Universelle Regel für Wasserstoff entdeckt
Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts und des Palo Alto Research Center/USA finden allgemeines Gesetz, mit dem man vorhersagen kann, wie Wasserstoff die Eigenschaften von Materialien und Lösungen beeinflusst
Eine der wichtigsten Eigenschaften von Wasserstoff ist seine Fähigkeit, Elektronen aus einem Material aufnehmen bzw. an das Material abgeben zu können. Dank dieser Eigenschaft wirkt Wasserstoff in vielen Materialien wie ein Schwamm er saugt überschüssige Elektronen oder Löcher (fehlende Elektronen) einfach auf. Dieser Effekt wird in der Halbleiterindustrie extensiv genutzt. Beispielsweise bilden sich selbst unter Reinstraum-Bedingungen Defekte, also Unvollkommenheiten, im Material mit häufig fatalen Folgen für die Effizienz und Lebensdauer von Halbleiterbauelementen. Wasserstoff macht solche Defekte dank seines schwammartigen Charakters unschädlich.
Diese Eigenschaft von Wasserstoff wird jedoch nicht nur in der Halbleiterindustrie genutzt, sondern ist einer der fundamentalsten Prozesse in vielen chemischen und biologischen Reaktionen. Beispiele sind Speichersysteme für Wasserstoff, Brennstoffzellen, Katalysatoren, aber auch die Aktivität von Biomolekülen in Lösungen.
Eine Schlüsselgröße, um dieses Verhalten von Wasserstoff zu beschreiben, ist das so genannte Übergangsniveau (transition energy): Liegt dieses Energieniveau oberhalb des Elektronenreservoirs der Umgebung, gibt Wasserstoff Elektronen ab, ist es unterhalb, kann Wasserstoff Elektronen aufnehmen. Um dieses Niveau genau zu bestimmen, waren bisher aufwändige Experimente bzw. umfangreiche Rechnungen erforderlich. Eine einfache Regel, die schnelle und unkomplizierte Vorhersagen erlauben würde, gab es nicht.
Chris G. Van de Walle vom Palo Alto Research Center (PARC) im Silicon Valley (Kalifornien) und Jörg Neugebauer vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin haben jetzt modernste Hochleistungscomputer genutzt, um diesem Problem auf den Grund zu gehen. Ihre so genannten ab initio aus ersten Prinzipien Simulationen beruhen auf den grundlegenden physikalischen Gesetzen der Quantenmechanik und sind völlig frei von Anpassungsparametern. Ausgerüstet mit diesem äußerst leistungsfähigen theoretischen Werkzeug berechneten sie systematisch die Übergangsniveaus des Wasserstoffs für verschiedenste Materialklassen. Dabei entdeckten sie völlig überraschend, dass diese Niveaus einheitlich ausgerichtet sind sie liegen praktisch auf einer Linie. Diese Ausrichtung ist dabei nicht auf einzelne Materialklassen beschränkt, sondern völlig universell: Sie gilt für so verschiedene Systeme wie Halbleiter, Isolatoren oder sogar für Flüssigkeiten. Zu unserer großen Überraschung stellten wir fest, dass das Übergangsniveau nicht materialabhängig ist, auch wenn der Wasserstoff völlig unterschiedlich in verschiedene Materialien eingebaut wird. Unsere Regel verbindet damit bisher als getrennt betrachtete Gebiete, wie die Materialforschung und die Biochemie des Lebens, sagt Jörg Neugebauer, einer der beteiligten Forscher und Leiter einer Nachwuchsgruppe am Fritz-Haber-Institut.
Dank der Kenntnis dieser universellen Regel ist es in Zukunft viel leichter, dass Verhalten von Wasserstoff in neuartigen bzw. in neu zu entwickelnden Materialsystemen vorauszusagen. Konkrete Anwendungen ergeben sich beispielsweise bei der Entwicklung von ultravioletten Laserdioden, die für die nächste Generation von DVD-Spielern benötigt werden, für die drahtlose Kommunikation, für Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellensysteme.
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