Glücksfall im Forschungsfeld Magnetismus
Wissenschaftler entdecken zufällig neue Licht-Materie-Wechselwirkung, mit der sie Nanometer kleine magnetischen Strukturen schreiben können
Alejandro Posada und Felix Groß
„Wir wissen nicht, wie Licht Materie schreibt“, sagt Dr. Joachim Gräfe, Leiter der Forschungsgruppe Nanomagnonik und Magnetisierungsdynamik am MPI-IS. Er ist einer der Hauptautoren der Studie. „Wir können bestimmte Eigenschaften phänomenologisch beschreiben. Wir wissen, dass es mit dem Röntgenstrahl zu tun hat. Es ist nicht nur ein Energieeintrag wie Wärme, der das Skyrmion schreibt. Es ist wirklich ein resonanter Effekt: wir können die Atome, die für den Magnetismus verantwortlich sind, direkt anregen.“ So konnten er und sein Team „MPI-IS“ schreiben, wie auf einem Bild zu sehen ist (siehe Abbildung).
Skyrmionen sind 100 Nanometer kleine dreidimensionale Strukturen, die in magnetischen Materialien vorkommen. Sie ähneln kleinen Spulen: atomare Elementarmagnete – sogenannte Spins –, die sich in geschlossenen Wirbelstrukturen anordnen. Skyrmionen sind topologisch geschützt, d. h. in ihrer Form unveränderbar und gelten daher als energieeffiziente Datenspeicher.
Einen völlig neuen Effekt zu entdecken ist ein Glücksfall, von denen Wissenschaftler im Laufe ihrer Karriere nur wenige, vielleicht niemals einen erleben. „Das ist mit das spannendste Skyrmion-Projekt, das wir in den vergangenen Jahren umgesetzt haben“, so Gräfe weiter. „Wir haben einen neuen Effekt entdeckt – völlig unerwartet und überraschend für uns.“ Dank der Forschungsarbeit könne nun praktisch jedermann mit einem Röntgenstrahl verschiedenste Skyrmionen-Anordnungen in magnetischen Schichten schreiben. Das werde mehrere völlig neue Forschungsfelder erschließen. Zielgenau magnetische Strukturen schreiben zu können, eröffne völlig neue Möglichkeiten.
Die Ergebnisse sind insbesondere für die Entwicklung und Herstellung sogenannter spintronischer Datenträger relevant, die Informationen in Skyrmionen speichern. Sie gelten als sehr energieeffizient und wenig störanfällig. Doch nur, wenn Skyrmione präzise und passgenau kreiert werden können – und das ist nun erstmals möglich geworden – kann diese Entwicklung ihren Lauf nehmen. „Unser Ziel ist es, dass Röntgenstrahlen in Zukunft als Werkzeug dienen, um die Anordnung magnetischer Strukturen zu bestimmen bzw. zu schreiben.“
Um Skyrmion sichtbar zu machen, nutzen die Forscher ein Rastertransmissions-Röntgenmikroskop: MAXYMUS, ein hochauflösendes Röntgenmikroskop, 1,8 Tonnen schwer, angesiedelt am BESSY II, einer 80 Meter breiten Synchrotronstrahlungsquelle des Helmholtz-Zentrums Berlin in Adlershof. MAXYMUS steht für „MAgnetic X-raY Micro- and UHV Spectroscope“. Das Mikroskop ist wie eine Kamera: Es verfolgt in Zeitlupenfilmen, wie sich die Struktur in Materialien auf der Größe nur weniger Nanometer ändert. Das Besondere an diesem Rasterröntgenmikrospektroskop ist sein breites Anwendungsspektrum – etwas, das viele der weltweit führenden Forscher anzieht. Es gibt weit mehr Anträge, an Maxymus forschen zu wollen, als es die Kapazität hergibt. Das zeige, wie attraktiv die Arbeit mit dem Mikroskop sei, so Gräfe. Toll sei auch, dass mit Maxymus viele gemeinsame Projekte möglich gemacht werden.