Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

08.07.2009 - Deutschland

Risiken für Kinder müssen anders bewertet werden als Risiken für Erwachsene. Geht es um Risiken, die von chemischen Stoffen ausgehen können, müssen Risikobewerter berücksichtigen, dass Kinder im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht eine größere Hautoberfläche haben, mehr Nahrung aufnehmen und häufiger atmen als Erwachsene. Sie haben eine, vom Lebensalter abhängig, erhöhte Stoffwechselrate, der Körper nimmt über den Magen-Darm-Trakt bestimmte Stoffe schneller und in größeren Mengen auf. Schadstoffe, die nur langsam abgebaut werden, können über einen längeren Zeitraum einwirken. Kinder nehmen Risiken anders wahr, und sie verhalten sich anders. Kleine Kinder nehmen beispielsweise Gegenstände in den Mund, die eigentlich nicht dazu gedacht sind, und können sie unbeabsichtigt verschlucken. So sind beispielsweise Kinder durch das Verschlucken von Erdnüssen erstickt. Auch kindertypische Vergiftungsunfälle können schwere gesundheitliche Folgen haben. Kinder sind anderen Unfallrisiken ausgesetzt als Erwachsene. "Wir dürfen Kinder nicht als kleine Erwachsene betrachten, sondern müssen sie als eigene Verbrauchergruppe in den Mittelpunkt stellen", sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Inwieweit die Wissenschaft spezielle Risiken für Kinder bisher angemessen bewertet und die Politik daraus ausreichende Maßnahmen zum Schutz von Kindern abgeleitet hat, diskutierten rund 140 Teilnehmer auf dem siebten BfR-Forum Verbraucherschutz in Berlin.

Einig waren sich die Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbraucherverbänden und Medien darüber, dass Ergebnisse von Risikobewertungen für Erwachsene nicht ohne weiteres auf Kinder "heruntergerechnet" bzw. übertragen werden können. In den meisten Fällen müssen stoffliche Risiken für Kinder eigens berechnet werden. Grund sind die Besonderheiten der körperlichen und geistigen Entwicklung und des Verhaltens von Kindern. Bemängelt wurde, dass es häufig nicht genug Daten für die Bewertung von Risiken für Kinder gibt. Hier besteht dringender Forschungs- und Dokumentationsbedarf.

Rechtlich besteht für Kinder ein besonderer Schutz vor bestimmten Stoffen in Lebensmitteln. So muss Säuglingsnahrung besondere Anforderungen erfüllen, bevor sie auf den Markt gebracht wird. Für bestimmte Pestizide gelten zum Beispiel strengere Höchstmengen. Bei schädlichen Stoffen in Spielzeug besteht hingegen Nachbesserungsbedarf. Die Kritik des BfR an der neuen EU-Spielzeugrichtlinie teilten die meisten der Anwesenden. Hinsichtlich Spielzeug kam darüber hinaus die Frage auf, ob Hersteller alles produzieren sollten, was sich verkaufen lässt - auch wenn es unter Umständen gefährlich für Kinder werden kann - und ob sie sich darauf verlassen können, dass Eltern ihre Kinder bei der Benutzung des Spielzeugs stets beaufsichtigen. Mit Blick auf globalisierte Märkte ist es wichtig, dass Verbraucherprodukte schnell und eindeutig identifiziert werden können, damit bei Gesundheitsbeeinträchtigungen die Risiken eingeschätzt werden können. Das BfR hat deswegen eine neue Kennzeichnung zur schnellen Identifizierung in Notfällen entwickelt. Weit verbreitete Labels wie das CE-Zeichen, das Hersteller sich selbst verleihen, können nicht immer ausreichende Verbrauchersicherheit gewährleisten. Eine Qualitätsverbesserung kann nur durch die Kontrolle von unabhängigen Instituten erreicht werden, wie es beim GS-Zeichen der Fall ist.

Welche Rolle den Eltern beim Schutz ihrer Kinder vor Gesundheitsrisiken zukommt, wurde kontrovers diskutiert. Unbestritten blieb, dass sie in ihrer Vorbildfunktion einen bedeutenden Beitrag zur Verhütung beispielsweise von Unfällen wie Stürzen, Verbrennungen und Vergiftungen mit Chemikalien im Haushalt leisten können. Doch setzt dies auch ein entsprechendes Wissen bei den Eltern selbst voraus, die nach Erkenntnissen von Multiplikatoren nicht überall gleichermaßen gegeben ist. Wissenslücken gibt es nach wie vor bei der Einschätzung mikrobieller Risiken, die vor allem durch tierische Lebensmittel bestehen können. So kommt es bei Kindern immer wieder zu Infektionen mit Lebensmittelkeimen wie Salmonellen und Campylobacter, weil Eltern nicht wissen, dass diese vor allem auf rohem Fleisch und Eiern vorkommen können. Hier ist weiterhin auch die Aufklärungsarbeit von Verbänden wie staatlichen Institutionen gefragt.

Rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz von Kindern, die staatliche Akteure schaffen können, setzen ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse heraus, die wiederum aus einer soliden altersbezogenen Datenbasis resultieren müssen - nicht zuletzt eine finanzielle Frage.

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