Gemeinsam Fließen statt einsam Hüpfen - Neutronen untermauern neue Theorie über Bewegung in der Zellmembran

25.02.2010 - Deutschland

Moleküle in einer Zellmembran bewegen sich fließend im Verbund statt als Einzelgänger in frei werdende Leerstellen zu hüpfen. Das haben Sebastian Busch und Dr. Tobias Unruh am Neutronenspektrometer TOFTOF (time-of-flight time-of-flight) an der Neutronenquelle der Technischen Universität München (TUM) mit Daten belegt. Ihre Messungen, die sie im "Journal of the American Chemical Society" veröffentlicht haben, klären ein jahrzehntelanges Rätsel und untermauern erstmals experimentell eine neue Theorie der Molekülbewegung.

Immer wieder sahen sich Sebastian Busch und der Betreuer seiner Doktorarbeit an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM, Tobias Unruh, eine Simulation der Molekülbewegungen in einem Film auf YouTube an: "Die hüpfen ja gar nicht!" Und genau das behaupten auch die finnischen Biophysiker um Ilpo Vattulainen, die die Zellmembran per Computer simuliert und die Simulation auf YouTube gestellt haben.

Biophysiker haben jahrelang an ein falsches Modell geglaubt: Statt sich hüpfend einzeln von Leerstelle zu Leerstelle vorwärts zu bewegen, fließen die Phospholipide der Membran im Verbund. Jahrzehntelang gab es einen Streit zwischen den Wissenschaftlern, die Zellmembranbewegungen unter dem Mikroskop im Mikrometermaßstab beobachteten und den Neutronenstreuern, die die Molekülbewegung im Nanometerbereich vermessen können. Unter dem Mikroskop sah es so aus, als ob sich die Phospholipide sehr langsam in der Zellmembran bewegten, mit Neutronen wurden Bewegungen gemessen, die 100 Mal so schnell waren. Diesen scheinbaren Widerspruch erklärte man schließlich mit der Theorie, dass sich die Moleküle in einem Käfig aus den benachbarten Molekülen eingeschlossen so lange schnell hin und her bewegen, bis sich ein freier Platz bietet, in den das Molekül hinein hüpfen kann. Weil derartige Sprünge relativ selten auftreten, sieht man im Mikrometermaßstab eine langsamere Bewegung, so die Theorie.

"Nie hat jemand diese Theorie des Hüpfens mit Messungen belegen können", sagt der Chemiker Tobias Unruh. Auch Sebastian Busch wusste nicht, wie er seine Messungen an einer Phospholipidmembran am Neutronenspektrometer TOFTOF interpretieren sollte. Die Daten passten einfach nicht zum Modell. Da sah er die Simulation der finnischen Biophysiker, und informierte sich genauer vor Ort an der Universität in Helsinki. Der 27-Jährige, der am Lehrstuhl von Professor Dr. Winfried Petry im Physik-Department der TUM promoviert, reizte daraufhin bei ergänzenden Messungen die Leistungsfähigkeit des Spektrometers in Garching voll aus. "Da ist mir klar geworden, dass ich die Theorie der Finnen mit Daten untermauern kann", sagt Sebastian Busch. Schließlich konnte er die fließende Bewegung der Moleküle mit seinen Experimenten belegen. Die Zellmembranmoleküle bewegen sich dabei ähnlich wie Personen in einer Menschenmasse: Nur wenn mehrere im Verbund in eine Richtung drängen, kommt auch das Individuum vorwärts. Ein einsames Hüpfen der Moleküle gibt es also nicht, nur ein gemeinsames Fließen.

Als Probe untersuchte der Physiker ein typisches Phospholipid, Dimyristoylphosphatidylcholin (DMPC), hydriert mit schwerem Wasser. Die Bewegung der Zellmembran wurde in Zeitabständen von 35 bis 1000 Billionstel Sekunden bei 30 °C beobachtet. Im Spektrometer TOFTOF werden Neutronen mit einer genauestens bekannten Geschwindigkeit ausgewählt. Sie treffen auf die Probe und interagieren mit den Atomkernen. Wenn diese in Bewegung sind, ändern die Neutronen ihre Geschwindigkeit, was in einem Detektor gemessen wird. "Wir haben hier weltweit das einzige Spektrometer, das mit einer so großen Genauigkeit diese kleinen Bewegungen auf der Nanoskala messen kann", sagt Tobias Unruh.

Nun werden Tobias Unruh und Sebastian Busch untersuchen, wie sich die Bewegungen der Phospholipide verändern, wenn sie verschiedene Stoffe beimengen. Solche Mischungen werden in Arzneimitteln verwendet. Geeignete Zusätze können die Haltbarkeit der Stoffe drastisch erhöhen. Die TUM-Wissenschaftler interessiert vor allem, welchen Einfluss die Molekülbewegungen auf diesen stabilisierenden Effekt haben. "Wenn wir den Stabilisierungsmechanismus im Detail verstehen", hofft Tobias Unruh, "können zukünftig für die jeweilige Anwendung optimierte Mischungen vorgeschlagen werden."

