IceCube findet erste energiereiche Neutrinos aus dem Kosmos

25.11.2013 - Deutschland

Im ewigen Eis der Antarktis haben Forscher erstmals energiereiche Neutrinos aus den Tiefen des Kosmos nachgewiesen. Mit dem IceCube-Detektor am Südpol fingen sie zwischen Mai 2010 und Mai 2012 insgesamt 28 Neutrinos mit Energien oberhalb von 30 Tera-Elektronenvolt (TeV) ein, darunter zwei mit einer Energie von mehr als 1000 TeV - das ist mehr als die Bewegungsenergie einer Fliege im Flug - geballt in einem elementaren Teilchen. Die internationale IceCube-Gruppe, in der DESY der zweitgrößte Partner nach der Universität von Wisconsin-Madison ist, präsentiert die Beobachtungen in der aktuellen Titelgeschichte des US-Fachjournals "Science".

The IceCube Collaboration

Detektorspur des energiereichsten Neutrinos, das jemals gemessen wurde. Das kosmische Teilchen, von den Physikern Ernie getauft, hatte eine Energie von rund 1,14 Peta-Elektronenvolt und wurde am 3. Januar 2012 vom IceCube-Deteltor in der Antarktis aufgezeichnet.

"Dies ist der erste Hinweis auf sehr hochenergetische Neutrinos, die von jenseits unseres Sonnensystems kommen", betont IceCube-Projektleiter Prof. Francis Halzen von der Universität von Wisconsin-Madison (USA). Neutrinos sind fast masselose Elementarteilchen, die äußerst selten eine Wechselwirkung eingehen. Sie sind einzigartige Boten der energiereichsten Ereignisse im Weltall, denn anders als Licht können sie mühelos aus extrem dichten Umgebungen wie etwa dem Kern einer Supernovaexplosion oder dem Inneren von kosmischen Teilchenbeschleunigern entkommen, von denen Licht nur sehr viel schwerer zu uns dringt.

So erreichten Neutrinos von der berühmten Supernova 1987A die Erde rund drei Stunden vor dem Lichtblitz, der sich erst seinen Weg nach außen bahnen musste. "Die jetzt mit IceCube nachgewiesenen Neutrinos haben allerdings millionenfach höhere Energien als jene von der Supernova 1987A", betont der Leiter der Neutrinoastronomiegruppe bei DESY, Dr. Markus Ackermann vom Standort Zeuthen bei Berlin.

Der Vorteil der Neutrinos als kosmische Boten ist gleichzeitig auch ein Nachteil: Sie fliegen so mühelos durch Materie hindurch, dass jede Sekunde unzählige Neutrinos ohne eine Spur die Erde durchqueren. Nur ganz selten trifft ein Neutrino auf ein Materieteilchen. Es sind gigantische Detektoren nötig, um ab und zu ein solches Neutrinoereignis beobachten zu können. IceCube ist in einen ganzen Kubikkilometer ewiges Eis der Antarktis eingeschmolzen und damit der größte Teilchendetektor der Welt. An 86 Stahltrossen hängen insgesamt 5160 empfindliche Nachweisgeräte, sogenannte optische Module, die nach den schwachen Lichtblitzen spähen, die eine Neutrinokollision erzeugt. Nach sieben Jahren Bauzeit ist der Riesendetektor seit Ende 2010 voll einsatzbereit.

Den ersten Hinweis auf extraterrestrische Hochenergie-Neutrinos lieferte im April 2012 die unerwartete Entdeckung der beiden bis dahin energiereichsten Ereignisse. Die IceCube-Forscher tauften sie liebevoll „Ernie“ und „Bert“. Eine gründliche Analyse dieser Ereignisse ist bereits im Fachblatt "Physical Review Letters" erschienen. Die vertiefte Suche, deren Ergebnisse jetzt vorgestellt werden, förderte weitere 26 Ereignisse mit Energien oberhalb von 30 TeV zutage - deutlich mehr als das, was man für in der Erdatmosphäre erzeugte Neutrinos erwartet.

„Wir erleben vielleicht gerade die Geburtsstunde der Neutrinoastronomie“, sagt Ackermann. Eine räumliche oder zeitliche Häufung der 28 Ereignisse, die auf eine bestimmte kosmische Quelle hindeuten würde, konnten die IceCube-Forscher nicht feststellen, dazu ist die Anzahl noch zu klein. "Wir arbeiten jetzt intensiv daran, die Signifikanz unserer Beobachtung zu erhöhen und zu verstehen, was dieses Signal bedeutet und woher es kommt", erläutert die Sprecherin des internationalen IceCube-Projekts, Prof. Olga Botner von der Universität Uppsala (Schweden). Mit steigenden Nachweiszahlen hoffen die Wissenschaftler, einzelne Quellen der energiereichen Neutrinos im Kosmos identifizieren zu können.

Das internationale IceCube-Team besteht aus rund 260 Wissenschaftlern aus elf Ländern. "Der Erfolg von IceCube beruht auf den Anstrengungen von hunderten Menschen auf der ganzen Welt", betont Botner. Aus Deutschland sind neben DESY neun Hochschulen beteiligt: die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität Bochum, die Universität Bonn, die Technische Universität Dortmund, die Universität Erlangen-Nürnberg, die Universität Mainz, die Technische Universität München und die Universität Wuppertal. Die deutschen Teilnehmer haben neben einem Viertel der optischen Module einen wesentlichen Teil der Empfangselektronik an der Eisoberfläche beigesteuert. Der deutsche Beitrag von etwa 20 Millionen Euro wurde durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und über die Grundausstattungen der beteiligten Universitäten finanziert.

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