Computergestützte Partnervermittlung für Formgedächtnis-Metalle
RUB-Forscher entdecken Gedächtnis-Metall mit unerreichter funktioneller Stabilität
Formgedächtnislegierungen
Formgedächtnismaterialien kehren nach einer mechanischen Verformung bei Erwärmung in ihren Ausgangszustand zurück (Formgedächtniseffekt), oder ermöglichen bis zu ca. 10 % vollständig „elastische“ Dehnungen (Superelastizität). Die erstaunlichen Effekte basieren auf einer umkehrbaren martensitischen Phasenumwandlung: Die Kristallstruktur verändert sich in Abhängigkeit von der Temperatur oder Spannung. Allerdings gehen diese Veränderungen nicht spurlos am Material vorbei. Die wiederholten Verformungen erzeugen Defekte, die sich auf Dauer summieren, so dass das die Formgedächtniseigenschaft nachlässt. „Die Defekte entstehen an der Grenze zwischen der Hochtemperatur- und der Tieftemperaturphase während der Umwandlung und resultieren aus einer Fehlpassung der Kristallstrukturen“, erklärt Robert Zarnetta vom Materials Research Department der RUB.
Vier passende Partner
Theoretische Berechnungen der Forschungspartner aus den USA hatten ergeben, dass sich diese Fehlpassung durch die Auswahl von Metallen mit kompatiblen Hoch- und Tieftemperatur-Kristallgitterstrukturen reduzieren lassen müsste. Als optimale Partner für eine solche Legierung wurden die vier Metalle Titan, Nickel, Kupfer und Palladium (Ti-Ni-Cu-Pd) berechnet. Die erfolgreiche experimentelle „Partnervermittlung“ wurde durch den Einsatz von Dünnschicht-Materialbibliotheken möglich, mit deren Hilfe sehr große Zusammensetzungsbereiche in aus vier Elementen bestehenden (quaternären) Legierungssystemen mit Hochdurchsatz-Charakterisierungsmethoden untersucht werden können. „Die spezielle Zusammensetzung der neuen Legierung mit konventionellen experimentellen Methoden zu finden und zu optimieren wäre extrem schwierig gewesen“, erklärt Prof. Dr. Alfred Ludwig, Inhaber des Lehrstuhls Werkstoffe der Mikrotechnik.
Kompatible Kristallgitter machen stabil
Neben der Entdeckung spezieller Legierungszusammensetzungen konnten die Forscher in den Dünnschichten auch die zugrundeliegenden Zusammensetzungs-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen ermitteln, und nutzten diese, um die Ergebnisse der Dünnschichten auf Massivmaterialien zu übertragen. So gelang zum ersten Mal der Nachweis des grundlegenden Zusammenhangs zwischen dem kristallinen Aufbau von Formgedächtnismaterialien und deren funktioneller Stabilität. „Eine verbesserte Kompatibilität der Kristallgitter der Hochtemperatur- und Tieftemperaturphase führt zu verbesserter funktioneller Stabilität“, fasst Robert Zarnetta das Ergebnis zusammen. „Dieser Zusammenhang konnte nur durch den Brückenschlag zwischen der kombinatorischen Entwicklung von Formgedächtnis-Dünnschichten und der konventionellen Materialentwicklung nachgewiesen werden“.
Sonderforschungsbereich und Research Department
Die Untersuchungen wurden, aufbauend auf der Arbeit im Sonderforschungsbereich (SFB) 459 „Formgedächtnistechnik“, am Lehrstuhl „Werkstoffe der Mikrotechnik“ (Prof. Dr.-Ing. Alfred Ludwig, Institut für Werkstoffe) in Kooperation mit dem Lehrstuhl Werkstoffwissenschaft (Prof. Dr.-Ing. Gunther Eggeler, Institut für Werkstoffe) im Materials Research Department der RUB durchgeführt.
Originalveröffentlichung: Zarnetta, R. et al.; "Identification of quaternary shape memory alloys with near zero thermal hysteresis and unprecedented functional stability"; Advanced Functional Materials 2010, 20, 1917-1923)
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