Originalveröffentlichung: S. Busch, C. Smuda, L.C. Pardo Soto, T. Unruh; "Molecular Mechanism of Long-Range Diffusion in Phospholipid Membranes Studied by Quasielastic Neutron Scattering"; Journal of the American Chemical Society, Publication Date 2010.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Diese Produkte könnten Sie interessieren

ERASPEC

ERASPEC von eralytics

Einfachste Kraftstoffanalyse in Sekunden mit ERASPEC

Bestimmung von bis zu 40 Kraftstoffparametern auf Knopfdruck

S4 T-STAR

S4 T-STAR von Bruker

TXRF-Spektrometer: Sub-ppb Nachweisgrenzen & 24/7 Analytik

Minimale Betriebskosten, weil Gase, Medien oder Laborausrüstung entfallen

Totalreflexions-Röntgenfluoreszenzspektrometer
ALPHA II

ALPHA II von Bruker

Chemische Analyse leicht gemacht: Kompaktes FT-IR-System

Steigern Sie die Effizienz Ihrer Routineanalysen mit benutzerfreundlicher Technologie

FT-IR-Spektrometer
NANOPHOX CS

NANOPHOX CS von Sympatec

Partikelgrößenanalyse im Nanobereich: Hohe Konzentrationen problemlos analysieren

Zuverlässige Ergebnisse ohne aufwändige Probenvorbereitung

Partikelanalysatoren
ZEEnit

ZEEnit von Analytik Jena

Zeeman-Technik mit maximaler Empfindlichkeit und Applikationsvielfalt

Quergeheizte Graphitrohrofen für optimale Atomisierungsbedingungen und hohen Probendurchsatz

AAS-Spektrometer
PlasmaQuant MS Elite

PlasmaQuant MS Elite von Analytik Jena

Massenspektrometer für hochempfindliche Forschungsanwendungen und niedrigste Nachweisgrenzen

Die Erfolgsformel in der LC-ICP-MS – PlasmaQuant MS-Serie und PQ LC

PlasmaQuant 9100

PlasmaQuant 9100 von Analytik Jena

Neues ICP-OES PlasmaQuant 9100 für komplexe Probenmatrices

Mehr sehen. Mehr wissen. ICP-OES vereinfacht Analyse matrixlastiger Proben

ICP-OES-Spektrometer
Agera

Agera von HunterLab Europe

Farbe und Glanzgrad gleichzeitig messen - und das sekundenschnell

Einfach zu bedienendes Farbmessgerät: normkonform, robust und präzise

Kolorimeter
Mikrospektrometer

Mikrospektrometer von Hamamatsu Photonics

Ultrakompaktes Mikrospektrometer für vielseitige Anwendungen

Präzise Raman-, UV/VIS- und NIR-Messungen in tragbaren Geräten

Mikrospektrometer
S2 PICOFOX

S2 PICOFOX von Bruker

Schnelle und präzise Spurenelementanalyse unterwegs

TXRF-Technologie für minimale Proben und maximale Effizienz

Totalreflexions-Röntgenfluoreszenzspektrometer
2060 Raman Analyzer

2060 Raman Analyzer von Metrohm

Selbstkalibrierendes Inline-Raman Spektrometer

Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase analysieren - für reproduzierbare, genaue Ergebnisse im Prozess

INVENIO

INVENIO von Bruker

FT-IR Spektrometer der Zukunft: INVENIO

Völlig frei aufrüstbares und konfigurierbares FT-IR Spektrometer

FT-IR-Spektrometer
contrAA 800

contrAA 800 von Analytik Jena

contrAA 800 Serie – Atomic Absorption. Redefined

Kombiniert das Beste der klassischen Atomabsorption mit den Vorteilen von ICP-OES-Spektrometern

ICP-OES-Spektrometer
novAA®  800

novAA® 800 von Analytik Jena

Der Analysator für Sie - novAA 800-Serie

Das zuverlässige Multitalent für die effiziente und kostengünstige Routineanalyse

SPECORD PLUS

SPECORD PLUS von Analytik Jena

Die neue Generation der Zweistrahlphotometer von Analytik Jena

Der moderne Klassiker garantiert höchste Qualität

ZSX Primus IV/IVi

ZSX Primus IV/IVi von Rigaku

Hochpräzise WDXRF-Analyse für industrielle Anwendungen

Maximale Empfindlichkeit und Durchsatz für leichte Elemente und komplexe Proben

Micro-Z ULS

Micro-Z ULS von Rigaku

Schwefelgehalt in Kraftstoffen genau messen: WDXRF-Analysator

Zuverlässige Routineuntersuchungen mit 0,3 ppm Nachweisgrenze und kompaktem Design

WDXRF-Spektrometer
BIOS ANALYTIQUE - Soluciones de Renting y Leasing para laboratorios

BIOS ANALYTIQUE - Soluciones de Renting y Leasing para laboratorios von Bios Analytique

Ihr Spezialist für Vermietung und Leasing von Laborinstrumenten in Europa

Beim Finanzieren geht es nicht nur ums Geld verleihen - Es geht um Lösungen, die Wert schaffen

Laborgeräte
SPECTRO ARCOS

SPECTRO ARCOS von SPECTRO Analytical Instruments

Optisches Emissions-Spektrometer mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES) für höchste Ansprüche

Das SPECTRO ARCOS ICP-OES bietet Elementanalytik auf einem neuen Niveau

ICP-OES-Spektrometer
SR Series Spectrometer

SR Series Spectrometer von Ocean Insight

Der neue Ocean SR2 liefert das beste SNR seiner Klasse für konfigurierbare Spektrometer

Hochgeschwindigkeits-Spektrenerfassung mit fortschrittlicher Signal-Rausch-Leistung

Spektrometer
Loading...

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...