Strenge Umwelt-Grenzwerte fordern Schifffahrt und Raffinerien heraus
Shell plant neue Entschwefelungsanlage
(dpa) Strengere Umweltanforderungen für Schiffe ab 2020 ziehen in der Ölwirtschaft erste Konsequenzen nach sich. Der Energiekonzern Shell will in der Raffinerie Rheinland eine neue Entschwefelungsanlage bauen. Entsprechende Genehmigungsanträge seien für das erste Quartal 2018 vorgesehen, teilte Shell Deutschland in Hamburg mit. Hintergrund sind strengere Umweltvorschriften für Schiffe ab 2020, die zu einer rückläufigen Nachfrage nach schwerem schwefelhaltigen Treibstoff führen werden.
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«Höhere Umweltstandards verändern Märkte und beeinflussen unser Geschäft», sagte eine Sprecherin. «Darauf müssen wir reagieren.» Mit der Anlage sollen die schweren Rückstände aus den Produktionsprozessen zu leichteren Ölprodukten wie Heizöl weiterverarbeitet werden können.
Ab 2020 dürfen Schiffe auf hoher See nur noch Treibstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,5 Prozent statt bisher 3,5 Prozent verbrennen oder müssen alternativ die Abgase vom Schwefel reinigen. Damit kommen sowohl auf die Schifffahrt wie auch auf die Ölindustrie erhebliche Investitionsanforderungen in Milliardenhöhe zu. Nach einer Studie der US-amerikanischen Analyse- und Beratungsfirma IHS Markit sind bislang weder die Reedereien noch die Ölfirmen ausreichend auf die Herausforderungen durch die neuen Vorschriften vorbereitet.
Die Regelungen, die im Oktober vergangenen Jahres durch die internationale Schifffahrtsorganisation IMO beschlossen wurden, kamen für beide Wirtschaftsbranchen fünf Jahre früher als erwartet.
In einigen Regionen, auch in Nord- und Ostsee, gilt zwar schon länger ein niedrigerer Grenzwert von 0,1 Prozent Schwefel. Aber auf hoher See durften die Reedereien schädliches Schweröl verbrennen, das nur halb so viel kostet wie hochwertiger Schiffsdiesel. Schweröl macht rund 70 Prozent des weltweit verwendeten Schiffs-Treibstoffs aus. Künftig können die Reeder entweder den teureren Treibstoff wählen oder in Anlagen zur Reinigung der Abgase (Scrubber) investieren, die ebenfalls nicht billig sind.
Laut IHS Market sind gegenwärtig rund 20.000 Schiffe für 80 Prozent des Schwerölverbrauchs verantwortlich. Nur 360 Schiffe haben Scrubber an Bord, weil es dafür keinen wirtschaftlichen Anreiz gibt. Insgesamt umfasst die Welthandelsflotte rund 50.000 Schiffe, von denen aber nicht alle auf hoher See operieren. Der technische Dienstleister DNV GL erwartet, dass nur einige tausend Scrubber bis 2020 eingebaut werden. Die meisten Reeder würden sich darauf verlassen, dass ausreichend Schiffsdiesel in den Häfen zur Verfügung steht. «Das bedeutet das Ende des herkömmlichen Schweröls für die Seeschifffahrt», meint Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder (VDR).
Doch dazu müssen die Ölkonzerne ihre Raffinerien umsteuern, und das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Davon ist - abgesehen von der Shell-Ankündigung - weltweit nicht allzu viel zu sehen. «Bislang habe wir noch von keinen Raffinerie-Investitionen als Ergebnis der neuen Regulierung gehört», sagte noch vor kurzem Serena Huang, Analystin bei Wood Mackenzie.
Die Preise sowohl für Schiffsdiesel als auch für Schweröl dürften sich heftig bewegen, wenn auch in verschiedene Richtungen: Schiffsdiesel wird knapp und teuer, Schweröl noch billiger - wenn es überhaupt einen hinreichenden Absatzmarkt gibt. In den Raffinerien ist es ein Abfallprodukt, das übrig bleibt, wenn alle höherwertigen Bestandteile des Rohöls verarbeitet sind.
Für den modernsten Schiffstreibstoff LNG - das ist verflüssigtes Erdgas - bedeuten die neuen Regeln Rückenwind. Doch noch fehlt eine weltweite Infrastruktur, die sicherstellt, dass Schiffe in jedem Hafen LNG tanken können. Weltweit sind immerhin rund 200 LNG-getriebene Schiffe in Auftrag gegeben.