Die Atmosphäre als Müllhalde: Das letzte Jahrzehnt schlägt viele Rekorde

Höchststand bei allen Klimakillern und in allen Sektoren

11.11.2021 - Deutschland

Der Anti-Methan-Pakt von fast 100 Staaten zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Glasgow macht deutlich: Beim Kampf gegen die Erderhitzung rücken außer Kohlendioxid auch andere Treibhausgase in den Blick. Doch welches Gewicht haben die einzelnen Klimakiller, wieviel wird emittiert und von welchen Ländern und Sektoren? So umfassend wie nie zuvor hat jetzt ein Forschungsteam die Gesamtrechnung vorgelegt. Federführend war das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die entsprechende Studie wurde in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht.

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Symbolbild

„Eine verlässliche Klimawende hin zu Treibhausgas-Neutralität erfordert Klarheit über den Ausgangspunkt“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und ein Leitautor der Studie. „Sonst sind Zusagen von Ländern, Emissionen um einen bestimmten Prozentsatz zu senken, ohne eindeutigen Bezug und internationale Kooperationen entsprechend erschwert. Wir legen hier für praktisch alle Treibhausgase eine globale Bestandsaufnahme für die Jahre 1970 bis 2018 vor, auf Basis aktuellster für diese Gesamtschau verfügbarer Daten, mit einer Schnellschätzung für 2019. Zudem charakterisieren wir die Unsicherheiten.“ Der Datensatz ist öffentlich zugänglich beim Online-Speicherdienst Zenodo abgelegt.

Verzeichnet sind neben Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) auch Lachgas (N2O) sowie fluorierte Treibhausgase, namentlich Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3). Primärdatenquellen sind die unter dem Dach der EU-Kommission gepflegte globale Datenbank EDGAR, etablierte Schätzmodelle für den Einfluss von Landnutzung und Forstwirtschaft sowie weitere Forschungsarbeiten. Die Umrechnung in CO2-Äquivalente erfolgt wie in der Klimawissenschaft üblich nach dem Erderwärmungspotenzial auf Sicht von 100 Jahren.

Eine zentrale Aussage lautet: Der Ausstoß von Treibhausgasen, mit denen die Menschheit wie auf einer riesigen Müllhalde die Atmosphäre belastet, ist in dem von der Studie erfassten Zeitraum jedes Jahrzehnt gestiegen. Das gilt für jede einzelne Gruppe von Treibhausgasen und für jeden Sektor. Der absolute Anstieg der durchschnittlichen Emissionen war über ein Jahrzehnt betrachtet nie größer als zwischen den 2000er und den 2010er Jahren, auch wenn sich der jährliche prozentuale Zuwachs zuletzt deutlich verlangsamt hat. Das wichtigste, am meisten diskutierte Treibhausgas Kohlendioxid hatte an den 58 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2018 nur einen Anteil von 76 Prozent (66 Prozentpunkte aus fossilen Brennstoffen und Industrie, 10 Prozentpunkte aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft). Von Methan kamen 17 Prozent des Treibhausgas-Effekts, von Lachgas 5 Prozent und von Fluorgasen 2 Prozent.

Die Studie zeigt auch Detailergebnisse für Länder und Sektoren: etwa dass im Zeitraum 2009 bis 2018 die Türkei und die weltweite Metall-Industrie die jeweils größten prozentualen Emissionszuwächse hatten, die größten absoluten Zuwächse hingegen China und die weltweiten Strom- und Wärmeerzeugung. Zudem wird der ermittelte Emissionsanstieg für einzelne Treibhausgase und Sektoren in den Kontext von Zukunftsszenarien gesetzt – das illustriert, was die Politik tun müsste, um die Erderhitzung wie im Weltklimaabkommen von Paris vereinbart auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen.

„Die Bestandsaufnahme der Treibhausgas-Emissionen ist auch bedeutsam mit Blick auf wissenschaftliche Sachstandserhebungen, etwa die Berichte des Weltklimarats IPCC oder der UN Emissions Gap Report“, sagt William Lamb, Wissenschaftler am MCC und ebenfalls Leitautor der Studie. „Sie führt vor Augen, dass die Klimawende noch aussteht. Es ist höchste Zeit für Fortschritt. Unsere Studie kann helfen, ihn zu messen.“

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