Kalk von seiner stabilen Seite
Chemiker der Universität Konstanz untermauern alternatives Modell der Kristallisation von Kalk
Von der Muschelschale über die Stacheln des Seeigels bis hin zu optischen Linsen: Die Natur macht sich Kalziumkarbonat für die mannigfaltigsten Formen und Funktionen zunutze. Diese Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten und seine Materialeigenschaften – etwa sein hoher Grad an Bruchfestigkeit in den ausgeklügelt strukturierten Biomineralien – machen Kalziumkarbonat und sein Kristallisationsverhalten nicht nur für die Baustofftechnik interessant. Auch das Wissen, wie seine Kristallisierung und somit Kalkablagerungen verhindert werden kann, ist für Industrie und Haushalte von großer Bedeutung.
Seit den 1930er-Jahren vermeinten Wissenschaftler, den Vorgang der Kalkbildung vom ionischen, gelösten Zustand zum festen Kristall zu kennen. Im Jahr 2008 jedoch widersprachen Konstanzer Chemiker der etablierten Meinung, die Kalziumkarbonatkeime seien in den frühen Phasen der Kristallisierung instabil. Anstelle dessen brachten sie ein alternatives Modell ein, wonach die Kalzium- und Karbonat-Ionen bereits in der frühen Phase der Ausfällung stabile Cluster, das heißt kleinste Zusammenlagerungen von Ionen bilden.
Mit ihren jüngsten Untersuchungen bestätigen die Konstanzer Forscher um Dr. Denis Gebauer nun quantitativ ihre Theorie, dass Kalziumkarbonatkeime vor der Phasenumwandlung thermodynamisch stabil sind, und liefern ein strukturelles Modell der Clusterbildung von Kalzium-Ionen und Karbonat-Ionen. „Der Clou unserer Ergebnisse ist die Konfiguration der Ionen: Die kleinen Cluster besitzen nicht die Struktur von Partikeln, sondern sind als ketten- oder ringförmige Polymere angeordnet: Sie ordnen sich in einer Kette an, die hochdynamisch ist und sich ständig umlagert“, erläutert Denis Gebauer.
Mit ihren aktuellen Ergebnissen geben die Konstanzer Chemiker ihrem zuvor in „Science“ veröffentlichten Modell der Kristallbildung von Kalk einen theoretischen Hintergrund. Ihre Strukturinformationen zur Anordnung der Ionen vermitteln neue Ansatzpunkte für die Nutzbarmachung von Kalziumkarbonat in der Materialwissenschaft sowie für die Entwicklung von effizienteren Entkalkern, die bereits in frühen Phasen verhindern, dass sich größere Kalkpartikel überhaupt bilden können.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für die chemische Industrie, Analytik, Labor und Prozess bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.