Eiweiß-Nanofasern als Bausteine für innovative Materialien

Materialwissenschaftler der Universität Jena starten neues DFG-Projekt

29.08.2014 - Deutschland

Ein kleiner Schnitt, schon blutet es. Meist ist das nicht tragisch, weil eine kleine Blutung rasch von selbst heilt. Hauptverantwortlich für die schnelle Blutstillung kleinerer Blessuren ist der Naturstoff Fibrinogen, ein Eiweißmolekül, das milliardenfach im menschlichen Blut enthalten ist. Kommt ein Fibrinogenmolekül mit Wundrändern in Berührung, verändert es sich und beginnt, sich mit anderen Fibrinogenmolekülen zu vernetzen. Dieses Netzwerk schließt die Wunde und zieht die Wundränder zusammen – der bekannte rote Schorf entsteht auf der Wunde und sie kann heilen. „Die Vernetzung des Fibrinogens bei Verletzungen des Körpers ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem viele weitere Blutgerinnungs-Faktoren anwesend sein müssen“, erläutert Prof. Dr. Klaus D. Jandt, Lehrstuhlinhaber für Materialwissenschaft am Otto-Schott-Institut für Materialforschung (OSIM) der Friedrich-Schiller-Universität Jena, diesen Prozess.

Jan-Peter Kasper/FSU

Christian Helbing, hier an einem Rasterkraftmikroskop, ist Mitarbeiter im neuen Projekt, bei dem Entstehungsmechanismen der Nanofasern erforscht werden.

Fasern bilden sich ohne die komplexen Faktoren des Körpers

Dass sich aus dem natürlichen Eiweißmolekül Fibrinogen auch neue Nano-Materialien auf Naturstoffbasis herstellen lassen, haben die Forscher um Prof. Jandt bereits gezeigt. „Dazu haben wir das Fibrinogen zunächst in Wasser gelöst und dann diese Lösung einer schwachen Säure oder einer verdünnten Alkohollösung ausgesetzt“, sagt Prof. Jandt. Das Ergebnis dieser Behandlung sind feine, lange Nanofasern aus Fibrinogen, deren Durchmesser nur wenige Zehntausendstel eines menschlichen Haares beträgt. „Durch unsere Methode bilden sich diese Eiweiß-Fasern ohne die vielen komplexen Faktoren, die normalerweise im Körper anwesend sind und bei Verletzungen für die Vernetzung des Fibrinogens verantwortlich sind“, beschreibt der Jenaer Materialwissenschaftler den Vorteil.

Wie sich diese Eiweiß-Nanofasern genau bilden, ist allerdings noch immer ein Rätsel. Um die Entstehungsmechanismen der Nanofasern zu verstehen, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Arbeiten von Jandts Gruppe. Sie stellt dafür in den kommenden zwei Jahren rd. 160.000 Euro für das neue Projekt „Neue funktionelle Materialien basierend auf selbstassemblierten Protein-Nanofasern: Erzeugung und Verständnis von Nanofasern“ zur Verfügung.

Neue Fasern aus verschiedenen Proteinen

„Wir wollen zunächst verstehen, wie die Eiweiß-Nanofasern entstehen und welche Struktur und Eigenschaften sie haben“, nennt Christian Helbing ein Forschungsziel. „Danach können wir größere, komplexere Strukturen und Systeme aus den Nanofasern erzeugen“, ergänzt der Doktorand. Dieses Prinzip wird in der Nanotechnologie als Bottom-up-Ansatz (d. h. von klein zu groß) bezeichnet. Darüber hinaus wollen die Jenaer Materialwissenschaftler neue Nanofasern erzeugen, die aus verschiedenen Proteinkombinationen bestehen.

Nanofasern haben viele potenzielle Anwendungen in Materialwissenschaft, Medizintechnik, Sensorik und Optik. So sollen Netzwerke aus den neuen Nanofasern in Zukunft als ein neues Material zur Regeneration von Knochen und Knorpel genutzt werden. Neue biophotonische Nanohybride aus den Nanofasern und Quantenpunkten, die sich als Sonden für die Mikroskopie in den Lebenswissenschaften eignen, hatte die Gruppe um Prof. Jandt bereits vor drei Jahren vorgestellt. „Durch die Protein-Nanofasern ist das Tor für eine ganz neue Generation von funktionellen Materialien für die Medizintechnik oder die Optik aufgestoßen, die auf natürlichen Stoffen und Bauprinzipien basieren“, ist sich Klaus Jandt sicher und ergänzt: „Diese biomimetischen Prinzipien werden die Werkstoffe der Zukunft entscheidend bestimmen“.

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