Forscher „zähmen“ reaktives Molekül bei hohem Druck
Hoher Druck und hohe Temperaturen machen Kohlensäure stabil
Mithilfe einer Diamantstempelzelle und eines CO2-Lasers rekonstruierten die Mainzer Forscher Umweltbedingungen, die in rund 80 Kilometern Tiefe des Erdinnern vorliegen. Bei einem Druck von bis zu 9,1 Gigapascal (GPa) und Temperaturen von 1.200 °C (eine Hitze, wie an der Oberfläche eines Vulkans) untersuchten sie das Verhalten von CO2 und H2O. Dabei entdeckte das Forscherteam, bestehend aus Wissenschaftlern der Abteilung Atmosphärenchemie und der Hochdruckforschungsgruppe unter Leitung von Mikhail Eremets, Erstaunliches: Ab einem Druck von 2,4 GPa und Temperaturen über 97 °C ist in flüssigem Wasser gelöste Kohlensäure stabil.
„Ursprünglich geplant war eine Messreihe zur Reaktivität von kohlenstoffhaltigen Fluiden mit unterschiedlichen Verhältnissen von Wasserstoff und Sauerstoff im Inneren der Erde, d. h. unter extrem hohem Druck“, erklärt Janek Zeuschner den Beginn der Studie, der als Doktorand des Max Planck Graduate Centers an diesem Projekt mitarbeitete. Um den Versuchsaufbau an einem verwandten System zu testen, wählten sie eines der am besten untersuchten aus: CO2 und H2O.
Wasser und Kohlendioxid sind jedoch unter den untersuchten Drücken bei Raumtemperatur fest. Da chemische Reaktionen in diesem Zustand nur sehr langsam ablaufen, erhitzten die Wissenschaftler die Probe mithilfe eines CO2-Lasers. Erstaunt stellten Sie schließlich fest, dass dabei ab Drücken über 2,4 GPa Kristalle in der Diamantstempelzelle entstanden waren. Janek Zeuschner bemerkte als erster, welche Bedeutung die daraufhin angefertigten Raman- und Infrarotspektren haben könnten: die Bildung fester Kohlensäure. „Vorherige Studien hatten keine Hinweise geliefert, dass CO2 und H2O bei hohem Druck Kohlensäure in beträchtlichen Mengen bilden könnten“, erklärt Janek das Unerwartete an dieser Entdeckung. Weitere Experimente zeigten, dass die Kristalle sich bei niedrigeren Temperaturen in flüssigem Wasser auflösen, aber stabile Kohlesäuremoleküle in Lösung verbleiben und mehr davon entstehen, je höher die Lösung erwärmt wurde.
„An diesem Punkt wurde uns klar, dass, entgegen der gängigen Meinung, Kohlensäure tatsächlich ein ziemlich typisches Molekül in Tiefen von mehr als 80 km auf der Erde sein könnte. Denn im Innern der Erde liegen genau diese Bedingungen vor: Extrem hoher Druck und gleichzeitig sehr hohe Temperaturen“, erklärt Hongbo Wang aus der Hochdruckforschungsgruppe die Ergebnisse der Studie.
Und noch etwas stellten die Wissenschaftler in Ihrer Versuchsreihe fest: Beim Erhitzen der Probe mit einem Laser, wird am „hinteren“ Ende des bewegten Laserspots die Probe sehr schnell wieder fest und friert in gewissen Sinne die Probe in dem Zustand ein, in dem sie sich bei hoher Temperatur befunden hat. Das heißt, dass sehr viel Kohlensäure in der Lösung ist, mehr als sich in Wasser bei niedrigen Temperaturen (z.B. in der Nähe der Schmelztemperatur) lösen kann. Da die „überschüssige“ Kohlensäure in Lösung nicht mehr stabil ist, bildet sich feste Kohlensäure. Durch den schnellen Temperaturabfall am Rand des Laserspots gefriert dann das Wasser (durch den hohen Druck) um die feste Kohlensäure herum, bevor diese sich wieder auflösen kann. „Wir können die feste Kohlensäure also bei Raumtemperatur und bis zur Schmelztemperatur des Wassers beim eingestellten Druck beobachten, nachdem wir mit dem Laser über die Probe gefahren sind“, so Chemiker Janek Zeuschner weiter.
Die Entdeckung könnte im weiteren Verlauf sowohl Auswirkungen auf das gegenwärtige Verständnis der physikalischen Eigenschaften (bspw. die elektrische Leitfähigkeit) unterirdischer Fluide, die molekulare Kohlensäure transportieren, als auch auf die Theorien der chemischen Evolution in diesen Fluiden und damit auf die Entstehung des Lebens haben, vermuten die MPIC-Forscher. „Dass Kohlensäure unter bestimmten Bedingungen eine stabile und damit quantitativ relevante Substanz in der Erde ist, ändert unser Verständnis dieser am globalen Kohlenstoffkreislauf beteiligten Spezies grundlegend“, fasst es Jonathan Williams, Gruppenleiter in der Abteilung Atmosphärenchemie, zusammen.