Neue Experimente mit Heliumatomen: Bin ich da, bin ich weg…
Neue Experimente mit Heliumatomen ermöglichen es, die Elektronenkorrelation beliebig ein- und auszuschalten
MBI
Im Experiment wurden Heliumatome durch die Absorption eines einzelnen Photons im ultravioletten Spektralbereich ionisiert. Dies war möglich, weil die Atome durch Stöße mit energiereichen Elektronen in einer Entladungsquelle in einen langlebigen angeregten Zustand gebracht wurden. Die Energie des anregenden Photons wurde so eingestellt, dass sie gerade zur Ionisation des Atoms ausreichte. Damit wurden 99,9% der Photonenenergie zur Überwindung der Bindungsenergie des Elektrons aufgewendet und nur 0,1% an das nach der Ionisation befreite Elektron als Bewegungsenergie abgegeben. Die entstehenden Photoelektronen waren damit sehr langsam. Im Experiment wurden sie auf einen zweidimensionalen Detektor beschleunigt, wo ihre Auftrefforte gemessen wurden. Die Auftrefforte bilden die Geschwindigkeiten der Elektronen in der Detektorebene ab.
Wie eindrucksvoll in dem berühmten Doppelspaltexperiment zur Interferenz einzelner Elektronen demonstriert, das in einer Abstimmung von „Physicsworld“ vor einigen Jahren zum „Allerschönsten Physik-Experiment“ gekürt wurde, haben Elektronen sowohl Teilchen- als auch Wellencharakter. Dafür verantwortlich ist die Quantenmechanik. Die Welleneigenschaften von Materie werden durch eine nach dem französischen Physiker de Broglie benannte Wellenlänge beschrieben, die jedem sich bewegenden Teilchen zugewiesen werden kann. Je niedriger die kinetische Energie des Elektrons ist, desto größer wird die de Broglie Wellenlänge. Ist die Energie des Elektrons nur klein genug, wird die de Broglie Wellenlänge in der makroskopischen Welt beobachtbar. In den in dieser Woche veröffentlichten Photoionisations-Experimenten führt die Wellennatur der langsamen Elektronen zur Beobachtung einer Reihe von Interferenzringen, wobei konstruktive und destruktive Interferenzen sich auf dem Detektor abwechseln (siehe Abbildung 1).
Dieses Interferenzphänomen ist durch Experimente unseres Teams in den letzten Jahren immer genauer vermessen worden. In der Tat haben unsere vorherigen Experimente die Existenz von zwei verschiedenen Mechanismen für die Entstehung der Interferenzen zu Tage gefördert. In Experimenten mit Wasserstoffatomen wurde gezeigt, dass die Interferenzen mit der Knotenstruktur der Wellenfunktion zusammenhängen kann, die durch Photoabsorption im Atom angeregt wurde. In Experimenten mit größeren Atomen mit vielen Elektronen, wie etwa den genau vermessenen Xenonatomen, wurde gezeigt, dass die Interferenzen auch das Resultat von Unterschieden in der Länge möglicher Wege des Elektrons zum Detektor sein können. Salopp gesagt: Zwei Wege, die sich um eine ganzzahlige Anzahl von de Broglie Wellenlängen unterscheiden, werden zu konstruktiver Interferenz, zwei Wege, die sich um eine halbzahlige Anzahl von de Broglie Wellenlängen unterscheiden, werden zu destruktiver Interferenz führen.
Wie nun in der aktuellen Studie gezeigt, treten bei Heliumatomen beide Mechanismen auf. Interessanterweise reicht eine kleine Änderung (<< 1%) in der Stärke eines angelegten, äußeren elektrischen Feldes aus, um das beobachtete Interferenzmuster zu verändern. Wie sich zeigt, lassen sich damit „wasserstoffähnliche“ Heliumatome, bei denen die Knotenstruktur der Wellenfunktion das Interferenzmuster bestimmt, in „xenonartige“ Heliumatome überführen, bei denen die auftauchende Elektronenkorrelation die „wasserstoffähnliche“ Wellenfunktion zerstört. Auf diese Weise wird das Heliumatom zu einem wunderbaren Nano-Labor für das kontrollierte Ein- und Ausschalten der Elektronenkorrelation.
Originalveröffentlichung
Stodolna, A.S., et al., Visualizing the coupling between red and blue Stark states using photoionization microscopy. Phys. Rev. Lett. (in press), 2014.
Stodolna, A.S., et al., Hydrogen Atoms under Magnification: Direct Observation of the Nodal Structure of Stark States. Physical Review Letters, 2013. 110(21): p. 213001.