Biogas next generation: Universität Hohenheim eröffnet Deutschlands erste Forschungsbiogasanlage
Effiziente Energiegewinnung soll Konkurrenz zu Nahrungsmitteln entschärfen
Wissenschaftliche Untersuchungen ermitteln die richtige Mischung aus Dung und neuen Energiepflanzen. Neue, angepasste High-Tech-Verfahren sollen bis zu 50 Prozent mehr aus dem Biogasprozess herausholen. Die Öko-Bilanz des Kraftwerks kann sich schon mal sehen lassen: Das Gas betreibt ein Blockheizkraftwerk, soll einmal Autos betanken und nach Reinigung und Aufbereitung Erdgas ersetzen. Der Strom fließt ins Netz, die Abwärme heizt Universitätsgebäude und die Reststoffe sollen, als neuer Designerbrennstoff, alte Ölheizungen ablösen. Als Herz der Forschungsplattform Bioenergie dient die Anlage als Kristallisationspunkt der Forschungsaktivitäten zur Bioenergie in Baden-Württemberg. Die Baukosten belaufen sich auf rund 2,5 Millionen Euro, zwei Drittel davon finanziert die Universität Hohenheim über Stiftungen und eingeworbene Sponsorengelder, vor allem von EnBW und Fair Energy. Die ersten Forschungsprojekte werden seitens des baden-württembergischen Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum (MLR), im Rahmen der Zukunftsoffensive IV, finanziert.
Knapp werden nicht nur die fossilen Brennstoffe, sondern auch die Ackerfläche, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren - diesem Dilemma kann sich die Diskussion um Bioenergie nicht entziehen, konkurrieren Energiepflanzen und Nahrungsmittel doch um dieselbe Nutzfläche.
"Energie- und Nahrungsproblematik sind ein Thema, das nur im Verbund gelöst werden kann", bilanziert der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans-Peter Liebig. "Mit unseren beiden Schwerpunkten "Globale Ernährungssicherung" und "Bioenergie" forschen wir an der Universität Hohenheim an beiden Seiten der Medaille. Mit Deutschlands erster Forschungsbiogasanlage im Praxis-Maßstab machen wir einen wichtigen Schritt die Nahrungs/Energie-Konkurrenz zu mildern."
Neue Maßstäbe für die Biogas-Forschung setzt nun Deutschlands erste große Versuchsanlage in Eningen: In zwei Fermentern und einer Nachgäranlage mit einem Volumen von je 923 m³ werden pro Tag 7.300 kg Flüssigmist, 3.500 kg Festmist und 5.600 kg nachwachsende Rohstoffe wie Silomais, Hirse, Grünroggen und Gras vergärt. Das entstehende Methangas betreibt anschließend ein Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 190 kW und einer Thermischen Leistung von 220 kW.
Doch das ist erst der Anfang: "Die Technik zur Produktion von Biogas hat zwar bereits ein gewisses Niveau erreicht", erklärt Prof. Dr. Thomas Jungbluth vom Institut für Agrartechnik und Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften, "trotzdem gibt es noch enormes Verbesserungspotential".
Zukunfts-Chancen erhoffen sich die Wissenschaftler durch
- Das Intensivmessprogramm: Online-Messtechnik und neue Computer-Modelle erlauben erstmals, einzelne Prozesse in der Anlage genau zu studieren, optimieren und künftige Anlagen besser zu steuern.
- Neue Pflanzen: Experimente mit unterschiedlichen Energiepflanzen haben das Ziel, besonders ergiebige Sorten zu züchten und ideale Anbaubedingungen zu ermitteln.
- Verbesserung der Gasproduktion: Testreihen ermitteln ideale Mischverhältnis von Gülle und nachwachsenden Rohstoffen. Gleichzeitig im Test sind verschiedene Enzyme, Mikroorganismen und andere biologische Zusatzstoffe sowie Spezialtechniken, die den Gärungsprozess erleichtern.
- Verbesserung der Gasverwertung: Im Kraftwerk sollen neue Motorentwicklungen die Stromausbeute steigern, neue Verfahren zur Gasreinigung sollen das Biogas fit für Erdgas-Ersatz und als Kraftstoff machen.
- Reststoffverwertung: Reststoffe der Anlage sollen als Dünger oder als neuer Designerbrennstoff verwertet werden, der in normalen Öfen verbrannt werden kann.
- Evaluierung und Öko-Bilanz: Mit einem ganzheitlichen Blickwinkel analysieren Forscher die Anlage aus ökonomischer, ökologischer Sicht sowie im Vergleich zu anderen Produktionswegen von Bioenergie.