Durchbruch: Bislang unbekannte Verbindung in chloraminiertem Trinkwasser identifiziert

Die Identifizierung der Verbindung erforderte ein umfassenderes Verständnis der Chemie und bessere analytische Instrumente

26.11.2024
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Seit den 80ern ist bekannt, dass sich in chloraminiertem Trinkwasser eine mysteriöse Verunreinigung bildet – doch erst jetzt konnte ein Schweiz-Amerikanisches Forschungsteam das unbekannte Produkt in US-Trinkwasseranlagen identifizieren.

Ein Forscherteam aus den USA und der Schweiz hat eine bisher unbekannte Verbindung in chloraminiertem Trinkwasser entdeckt. Anorganische Chloramine werden häufig zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt, um die öffentliche Gesundheit vor Krankheiten wie Cholera und Typhus zu schützen. Schätzungen zufolge trinken allein in den USA mehr als 113 Millionen Menschen chloraminiertes Wasser.

Die Forschenden haben nun das Chlornitramid-Anion (chemisch ausgedrückt als Cl–N–NO2) als Endprodukt der Zersetzung von anorganischem Chloramin identifiziert. Derzeit ist nicht bekannt, ob und wie giftig das Chlornitramid-Anion ist. Seine Verbreitung und Ähnlichkeit mit anderen toxischen Verbindungen gibt den Forschenden Anlass zur Sorge. Es brauche nun weitere Untersuchungen, um das Risiko für die öffentliche Gesundheit zu bewerten.

Allein die Identifizierung der Substanz sei ein Durchbruch, schreiben die Autoren in ihrem in Science veröffentlichten Paper. «Die Verbindung ist seit den frühen 1980er Jahren dafür bekannt, dass sie sich in chloraminiertem Trinkwasser bildet; spätere Studien in den 1990er Jahren versuchten, ihre Struktur zu bestimmen, scheiterten jedoch am unvollständigen Verständnis der Chloramin-Zersetzung sowie an limitierten analytischen Instrumenten», bemerkt Kristopher McNeill, Professor für Umweltchemie an der ETH Zürich und einer der Hauptautoren der Studie.

Sein Kollege Julian Fairey, ausserordentlicher Professor für Bauingenieurwesen an der University of Arkansas, fügt hinzu: «Es handelt sich um eine sehr stabile Chemikalie mit einem niedrigen Molekulargewicht, die sehr schwer zu finden ist. Das Schwierigste war, sie zu identifizieren und zu beweisen, dass es sich um die Struktur handelt, von der wir sagten, dass sie es ist». Fairey selbst begann vor zehn Jahren, das Rätsel zu lösen.

Dazu gehörte auch, die Verbindung in seinem Labor zu synthetisieren, was noch nie zuvor gelang. Die Proben wurden dann zur Analyse an seine Kollegin und Mitautorin, Juliana Laszakovits, geschickt. Laszakovits ist Postdoktorandin im Labor von McNeill an der ETH Zürich. Im Jahr 2022 besuchte Fairey im Rahmen seines Sabbaticals die ETH Zürich, wo er mit Laszakovits und McNeill an dieser Studie arbeitete.

«Chloraminiertes Trinkwasser ist in Nordamerika weit verbreitet, aber in der Schweiz wird Chloraminierung nicht wirklich praktiziert, und in Schweizer Gewässern gibt es kein Chlornitramid-Anion», sagt Laszakovits. McNeill ergänzt: «Das erlaubte es uns, Schweizer Leitungswasser als Kontrolle in der Studie zu verwenden.»

Die aktuelle Studie konzentrierte sich auf Wassersysteme in den USA. Allerdings verwenden auch Italien, Frankreich, Kanada und andere Länder Chloraminierung und könnten laut McNeill ebenfalls betroffen sein.

Toxizität ist derzeit nicht bekannt

Die Gesundheitsrisiken der neuen Verbindung konnten bisher noch nicht untersucht werden. Fairey, der die Chemie von Trinkwasserdesinfektionsmitteln studiert, erklärt: «Es ist allgemein bekannt, dass bei der Desinfektion von Trinkwasser eine gewisse Toxizität entsteht. Eigentlich handelt es sich um eine chronische Toxizität. Eine bestimmte Anzahl von Menschen kann durch das Trinken von Wasser über mehrere Jahrzehnte an Krebs erkranken. Wir haben jedoch noch nicht herausgefunden, welche Chemikalien diese Toxizität verursachen.»

Dass man nun die Identität der Verbindung kennt, ist ein wichtiger Schritt in diesem Prozess. Dank der Entdeckung sind nun Toxizitätsstudien möglich. Ob das Chlornitramid-Anion mit Krebserkrankungen in Verbindung steht oder ob es andere Gesundheitsrisiken birgt, werden Wissenschaftler:innen und Aufsichtsbehörden nun untersuchen.

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