Das "neue" Ampere

Wichtigster Preis der Metrologie geht an PTB-Wissenschaftler für die überprüfbare Realisierung des Ampere mithilfe von Naturkonstanten

02.04.2014 - Deutschland

Das "neue" Ohm und das "neue" Volt gibt es schon. Allerdings sind sie bisher nicht wirklich im internationalen System der Einheiten (SI) verankert. Das soll sich grundlegend ändern: Jetzt kommt das "neue" Ampere. Die Basiseinheit der Stromstärke lässt sich damit auf jene Naturkonstante zurückführen, die im "neuen" SI dafür vorgesehen ist: die elektrische Ladung eines einzelnen Elektrons. Rechtzeitig vor den vielleicht entscheidenden Beschlüssen auf der Internationalen Konferenz für Maß und Gewicht im November dieses Jahres gelang es einer Gruppe von Wissenschaftlern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), ein Stromstärkenormal zu entwickeln, das nicht nur einen Einzelelektronenstrom erzeugt, sondern ihn auch gleichzeitig unabhängig misst. Für diesen wichtigen Schritt bekommen die Wissenschaftler um Hans Werner Schumacher jetzt den Hermann-von-Helmholtz-Preis. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und gilt als eine der international bedeutendsten Auszeichnungen in der Welt der Metrologie, der Wissenschaft vom genauen Messen.

PTB

Diese Halbleiterstruktur kann einzelne Elektronen und deren Ladung messen. Auf dem Chip sind vier Einzelelektronen-Pumpen angeordnet, die einen Halbleiterdraht kreuzen. Mit drei Einzelelektronen-Detektoren werden die gepumpten Elektronen detektiert.

Das Ampere ist ein Problemfall: Obwohl Basiseinheit und damit Grundlage für alle elektrischen Messungen, brauchte seine metrologisch genaue Realisierung immer einen Umweg über andere elektrische Einheiten, nämlich das Volt und das Ohm. Die beiden Einheiten lassen sich bereits seit Längerem auf der Grundlage von Naturkonstanten realisieren, der Josephson-Konstante (Volt) und der von-Klitzing-Konstante (Ohm). Unter Hochdruck arbeiten weltweit Wissenschaftler daran, so etwas auch beim Ampere zu schaffen. Die geeignete Naturkonstante ist die Ladung eines einzelnen Elektrons. Sie lässt sich im Prinzip messen, indem man einzelne Elektronen in entsprechenden Schaltungen quantenmechanisch "tunneln" lässt. Das geschieht mithilfe sogenannter Einzelelektronenpumpen, die es bereits seit 1990 gibt. Doch erst jetzt ist es mit der PTB-Entwicklung gelungen, die Ladungsänderung bei jedem einzelnen "Elektronensprung" direkt und höchstgenau zu messen. Schumacher und sein Team entwickelten dazu eine sogenannte selbstreferenzierte Quantenstromquelle. Das ist eine Halbleiter-Schaltung mit mehreren Pumpen und Detektoren, die bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben wird. Die Einzelelektronenpumpe ist eine winzige halbleitende Insel mit zwei Zuleitungen. Im Pumpbetrieb wird zunächst ein Elektron von links von der einen Zuleitung auf die Insel geladen und anschließend nach rechts auf die andere Zuleitung ausgeworfen. Wird dieser Vorgang periodisch getaktet wiederholt, entsteht ein Strom, der nur noch durch die Taktfrequenz und die Einzelelektronenladung bestimmt ist. Derartige Halbleiterschaltungen gelten schon länger als aussichtsreichste Kandidaten für die Realisierung des Ampere.

Schumachers Gruppe ist es nun zum ersten Mal gelungen, die Stromstärke zu messen, die bei jedem einzelnen Elektronensprung im Spiele ist. Ihre Pumpe transportiert pro Sekunde nur ein paar Dutzend Elektronen. Damit ist sie langsam genug, um die entsprechenden Präzisionsmessungen zu ermöglichen. Wie die Zeitschrift "Nature" kürzlich meldete, ist diese PTB-Entwicklung ein entscheidender Schritt hin zu einer Neudefinition des Ampere. Sie liefert den Nachweis, dass die Realisierung der neuen Definition auf Grundlage der Einzelelektronenladung tatsächlich funktionieren kann.

Darüber hinaus ermöglicht die neuentwickelte Stromquelle die Erzeugung validierter kleiner Ströme bis hinunter in den Attoampere-Bereich (10-18 Ampere) mit deutlich geringerer Messunsicherheit, als es durch eine klassische Strommessung erreichbar wäre. Damit erlaubt sie die Kalibrierung von Messgeräten für kleine Ströme, wie sie beispielsweise im Strahlenschutz eingesetzt werden.

Mit dem Helmholtz-Preis ehren der Helmholtz-Fonds e. V. und der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft alle zwei bis drei Jahre Präzisionsmessungen in Physik, Chemie und Medizin.

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