Atomare Quanteneffekte verstehen und ausnutzen
Neue Nachwuchsforschungsgruppen stärken Stuttgarter Quantenphotonik
Uli Regenscheit / Universität Stuttgart
„Stuttgart ist für meine Forschung an Quantentechnologien intellektuell extrem anregend“, sagt Farinacci. „Und durch die Zusammenarbeit im Rahmen von QPhoton kann ich auf ein Netzwerk zugreifen, in dem eng verwandte Forschungsthemen bearbeitet werden.“ Auch Welte schätzt das ideale Umfeld. „Hier gibt es viel theoretische und experimentelle Expertise für meine Arbeit. Zudem stellen die weiteren QPhoton-Standorte in Ulm und Jena sowie das in Ulm und Stuttgart angesiedelte Center for Integrated Quantum Science and Technology, das IQST, ein ideales Forschungsnetzwerk dar.“
Welte und Farinacci leiten in Stuttgart die ersten beiden Nachwuchsforschungsgruppen am Carl-Zeiss-Stiftung Center für Quantenphotonik (CZS Center QPhoton). Am CZS Center QPhoton forschen seit 2022 Wissenschaftler*innen dreier Universitäten standortübergreifend an Innovationsthemen der Quantentechnologie. Gefördert wird das Center von der Carl-Zeiss-Stiftung mit 12 Millionen Euro. QPhoton bietet nun auch herausragenden Nachwuchswissenschaftler*innen die Möglichkeit, eigenständige Forschungsgruppen aufzubauen. Insgesamt vier Nachwuchsforschungsgruppen werden mit einem Budget von bis zu 700.000 EUR über fünf Jahren gefördert, zwei davon in Stuttgart.
Dr. Stephan Welte: Forschung für Quantennetzwerke
Ziel der CZS Nachwuchsgruppe für Quantenphotonik von Stephan Welte, die am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart angesiedelt ist, ist der Aufbau eines Experiments zur Informationsübertragung in einem Quantennetzwerk. Welte nutzt hierfür Atome als Qubits. Qubits sind die kleinsten Informationseinheiten, auf denen die Funktion von Quantencomputern und Quantennetzwerken beruht. Auf der Basis von Qubits lassen sich bestimmte Aufgaben nicht nur schneller berechnen, sondern zum Beispiel auch Informationen abhörsicher übertragen.
Welte will mit seinem Team im Labor einen Quantenrechner aufbauen, der die quantenspezifischen Eigenschaften der Atom-Qubits bewahren und zusätzlich verteilen kann. Aus solchen einzelnen Knoten ließe sich perspektivisch ein komplettes Netzwerk aufbauen, ein Quantennetzwerk. „Ich möchte in Stuttgart einen kleinen Quantencomputer mit Netzwerkschnittstelle realisieren, der mit weiteren Quantenrechnern zu einem Quanteninternet verbunden werden kann“, erläutert Welte.
Das neue Experiment ist ein maßgeschneiderter Versuchsaufbau für die geplanten Quantennetzwerk-Anwendungen. Zwei Promotionsstellen sind geplant. „Zudem wird es ab sofort interessante Projekte für Bachelor- und Masterarbeiten geben“, so der Physiker. Sein Ziel ist es, alle Atome sehr kontrolliert in einem Raum zwischen zwei hochreflektierenden Spiegeln einzeln positionieren und ansprechen zu können. Die Spiegel sind nur einen halben Millimeter voneinander entfernt. „Möglich ist die Kontrolle der Atome mit Laserlicht, mit sogenannten optischen Pinzetten – im Vakuum, bei extrem tiefen Temperaturen“, erklärt der Physiker.
Dr. Laëtitia Farinacci: Forschung für magnetische Qubits
Farinaccis CZS Nachwuchsgruppe für Quantenphotonik untersucht die magnetischen Eigenschaften von Atomen – ein Thema, mit dem sie sich seit ihrer Promotion befasst.
„Wir bilden Atome auf Oberflächen ab“, erklärt Farinacci. „Um die Quanten-Natur der Atome zu verstehen, ist die Technologie mittlerweile so fortgeschritten, dass sie es uns ermöglicht, verschiedene Methoden zur Aufnahme von atomaren Videos zu erforschen.“ Dabei sind gerade schnelle, zeitliche Veränderungen extrem interessant, um das dynamische magnetische Verhalten von Materialien auf Längenskalen von Nanometern grundlegend besser zu verstehen.
Wichtig sind solche Experimente, weil sie in der Zukunft zum Beispiel dabei helfen können, Qubits besser zu verstehen, die auf magnetischen Quanteneffekten beruhen. Dann ließen sich die Qubits besser kontrollieren, als das heute möglich ist, entweder durch Verlängerung der Zeit, während der diese Qubits ihre Quanteneigenschaften beibehalten, oder durch dynamische Kontrolle dieser Quanteneigenschaften. Dies würde leistungsfähigere Quantencomputer ermöglichen.
Farinaccis Forschungsgruppe ist angesiedelt bei Prof. Sebastian Loth am Institut für funktionelle Materie und Quantentechnologien (FMQ). „Unsere Expertise ergänzt sich perfekt“, so die Physikerin. In der CZS Nachwuchsgruppe für Quantenphotonik wird es mindestens eine Promotionsstelle geben, zudem können Studierende dort ihre Bachelor- oder Masterarbeiten schreiben.