Tests der Quantenmechanik mit massiven Teilchen
Erste Obergrenze für den Einfluss von Vielpfadinterferenz
Copyright: Group for Quantum Nanophysics, Faculty of Physics, University of Vienna; Image-Design: Christian Knobloch
Die Quantenmechanik beschreibt sehr erfolgreich das Verhalten von Partikeln auf den kleinsten Masse- und Längenskalen. Die offensichtliche Unvereinbarkeit dieser Regeln mit unserer alltäglichen Erfahrung motiviert ForscherInnen seit langem zu einer Suche nach minimalen Änderungen der Quantenmechanik, die es erlauben den Übergang von der Quantenwelt in die klassische zu beschreiben. Ein möglicher Indikator für solch einen Übergang ist Vielpfadinterferenz. In der Standardquantenmechanik kann man jedes Interferenzmuster über die Kombination aller möglichen Pfadpaare nachbilden, unabhängig davon, wie viele Pfade die Welle tatsächlich nutzt. Jedes verbleibende Muster wäre die Folge von Vielpfadinterferenz und könnte auf neue physikalische Phänomene hinweisen.
Während bisherige Tests mit Licht oder Mikrowellenstrahlung durchgeführt wurden, stellt das Experiment der ForscherInnen aus Wien und Tel Aviv den ersten dezidierten Test mit massiven Teilchen dar. "Die Idee ist schon seit mehr als 20 Jahren bekannt. Doch erst jetzt haben wir die technologischen Möglichkeiten solch ein Experiment mit massiven Teilchen in die Tat umzusetzen", sagt Christian Brand, einer der Hauptautoren der Studie.
Materiewellenbeugung an einem Mehrfachspalt
In ihren Experimenten an der Universität Wien untersucht die Gruppe für Quantennanophysik um Markus Arndt die Welleneigenschaften von komplexen organischen Molekülen. Um die Moleküle in solch einen nicht-klassischen Zustand zu überführen, wurden sie von einer wenige Mikrometer großen Quelle im Hochvakuum verdampft, wo sie sich ungehindert ausbreiteten. Nach einer gewissen Zeit waren die Moleküle delokalisiert. Das heißt, dass es unmöglich war festzustellen, wo sie sich genau befanden. Sobald ein delokalisiertes Molekül auf ein Gitter traf, war es so, als ob es mehrere Spalte gleichzeitig passierte. Das resultierende Interferenzmuster wurde an einem Detektor aufgenommen und sorgsam ausgewertet. Durch den Vergleich der Beugungsbilder von Einzel-, Doppel- und Dreifachspalten gelang es den WissenschafterInnen Höchstgrenzen für den Anteil von Vielpfadinterferenz anzugeben.
Nanofabrikation: eine wegweisende Technologie
Eine wesentliche Komponente des Experiments war die Maske – eine ultradünne Membran aus Kohlenstoff, in die die verschiedenen Schlitze geschrieben wurden. Sie wurde entworfen und hergestellt von Yigal Lilach und Ori Cheshnovsky an der Universität von Tel Aviv. Die Anforderungen an die Maske waren enorm. So mussten die Abweichungen der Schlitzparameter zu der Größe der Moleküle vergleichbar sein, die an ihnen gebeugt wurden. An diesen Strukturen wurden dann in Wien die Interferenzexperimente durchgeführt. Insgesamt konnte ein großer Bereich an molekularen Geschwindigkeiten in den Experimenten untersucht werden. Dabei hat sich herausgestellt, dass alle untersuchten Geschwindigkeiten den Vorhersagen der Quantenmechanik mit einer maximalen Unsicherheit von einem Prozent folgten. "Das ist der erste explizite Test dieser Art, der mit massiven Teilchen durchgeführt wurde", erklärt Joseph Cotter, der Erstautor dieser Publikation. "Frühere Studien haben wegweisende Experimente mit Licht und Mikrowellenstrahlung durchgeführt. Mit diesem Experiment gelang es uns erstmals Obergrenzen für den Anteil von Vielpfadinterferenz mit Materiewellen festzulegen."