Molekulare Scharniere öffnen Pfade

Austausch von Chloridionen gegen Bismutatome unter Strukturerhalt

04.03.2014 - Deutschland

Im Alltag nutzt man Ionenaustauscher z. B. zur Wasserentkalkung, indem Calciumionen gebunden und im Gegenzug Natriumionen freigesetzt werden; aber auch in der Technik werden Ionenaustauscher breit angewendet. Als Austauscher eignen sich Materialien mit großen spezifischen Oberflächen wie Harze, Zeolithe oder Schichtsilicate. Deutsche Wissenschaftler zeigen jetzt, dass auch kompakte, kristalline Strukturen intermetallischer Verbindungen, denen eigentlich die Diffusionswege für einen effizienten Stofftransport fehlen, Ionen austauschen können. In der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten sie über einen vollständigen Austausch der Chloridionen von Bi12Rh3Cl2-Kristallen durch Bismutatome.

Das Team der Technischen Universität Dresden um Michael Ruck wurde bei Forschungen an Subhalogeniden des Bismuts auf dieses unerwartete Phänomen aufmerksam. Subhalogenide sind Verbindungen, die gegenüber rein ionischen Metallhalogeniden weniger Halogenidionen aufweisen und damit Bereiche mit direkten Bindungen zwischen Metallatomen. Subhalogenide mit Bismut und Rhodium kennt man mit intermetallischen Teilstrukturen, deren Ausdehnung von Clustern bis hin zu dreidimensionalen Netzwerken variiert. Bei Bi12Rh3Cl2 liegen intermetallische Netzwerke aus kantenverknüpften [RhBi8]-Würfeln und quadratischen [RhBi8]–Antiprismen vor.

Plan der Forscher war es, die Halogenatome mit einer n-Butyllithium-Lösung unter milden Bedingungen „herauszuziehen“, ohne die intermetallischen Bereiche zu zerstören. Wie erhofft ließen sich die Chloridionen extrahieren, obwohl sie in den engen Kanälen des intermetallischen Netzwerkes fest eingeschlossen schienen. Noch überraschender war, dass die entstehenden Leerstellen in der Kristallstruktur durch Bismut-Atome aufgefüllt wurden. Sie stammen aus einer kaum wahrnehmbaren chemische Zersetzung der Kristalloberfläche.

Das Produkt ist ein metastabiler Supraleiter der Zusammensetzung Bi12Rh3Bi2 mit der gleichen Struktur wie das Subchlorid. Während der Reaktion bleibt die Kristallmorphologie unverändert. „Die Transformation muss also auf einem effizienten Transport von Chloridionen aus dem und Bismutatomen in das Netzwerk beruhen“, so Ruck. Kristallographische Untersuchungen ergaben eine leichte Änderung der Torsionswinkel der [RhBi8]-Antiprismen. „Die Antiprismen wirken wie Scharniere im Netzwerk“, erläutert Ruck. „Durch zwischenzeitliche Winkeländerung öffnen sich breite Diffusionspfade parallel zu allen intermetallischen Strängen. Da sich die Diffusionswege kreuzen, resultiert ein dreidimensionales Transportsystem.“

Obwohl sich das intermetallische Netzwerk nur geringfügig ändert, unterscheiden sich die elektronischen Eigenschaften deutlich: Metallische Leitfähigkeit zeigt das Subchlorid nur entlang spezieller Richtungen, die durch nichtleitende Strukturteile isoliert sind. Bei der intermetallischen Verbindung sind die leitfähigen Stränge dagegen durch die zusätzlichen Bismut-Atome metallisch verbunden und untereinander elektrisch kontaktiert, sodass ein dreidimensionales Metall entsteht.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...