Sartorius lässt sich mit weiteren Zukäufen Zeit
(dpa-AFX) Nach einer regen Übernahmetätigkeit muss der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius nun das Tempo seiner Zukäufe drosseln. Die zuletzt stark gestiegenen Bewertungen von Technologiefirmen erschweren derzeit die Einkaufstour des künftigen MDax-Mitglieds. "Wir schauen uns um und werden auch aktiv, wenn sich eine Chance bietet, aber wir wollen kein Wachstum um jeden Preis", erklärte Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg in einem Interview mit den Nachrichtenagenturen dpa-AFX und dpa am Wochenende in Göttingen.
Sartorius hat derzeit gut 2 Milliarden Euro für Übernahmen im Köcher. Hierfür gelten klare Kriterien: "Wir haben in der Vergangenheit Unternehmen gekauft, die sich ein neues Marktsegment erschlossen haben und darin die Nummer eins sind", erklärte der Konzernchef. Der perfekte Kandidat müsse auch diesmal "kulturell zu uns passen, innovativ sein und unser Geschäft ergänzen", so Kreuzburg. Sartorius wolle seinen Kunden durch das Zusammenfügen von Technologien "leistungsfähigere Lösungen" bieten.
Zuletzt hatte Sartorius durch den Zukauf des US-Unternehmens Essen BioScience sein Geschäft mit Bioanalytiksystemen weiter ausgebaut. Aktuell haben es die Niedersachsen vor allem auf den stark wachsenden Gesundheitsmarkt in China abgesehen. Dort spielte Erfindungsreichtum laut dem Sartorius-Chef in der Pharmabranche lange keine Rolle, aktuell gebe es aber "unglaubliche Fortschritte". Er gehe deshalb davon aus, "dass wir hier in den nächsten fünf Jahren auch attraktive Ergänzungen finden werden", so Kreuzburg.
Asien und insbesondere China sind einer der größten Treiber in Kreuzburgs neuer Wachstumsstrategie. Der studierte Maschinenbauer und promovierte Volkswirt führt den Göttinger Konzern bereits seit mittlerweile mehr als zwölf Jahren. In dieser Zeit hat Sartorius seinen Umsatz mehr als verfünffacht, 2017 erlöste der Konzern 1,4 Milliarden Euro. Die aktuellen Wachstumsziele sehen bis 2025 nahezu eine Verdreifachung der Erlöse auf rund 4 Milliarden Euro vor. Hiervon will Sartorius zwei Drittel aus eigener Kraft stemmen, der Rest soll durch Übernahmen kommen.
"Im Durchschnitt gehen wir von einem organischen Wachstum weltweit von rund 10 Prozent aus. Die USA dürften wegen des dort dynamisch wachsenden Marktes etwas darüber liegen, Europa wird wohl bei etwa 7 bis 8 Prozent herauskommen." In Asien rechnet der Sartorius-Chef mit einem organischen Zuwachs "um 15 Prozent".
Der Konzern mit Stammsitz in Göttingen beschäftigt aktuell weltweit rund 8.000 Mitarbeiter. Die Zahl soll bis 2025 auf rund 15.000 steigen. Göttingen bleibe "Herz, Kopf und Motor des Konzerns", so Kreuzburg, doch soll hier die Zahl der Arbeitnehmer unterproportional von aktuell 2800 auf dann 3500 klettern. Sartorius ist in der niedersächsischen Stadt mit gut 120.000 Einwohnern der größte private Arbeitgeber, kämpft am Standort aber mit Problemen wie dem Fachkräftemangel.
Ein prozentual deutlicherer Arbeitsplatzaufbau sei in China mit aktuell 200 Mitarbeitern geplant, auch weil dort die Regulierungsvorgaben der Regierung die Einbindung lokaler Anbieter nötig machten. "Außerdem haben wir in unserem Werk in Peking noch Kapazitäten zum Ausbau."
Sartorius stellt in seiner Laborsparte unter anderem Bioanalytiksysteme und Waagen her. Die umsatzmäßig größere Sparte Bioprocess Solutions liefert Produkte für die Herstellung von Biopharmazeutika. Nach zwischenzeitlichen Problemen im diesem Bereich laufen beide Sparten aktuell rund. Auch für die Zukunft sieht Kreuzburg den Konzern bestens aufgestellt: Sartorius profitiere derzeit von einer regen Forschungsaktivität der Pharmakonzerne und einer - nach einer Delle - wieder steigenden Zahl von Medikamentenzulassungen. "Vor allem neue medizinische Ansätze bergen auch für uns enormes Wachstumspotenzial." Dies gelte etwa für neue Krebstherapie oder die noch am ganz am Anfang stehende Genscheren-Technologie.
Auch die medizinische Unterversorgung ganzer Kontinente wie Afrika begreift Kreuzburg als Chance. "Das ist ein riesiger Bedarf, der aber nicht zu den aktuellen Preisen gestillt werden kann." Hier setze Sartorius an. "Wir entwickeln unser Produktportfolio gezielt dahingehend, dass unsere Kunden Medikamente schneller und billiger entwickeln können." Daher sieht der Sartorius-Chef sein Unternehmen auch als Gewinner der aktuellen Diskussion um steigende Medikamentenpreise vor allem in den USA. Dort nahmen zuletzt auf Druck von US-Präsident Donald Trump einige große Pharmafirmen gar Abstand von Preisanhebungen.
Zu den erst kürzlich angehobenen Umsatzzielen für 2018 sieht Kreuzburg den Sartorius-Konzern im bereits fortgeschrittenen dritten Quartal auf einem guten Weg. Zum bisherigen Verlauf im Jahresviertel äußerte er sich nicht. An seiner wegen der niedrigen Dividendenrendite nicht unumstrittenen Ausschüttungspolitik will der Konzernchef indes nicht rütteln. Die Aktionäre sollen weiterhin ein Viertel des maßgeblichen Jahresüberschusses erhalten. "Für unsere Investoren schaffen wir mehr Wert, wenn wir unseren Gewinn gut reinvestieren", ist Kreuzburg überzeugt.
Tatsächlich ist Sartorius durch den rasanten Kursanstieg der vergangenen Jahre inzwischen mehr als 10 Milliarden Euro wert. Dies bringt dem Konzern zum 24. September den Aufstieg in den dann neu aufgestellten Mittelwerteindex MDax, gleichzeitig bleibt Sartorius weiter im TecDax.