Mit einem guten Draht zur Nanoelektronik
Leitfähigkeitsmessungen an Graphen-Nanobändern liefern Hinweise, wie sich molekulare Leiter optimieren lassen
Anschließend bestimmten sie in diffizilen Messungen mit einem Rastertunnelmikroskop, wie die Leitfähigkeit des Kohlenstoffstreifens von dessen Länge und der Energie der Elektronen abhängt. Auf diese Weise haben sie mehr darüber erfahren, wie Ladung in Form von Elektronen durch den Nanodraht transportiert wird und wie sich die Leiterbahnen für mögliche Anwendungen in der Nanoelektronik verbessern lassen.
Dünner kann ein Draht nicht sein. Doch die Rekordmaße von Graphendrähten bieten nicht nur neue Möglichkeiten, sie stellen Physiker auch vor einige Herausforderungen. Diese haben Leonhard Grill und seine Mitarbeiter am Berliner Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft nun angenommen. Das begann damit, dass sie – basierend auf ihren eigenen und anderen Arbeiten – vom Reißbrett ein schmales Graphenband herstellten. Zunächst dampften sie molekulare Schnipsel der Streifen auf eine Oberfläche. Die Moleküle waren gerade so mit chemischen Kupplungen versehen, dass sie sich zunächst zu einer langen Kette verbanden und anschließend ein flaches, starres Band bildeten.
Dann aber legten die Forscher um Leonhard Grill mit ihrem eigentlichen Vorhaben los: Sie maßen die Leitfähigkeit eines einzelnen Nanodrahtes, und zwar in Abhängigkeit von seiner Länge. „Auf diese Weise erfahren wir, wie der Ladungstransport in dem Graphen-Nanoband funktioniert“, erklärt Leonhard Grill. Vor allem finden die Forscher so heraus, ob es sich bei Ihrem Nanodraht um einen perfekten Leiter handelt, dessen Leitfähigkeit sich mit der Länge nicht ändert. Ihre Erkenntnisse gewannen die Forscher in einem heiklen Experiment: Sie bestimmten bei verschiedenen Spannungen, das heißt Elektronenenergien, den Stromfluss durch ein einzelnes Graphenband, das die Spitze eines Rastertunnelmikroskops mit einer Goldoberfläche verband, und zwar über unterschiedliche Abstände.
Die Leitfähigkeit von Nanodrähten zu messen, erfordert Fingerspitzengefühl
Zu diesem Zweck zogen sie zunächst den Nanodraht von seiner Unterlage in die Höhe. In etwa so, wie man mit einem feuchten Finger eine Plattpapier aufnimmt, nur das der Griff nach dem Nanodraht ungleich mehr Fingerspitzengefühl erfordert. „Vor allem bei höheren Spannungen zwischen der Spitze und der Goldoberfläche löst sich der Draht leicht ab“, erklärt Matthias Koch, der die Experimente im Rahmen seiner Doktorarbeit vornahm. „Wir beherrschen inzwischen zwar einige experimentelle Tricks, wie wir die Graphenbänder mit der Spitze festhalten können, wir brauchen aber immer noch viele Versuche.“
Die Messungen ergaben nun, dass der Strom durch den Graphendraht nicht mit relativ geringem Widerstand wie durch ein Kupferkabel floss. Vielmehr gelangten die Elektronen über einen quantenmechanischen Prozess durch den Nanodraht: Sie tunnelten durch ihn hindurch. Dieses Tunneln beherrschen nur Quantenteilchen, und sie zeigen es immer dann, wenn ihnen eine Barriere Widerstand leistet, die sie nach der Gesetzen der klassischen Physik nicht überwinden könnten. Nur aufgrund ihrer Quanteneigenschaften finden die Teilchen trotzdem durch die Barriere. Je größer aber die Distanz ist, die Elektronen dabei überwinden müssen, desto weniger schaffen es auf die andere Seite. „Die Leitfähigkeit hängt in dem Nanodraht also stark von dessen Länge ab“, sagt Matthias Koch. Zudem fließt in dem Tunnelprozess insgesamt deutlich weniger Strom als beim Ladungstransport in einem herkömmlichen Leiter.
