Wie Wasser seine Quantengeheimnisse verbirgt
Forschende zeigen experimentell, warum sich Wasser und schweres Wasser ähnlich verhalten
Fast drei Viertel der Erde sind von Wasser bedeckt. Wasser ist die am häufigsten vorkommende, aber auch seltsamste Flüssigkeit – zum Beispiel hat es seine maximale Dichte bei 4 °C. Ein Forscherteam um Yuki Nagata und Mischa Bonn vom MPI für Polymerforschung hat nun normales Wasser – H2O – und schweres Wasser – D2O – im Labor untersucht und herausgefunden, warum sich die beiden Elemente ähnlich verhalten, obwohl Deuteriumatome (D) doppelt so schwer sind wie Wasserstoffatome (H). Ihre Untersuchungen können beispielsweise erklären, warum die Gefrierpunkte der beiden Wasserarten näher beieinander liegen, als man zunächst erwarten würde.
Mehr als 70 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt – H2O. Ein fast vernachlässigbarer Anteil von wenigen Promille besteht aus „schwerem Wasser“, bei dem die Wasserstoffatome (H) durch Deuteriumatome (D) ersetzt sind. Deuterium hat ein Neutron mehr im Kern als Wasserstoff und wiegt etwa doppelt so viel.
Man würde daher erwarten, dass schweres Wasser, in dem zwei doppelt so schwere Atome an das Sauerstoffatom gebunden sind, sich in seinen Eigenschaften erheblich von normalem Wasser unterscheidet. Tatsächlich unterscheiden sich die Gefriertemperaturen der beiden Wassertypen jedoch nur um 4 °C. Forschende um Direktor Mischa Bonn vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung konnten nun erstmals zeigen, dass zwei spezielle quantenmechanische Effekte – sogenannte Kernquanten-Effekte – dafür verantwortlich sind, die sich gegenseitig kompensieren.
Die Quantenmechanik besagt, dass sich Atome auch am absoluten Nullpunkt, also bei -273 °C, weiterbewegen: Sie „oszillieren“ oder „zittern“ leicht um eine zentrale Position. Dies wird als „Nullpunktsenergie“ bezeichnet. Die Wasserstoffatome in normalem Wasser befinden sich daher nicht in einem definierten, festen Abstand zum Sauerstoffatom, sondern in einer bestimmten „Wolke“, die sich um eine durchschnittliche Entfernung erstreckt. Da Wasserstoff ein Atom mit so geringer Masse ist, sind diese Wasserstoffwolken groß, die Nullpunktsenergien hoch und die Schwingung hat eine große Amplitude.
Wird Wasserstoff durch das schwerere Deuterium ersetzt, schwingen die Atome weniger. Die mittlere Entfernung wird kleiner, d. h. das Deuteriumatom rückt näher an das Sauerstoffatom heran. Durch diesen sogenannten intramolekularen Effekt verringert sich die räumliche Ausdehnung eines Wassermoleküls. Gleichzeitig vergrößert sich der Abstand zum nächsten Wassermolekül, wodurch die Bindungsenergie sinkt.
Die Bindungsenergie ist ein Maß dafür, wie leicht sich zwei Wassermoleküle voneinander trennen lassen – beispielsweise beim Übergang von Eis zu flüssigem Wasser.
Gleichzeitig kann das Deuteriumatom aber nicht nur in Richtung der Bindungslinie zum Sauerstoffatom schwingen, sondern auch senkrecht dazu. Beim Austausch von Wasserstoff gegen Deuterium wirkt dieser sogenannte intermolekulare Effekt dem intramolekularen Effekt entgegen: Während der eine die Bindungsenergie verringert, erhöht der andere die Bindungsenergie in vergleichbarem Maße.
Die Gefriertemperaturen unterscheiden sich nur geringfügig, da die beiden quantenmechanischen Effekte entgegengesetzte Auswirkungen auf die Bindungsenergie haben und sich gegenseitig annähernd ausgleichen.
Um diese subtilen Effekte zu messen, verwendeten die Forschenden eine Technik namens Heterodyn-Detektierte-Summen-Frequenz-Spektroskopie. Mit dieser Methode konnten sie die oberste Wasserschicht an einer Luft-Wasser-Grenzfläche untersuchen, wo Wassermoleküle mit einem „freien“ Ende existieren, das nicht an andere Wassermoleküle gebunden ist. Durch die sorgfältige Analyse der Schwingungsspektren von Wasser mit unterschiedlichen Anteilen von Wasserstoff und Deuterium konnten die Wissenschaftler die einzelnen inter- und intramolekularen Energiekomponenten ableiten und quantifizieren.
Die Arbeit, die jetzt in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, liefert den ersten experimentellen Beweis für den Wettbewerb und die fast vollständige Aufhebung zwischen intramolekularen und intermolekularen Quanteneffekten in Wasser, die lange Zeit nur theoretisch vorhergesagt wurden. Die Arbeit unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Quantenphänomene zu berücksichtigen, wenn man versucht, das Verhalten von Wasser zu verstehen. Dies hat Auswirkungen auf Bereiche, die von der Klimaforschung bis zur Biochemie reichen, wo die Eigenschaften von Wasser eine entscheidende Rolle spielen. Darüber hinaus eröffnet der innovative Ansatz des Teams neue Möglichkeiten für die Untersuchung von Quanteneffekten in anderen komplexen Systemen.
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