Synthesechemie auf kleinstem Raum
Gemeinsame Entwicklung von Chemikern, Physikern und Maschinenbauern ermöglicht 50.000 Reaktionen gleichzeitig
KIT
„Bei allen chemischen Synthesen muss ein Baustein A mit einem Baustein B im Lösungsmittel X vermengt werden, so dass sie miteinander reagieren können, dies ist sehr mühevoll und zeitraubend“, erläutert Frank Breitling, Forschungsgruppenleiter am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT. Bevor ein neuer Syntheseweg gefunden ist, müssen sehr viele verschiedene Arten von chemischen Bausteinen, Katalysatoren, Lösungsmitteln oder Aktivatoren in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen ausprobiert werden. Oftmals erweist sich erst in einem sehr späten Syntheseschritt, dass der ausprobierte Reaktionsweg nicht zum Erfolg führt und teure Chemikalien vergeblich verbraucht wurden.
„Wir miniaturisieren dieses Verfahren, so dass wir nicht auf herkömmliche Weise aufwendig Schritt für Schritt gehen müssen, sondern auf kleinstem Raum viele Reaktionen zugleich stattfinden lassen können“, sagt Alexander Nesterov-Müller, der ebenfalls am Institut für Mikrostrukturtechnik forscht und als außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Maschinenbau lehrt. In Frage kommen dafür alle Moleküle, die sich an einen Trägerstoff koppeln lassen.
Der Physiker Nesterov-Müller und der Biochemiker Breitling haben in ihren Arbeitsgruppen eine Maschine konstruiert, mit der nanometerdünne Schichten verschiedener fester Materialien mit eingebetteten Reaktionsmolekülen automatisiert über- und nebeneinander geschichtet werden können. Sogenannte Spots, winzige, in ihrer Größe genau bestimmbare Bereiche, werden dafür aus der nur ein Tausendstel Millimeter dünnen, wiederverwendbaren Materialschicht mit Hilfe eines Lasers ausgestanzt und auf den Syntheseträger übertragen. Durch Zufuhr von Hitze oder Lösungsmitteln verflüssigen sich diese Materialschichten, sodass die darin befindlichen chemischen Bausteine sich - wie beim konventionellen Syntheseverfahren - durchmischen und miteinander reagieren.
Untersucht haben die Wissenschaftler das cLIFT (combinatorial Laser-induced forward transfer)-Verfahren am Beispiel der Synthese von Peptiden - kurzen Aminosäureketten. Aufgrund der sehr hohen Dichte der Peptid-Arrays genannten Untersuchungsfelder und durch die Vielzahl möglicher Kombinationen unterschiedlicher Aminosäure-Bausteine auf engstem Raum lässt sich in kurzer Zeit systematisch eine große Zahl von chemischen Reaktionen testen. Derzeit erreicht die Maschine 50.000 solcher übereinander gestapelter Materialspots pro Glasobjektträger, dies entspricht 5.000 pro Quadratzentimeter.
Ein Ziel der neuen Technik könnte es sein, das Immunsystem auszulesen und Antikörper im menschlichen Blutserum schneller und einfacher aufzuspüren, um zum Beispiel veränderte Aminosäuren bei Rheumapatienten zu erkennen. Auch die Malariaforschung sowie die Therapie bei Multipler Sklerose könnten von der Methode profitieren. „Unser Verfahren dient in erster Linie als Forschungswerkzeug“, so Breitling. Aber auch für Pharmafirmen ist es interessant, etwa um neue Antigene für die Entwicklung von Impfstoffen zu finden. Eine weitere Zukunftsvision ist es, Datenbanken aufzubauen, die Forschern über bereits erfolgreiche Synthesewege Auskunft geben.
In interdisziplinärer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Stefan Bräse am Institut für Organische Chemie des KIT wollen die Wissenschaftler das Verfahren auf möglichst viele Arten von chemischen Synthesen ausweiten. Für eine künftige kommerzielle Anwendung soll die Maschine noch schneller und bedienungsfreundlicher werden sowie weiter miniaturisiert werden.
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