Der Rand des Graphenstreifens beeinflusst den Ladungstransport
Darüber hinaus zeigten die Wissenschaftler erstmals, wie der Ladungstransport von der Elektronenenergie abhängt. Wenn sie die Elektronenenergie so wählen, dass sie zur Energie der Molekülorbitale passt, dann verbessert sich der Ladungstransport schlagartig. Orbitale sind die Räume, in denen sich in Atomen und Molekülen Elektronen mit jeweils genau definierter Energie aufhalten „Dabei dienen die Molekülorbitale als Kanäle die sich über das ganze Molekül erstrecken und effizienten Ladungstransport ermöglichen“, sagt Leonhard Grill. „Befindet man sich energetisch außerhalb dieser Kanäle, dann schränkt das den Ladungstransport dramatisch ein.“ Dieses Verhalten wurde schon lange vermutet, die Berliner Forscher haben es nun aber erstmals an einem einzelnen Molekül demonstriert.
Für die Physiker stellen die Graphenbänder also interessante Forschungsobjekte dar, für Anwendungen in der Nanoelektronik eignen sie sich aber noch nicht gut. Immerhin weist den Berliner Forschern ein weiterer Befund aus ihren Experimenten einen Weg zu einem perfekten Nanodraht: So hängt die Art und Weise des Elektronentransports davon ab, wie der Rand des Streifens geformt ist. Die Wissenschaftler unterscheiden eine Zickzack- und eine Sesselstruktur. In der Sesselstruktur ordnen sich die Kohlenstoffatome so an, dass ihre Silhouette an eine Reihe von Sitzflächen und Armlehnen erinnert, während sie im Zickzackmuster einem schlichten Auf und Ab folgen.
In einem gebogenen Draht verändert sich die Leitfähigkeit
Damit ein solcher Nanodraht tatsächlich eine perfekte – von der Moleküllänge unabhängige – Leitfähigkeit zeigt, müssen die Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts jedoch auch ihr Experiment verändern. Wenn nämlich die Spitze des Rastertunnelmikroskops das Graphenband von dessen Unterlage hebt, biegt sich der Streifen leicht. Dadurch verändern sich seine elektronischen Eigenschaften, etwa so wie Wasser durch ein gerades Bachbett ungehindert fließt, während es in engen Schleifen stark verwirbelt wird. „Wir haben Hinweise gefunden, dass wir in einem ungebogenen Graphenband eine herausragende Leitfähigkeit beobachten können“, sagt Leonhard Grill.
Daher wollen die Physiker nun Experimente konzipieren, die Leitfähigkeitsmessungen mit geraden Nanodrähten erlauben. Einfach an einem Graphenband zu messen, das auf einer ebenen Fläche liegt, führt dabei nicht ohne weiteres zum Ziel. „Die Leitfähigkeit des Kohlenstoffstreifens wird in einem solchen Versuchsaufbau von der Unterlage beeinflusst“, erklärt Leonhard Grill. Also sucht seine Gruppe Wege, diese Wechselwirkung zu umgehen. Darüber hinaus wollen die Berliner Wissenschaftler Moleküldrähte mit unterschiedlichen Strukturen und Zusammensetzungen untersuchen – immer mit Blick darauf, Molekülen das Rechnen beizubringen, wie Leonhard Grill erklärt: „Wir wollen mit unserer Arbeit grundlegendes Verständnis derphysikalischen Prozessen in solchen Systemen gewinnen, um letztlich nicht nur den perfekten Nanodraht zu finden, sondern auch andere elektronische Bauteile aus einzelnen Molekülen zu konstruieren.“