Leichte Atomkerne und ihre Antikerne im präzisen Vergleich

21.08.2015 - Deutschland

In einer aufwändigen Messung an ALICE (A Large Ion Collider Experiment) am Kernforschungszentrum CERN in Genf hat ein Team aus mehreren Hundert internationalen Wissenschaftlern, darunter auch drei von der Universität Tübingen, die Eigenschaften von leichten Atomkernen und ihren Antikernen vergleichend untersucht. An dem Versuchsaufbau waren von der Universität Tübingen Professor Hans Rudolf Schmidt, Dr. Jens Wiechula (jetzt Universität Frankfurt) und Benjamin Hess vom Physikalischen Institut beteiligt. Mit größerer Präzision als bisher hat das Wissenschaftlerteam gemessen, dass sich leichte Atomkerne und ihre Antikerne genau symmetrisch zueinander verhalten.

Die gewöhnliche Materie, die wir auf der Erde kennen, hat einen schwer fassbaren Gegenpart, die Antimaterie. Normale Materie besteht aus Atomen, die sich wiederum als ein ganzes System wechselwirkender Teilchen beschreiben lassen. Zu jedem Teilchen gibt es in der Antimaterie ein Antiteilchen mit den gleichen Eigenschaften, aber entgegengesetzter elektrischer Ladung. In Gegenwart von gewöhnlicher Materie kann die Antimaterie nicht existieren und kommt auf der Erde nicht vor. Doch sie kann in einem großen Teilchenbeschleuniger wie am CERN für einen kurzen Moment erzeugt werden. Damit Antimaterie entstehen kann, muss normale Materie im Experiment auf über eine Billion Grad Celsius aufgeheizt werden.

Das ALICE-Team hat seine Messungen an Deuterium-Kernen, das sind schwere Wasserstoffkerne, die neben dem Proton ein zusätzliches Neutron enthalten, und ihren Antikernen durchgeführt. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler Helium-3-Kerne, die gegenüber normalem Helium aus zwei Protonen und zwei Neutronen ein Neutron weniger enthalten, und ihrem Antistück. Die Wissenschaftler bestimmten jeweils das Verhältnis von Masse zu Ladung. Messungen zu den gleichen Eigenschaften wurden zuvor mit großer Präzision an Protonen und Antiprotonen durchgeführt, die bereits eine genaue Symmetrie ergeben hatten. Diese Erkenntnisse haben die Wissenschaftler mit der neuen ALICE-Studie weitergetrieben, denn im Atomkern sind die Protonen mit Neutronen verbunden, sodass sich Unterschiede in der Bindung gegenüber den entsprechenden Antiprotonen zu den Antineutronen ergeben könnten.

Die technischen Herausforderungen bei einem solchen Experiment sind im Großen wie im Kleinen riesig: Einerseits müssen mit Hilfe immenser Energien bei der Kollision von Blei-Ionen die leichten Antikerne erzeugt werden, andererseits müssen die Detektoren bei der Messung der Kerne und Antikerne verschwindend kleine Energiemengen präzise erfassen. Bei der Kollision der Blei-Ionen im ALICE-Experiment wurden Kerne und entsprechende Antikerne in fast gleicher Rate erzeugt. Dadurch konnten ihre Eigenschaften über die Bestimmung der Trajektorien im Magnetfeld der Detektoren sowie über ihre Flugzeit bis zum Auftreffen auf den Detektor sehr genau verglichen werden.

Die gemessenen Unterschiede im Masse-Ladungs-Verhältnis der Deuterium-/Antideuteriumkerne sowie der Helium-3-Kerne/-Antikerne können die Forscher unter Einbeziehung der geschätzten Messunsicherheiten als mit Null vereinbar angeben. Damit bestätigen sie eine fundamentale Symmetrie, das sogenannte CPT-Theorem, das besagt, dass leichte Atomkerne und ihre Antikerne den gleichen physikalischen Gesetzen unterliegen. Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung bestätigen das Standardmodell der Elementarteilchen und ihrer Kräfte und sind für kosmologische Forschungen von hoher Relevanz.

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