Das mehratomige Schlüsselion der Chemie im Universum entschleiert

19.01.2012 - Deutschland

In der Chemie in interstellaren Wolken spielt das dreiatomige Wasserstoffion eine Schlüsselrolle. In diesen Reaktionen entstehen auch einfache organische Moleküle. Obwohl H3+ das einfachste mehratomige Molekülion ist, war bisher sein Schwingungsspektrum bei hohen Anregungen weder experimentell exakt bekannt noch theoretisch verstanden. Präzise Messungen am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg lieferten nun die entscheidenden Hinweise für eine dramatische Verbesserung der quantentheoretischen Berechnungen.

MPIK, O. Novotný

Laserspektroskopie von dreiatomigen Wasserstoffionen wird am MPI für Kernphysik bei etwa -210°C in dieser kryogenen Ionenfalle durchgeführt, einem 22-poligen Ionenkäfig, weiterentwickelt aus der ursprünglichen Konstruktion von D. Gerlich an der Universität Freiburg.

Die Elektronenverteilung in einem Molekül bestimmt die stabile Lage der Atomkerne und die Frequenzen, mit denen sie um diese Positionen schwingen können. Grund- und Obertonfrequenzen der Schwingungen bilden eine Art Fingerabdruck der Molekülstruktur. Auch zeigen sie, wie stark die Elektronenwolke Deformationen des Moleküls entgegenwirkt. Um die Kräfte im Molekül auch bei starker Deformation zu verstehen, ist es erforderlich, die Frequenzen sehr schwacher hoher Obertöne zu messen. Selbst für das einfachste neutrale Molekül, H2, gelang es erst vor drei Jahrzehnten, experimentelle und quantentheoretisch berechnete Werte exakt in Übereinstimmung zu bringen.

Fügt man ein weiteres Proton zu H2 dazu, resultiert H3+, das einfachste mehratomige Ion. Mit diesem einzigen hinzugefügten Proton steigen die Herausforderungen enorm, und zwar sowohl für die Messung der schwachen hohen Oberton-Schwingungsfrequenzen als auch für deren exakte quantentheoretische Berechnung. Obwohl H3+ im interstellaren Raum ein häufiges und chemisch sehr aktives Molekülion ist, kann es im Labor nur in extremer Verdünnung hergestellt werden, zumeist in Entladungsplasmen. Dazu kommt, dass in solchen Umgebungen die Temperatur der H3+-Ionen sehr hoch ist, was zu einem nahezu undurchdringlichen Wald von Frequenzen führt, bei denen diese Ionen zu Schwingungen angeregt werden können. Schließlich hat nur nicht deformiertes kaltes H3+ eine hochsymmetrische dreieckige Form, während das stark deformierte Ion alle Arten von asymmetrischen dreieckigen und selbst lineare Formen annehmen kann.

Die experimentellen Herausforderungen konnten nun am MPI für Kernphysik gemeistert werden. In einer kryogenen Ionenfalle gelingt es seit einiger Zeit, mittels eines Puffergases H3+-Ionen abzukühlen und bei etwa -210°C mit präziser Laserspektroskopie zu untersuchen. In den neuen Experimenten wurde sichtbares Licht anstelle des bisher verwendeten Infrarotlichts eingesetzt, um die Ionen in Schwingungen zu versetzen. So konnten Schwingungen bis zum achten Oberton als extrem schwache Resonanzen angeregt werden. Die Wissenschaftler suchten weite Bereiche rund um die nur ungenau vorhergesagten Frequenzen ab und fanden so erstmals Obertonlinien weit im sichtbaren Spektralbereich.

Die präzise gemessenen Obertonfrequenzen gaben einer internationalen Gruppe von Theoretikern die entscheidenden Hinweise, wie sie ihre quantentheoretischen ab-initio-Berechnungen des H3+-Ions dramatisch verbessern konnten. So zeigen nun zum ersten Mal Messungen und Rechnungen für ein mehratomiges Molekül bis hin zu starker Deformation genaue Übereinstimmung untereinander – dreißig Jahre nachdem dies für das zweiatomige Wasserstoffmolekül gelang.

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