Hochpräzise Magnetfeld-Messung
Hochempfindlicher Sensor könnte in der Medizin und anderswo breite Anwendung finden
ETH Zürich / Peter Rüegg
«Solche geringen Abweichungen konnte man bisher nur in schwachen Magnetfeldern messen», sagt Klaas Prüssmann, Professor für biologische Bildgebung an der ETH Zürich und der Universität Zürich. Das Erdmagnetfeld mit seinen wenigen Dutzend Mikrotesla ist so ein schwaches Magnetfeld. Für solche Felder gebe es bereits sehr empfindliche Messmethoden, welche Abweichungen von rund einem Billionstel Teil des Feldes erkennen könnten, sagt Prüssmann. «Jetzt haben wir für starke Felder von mehr als einem Tesla, wie sie unter anderem in der medizinischen Bildgebung verwendet werden, eine ähnlich sensitive Methode.»
Neuentwickelter Sensor
Für die Messung verwendeten die Wissenschaftler das Prinzip der Kernspinresonanz. Diese liegt auch der bildgebenden Magnetresonanztomografie zugrunde sowie den Spektroskopiemethoden, mit denen Biologen die 3D-Struktur von Molekülen aufklären.
Um die Abweichungen zu messen, mussten die Wissenschaftler allerdings einen neuen, hochpräzisen Sensor bauen. Teil davon ist ein sehr empfindlicher digitaler Radioempfänger. «Damit konnten wir bei der Messung das Hintergrundrauschen auf ein extrem geringes Mass reduzieren», sagt Simon Gross. Er hat in Prüssmanns Gruppe seine Doktorarbeit zum Thema verfasst und ist Erstautor der in der Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlichten Arbeit.
Störung durch Antenne ausgeschaltet
Bei der Kernspinresonanz werden in einem Magnetfeld liegende Atomkerne mit Radiowellen angeregt. Diese senden dadurch selbst schwache Radiowellen aus, die mit einer Radioantenne gemessen werden und deren exakte Frequenz Hinweise auf die Stärke des Magnetfelds geben.
Wie die Wissenschaftler betonen, war es eine Herausforderung, den Sensor so zu bauen, dass die Radioantenne die Messungen nicht verfälscht. Denn die Antenne ist aus Kupfer, und die Wissenschaftler müssen sie in unmittelbarer Nähe des zu messenden Wassertröpfchens platzieren. Im starken Magnetfeld wird die Antenne ebenfalls magnetisiert. Dadurch verändert sich auch das Magnetfeld im Innern des Tröpfchens.
Die Forschenden verwendeten daher einen Trick: Sie gossen Tröpfchen und Antenne in ein speziell präpariertes Polymer. Dessen Magnetisierbarkeit (magnetische Suszeptibilität) entsprach exakt jener der Kupferantenne. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den störenden Einfluss der Antenne auf die Wasserprobe ausschalten.
Breite Anwendung erwartet
Mit ihrer Messmethode für sehr kleine Magnetfeldänderungen können die Forscher nun auch den Ursachen solcher Änderungen nachgehen. Die Wissenschaftler erwarten Anwendungen ihrer Technik in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, einige davon in der Medizin. Allerdings stecken diese Anwendungen grösstenteils noch in den Kinderschuhen.
«In einem MRI-Gerät werden die Moleküle im Körpergewebe minim magnetisiert – insbesondere die Wassermoleküle, die auch im Blut vorhanden sind», erklärt Doktorand Gross. «Der neue Sensor ist so empfindlich, dass wir damit mechanische Vorgänge im Körper messen können, etwa die periodischen Kontraktionen des Herzens durch den Herzschlag.»
In einem Experiment platzierten die Wissenschaftler ihren Sensor einer freiwilligen Versuchsperson im einem MRI-Gerät vor der Brust. So konnten sie periodische Magnetfeldänderungen nachweisen, die im Gleichtakt mit dem Herzschlag pulsierten. Die Messkurve erinnert an ein Elektrokardiogramm (EKG), misst aber im Gegensatz zu letzterem nicht die elektrische Reizleitung, sondern mechanische Prozesse (die Herzkontraktion). «Wir sind daran, unsere Magnetometer-Messung gemeinsam mit Kardiologen und Signalverarbeitungsexperten auszuwerten und weiterzuentwickeln», sagt Prüssmann. «Letztlich hoffen wir, dass unser Sensor Informationen zu Erkrankungen des Herzens liefern kann – und dies nicht-invasiv und in Echtzeit.»
Zur Entwicklung besserer Kontrastmittel
Auch bei der Entwicklung neuer Kontrastmittel für die Magnetresonanztomographie könnte die neue Messtechnik zur Anwendung kommen: Der Bildkontrast beim MRI beruht zu einem grossen Teil darauf, wie schnell ein magnetisierter Kernspin in seinen Gleichgewichtszustand zurückfällt. Fachleute sprechen dabei von Relaxation. Mit Kontrastmitteln, welche bereits in geringen Konzentrationen die Relaxationseigenschaften der Kernspins beeinflussen, versucht man, bestimmte Strukturen im Körper hervorzuheben.
In starken Magnetfeldern konnten Wissenschaftler bisher aus Gründen der Empfindlichkeit nur zwei der drei räumlichen Kernspin-Komponenten und deren Relaxation messen. Die besonders bedeutende Relaxation in der dritten Dimension mussten sie indirekt bestimmen. Die neue präzise Messtechnik erlaubt es erstmals in starken Magnetfeldern, alle drei Dimensionen der Kernspins direkt zu messen.
Dank der direkten Messung aller drei Kernspin-Komponenten wären in Zukunft auch Weiterentwicklungen bei der Kernspinresonanz-Spektroskopie für die Biologie und die Chemie denkbar.