, das von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herne und Thomas Happe gegründet wurde, um Konzepte für umweltfreundliche Algenbiotechnologien zu entwickeln. „Wir haben einen großen Schritt in Richtung grüne Industrie gemacht“, freut sich Happe. „Ohne die Kooperationen wäre dies nicht möglich gewesen.“
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