Wenn sich molekulare Sterne reiben

Jülicher Physiker berechnen Reibungsverhalten von Makromolekülen

18.10.2011 - Deutschland

Reibung ist allgegenwärtig in unserem täglichen Leben, aber oft unerwünscht, weil sie Wärme verursachen und Material verschleißen kann. Die physikalischen Ursachen der verschiedenen Reibungsphänomene sowie der reibungsmindernden Effekte von Schmierstoffen im Detail zu verstehen, ist deshalb Ziel der Physik. Wie Reibungsgeschwindigkeit und Kraftaufwand bei einzelnen Makromolekülen in wässriger Lösung zusammenhängen, fanden Jülicher Forscher nun mit Hilfe von numerischen Methoden und Simulationen heraus. Sie sehen darin einen ersten Schritt zu einem besseren Verständnis von Reibungsprozessen, wie sie etwa in menschlichen Gelenken  oder Prothesen zu finden sind.

Die Physiker vom Institute of Complex Systems untersuchten winzige Knäuel aus mittig verbundenen Polymerschnüren, so genannte Sternpolymere. Weil diese leicht in verschiedenen Größen und mit verschiedener Zahl von Polymerarmen herstellbar sind, sind sie ein beliebtes Modellsystem und Kandidat für technische Anwendungen. In ihrer Versuchsanordnung im Computer führten die Forscher jeweils zwei identische Sternpolymere eng aneinander vorbei und berechneten die auftretenden Kräfte. Dabei lenkten sie nur die Mitte der Sterne, die Polymerketten blieben frei beweglich.

Beim Annähern fanden die Forscher stets eine widerstrebende, abstoßende Kraft, wie zu erwarten, wenn zwei Körper aufeinander treffen. Die Stärke der Abstoßung ist dabei fast unabhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Sterne zueinander geschoben wurden. Ganz anders  beim Auseinanderziehen: Bei niedriger Geschwindigkeit fanden die Forscher eine abstoßende  Kraft, aber bei hoher eine anziehende.

„Natürlich interessierte uns die Ursache dafür“, berichtet Prof. Roland Winkler vom Jülicher „Institute of Complex Systems“. „Eine mögliche Erklärung war die Annahme, dass sich die Polymere der beiden Sterne ineinander schieben und dann nicht so schnell voneinander frei kommen, ein Mechanismus, den andere Forschergruppen vorschlagen.“

Doch die Jülicher fanden eine andere Ursache, indem sie die räumliche Verteilung der Polymerbausteine zu verschiedenen Zeitpunkten während des Reibungsprozesses untersuchten: Die Sternpolymere überlappen kaum, sondern verformen sich beim Aneinandervorbeischieben im Ganzen, wie weiche homogene Körper.

Bei niedrigen Reibungsgeschwindigkeiten platten sich die Knäuel symmetrisch ab und schieben sich rotierend aneinander vorbei. Bei hoher Geschwindigkeit bleibt den Polymerfäden aber nicht ausreichend Zeit, den Weg frei zu machen. Wie Bugwellen müssen die Sternpolymere jeweils einen Teil des Partnermoleküls vor sich herschieben, so dass auch beim Trennen der beiden Moleküle noch Kraft aufgewandt werden muss und der Eindruck von Anziehung entsteht.

Basierend auf ihren Modellen kann das Jülicher Team nun vorhersagen, welcher Kraftaufwand für Reibungsprozesse von Sternpolymeren mit unterschiedlicher Armzahl und bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten nötig ist. „Das mikroskopische Verhalten hat messbaren Einfluss auf die makroskopischen Eigenschaften solcher Systeme“, erläutert Winkler. „Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge ist nicht nur interessant für die Grundlagenforschung, sondern ist auch erforderlich um nanoskalige Materialien und Maschinen zu entwickeln.“ Weitere Untersuchungen sollen folgen und ein besseres Verständnis molekularer Reibung ermöglichen.

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