Stagnation im Jahr 2012
Realismus muss Richtschnur der Tarifrunde sein
An der Verbandsumfrage beteiligten sich 78 Unternehmen mit 71,5 Prozent der Chemiebeschäftigten in Hessen. Zudem wurden Zahlen der amtlichen Statistik ausgewertet. Die hohe Kapazitätsauslastung im 1. Halbjahr und gestiegene Erzeugerpreise sorgten im Jahr 2011 in der chemisch- pharmazeutischen Industrie in Hessen für zufriedenstellende Erträge. Erfreulich: Hierdurch wurden 600 neue Arbeitsplätze geschaffen. Nach eigener Erhebung erreichte die Zahl der Ausbildungsplätze mit 1.524 neuen Stellen einen Höchststand.
Ungleichgewicht zwischen Inlandsmarkt und Export
Diese positiven Zahlen dürfen aber nicht über die Abkühlung in der zweiten Jahreshälfte hinwegtäuschen. Insbesondere das Inlandsgeschäft hat sich im 2. Halbjahr deutlich abgeschwächt. Die Inlandsumsätze blieben 2011 insgesamt um 2,1 Prozent unter ihrem Vorjahresniveau. „Dass die Gesamtumsätze dennoch um 4,9 Prozent gesteigert werden konnten, verdanken wir den im Jahresdurchschnitt um 3,5 Prozent gestiegenen Verkaufspreisen sowie dem guten Exportgeschäft“, so Karl- Hans Caprano, Vostandsvorsitzender der HessenChemie, in seinem Statement.
Im Bereich der „klassischen“ Chemiesparten lag die Produktion 2011 um 0,3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Zwar gab es im ersten Halbjahr noch ein Plus von 4,1 Prozent, im 2. Halbjahr sank sie aber um 4,7 Prozent. Nur dank höherer Erzeugerpreise und des stabilen Exports konnten die Umsätze um knapp 5 Prozent zulegen. Auch bei den hessischen Pharmaunternehmen sorgte der Export mit einem Plus von 9,6 Prozent für eine positive Geschäftsentwicklung. Aufgrund der staatlichen Markteingriffe schrumpften allerdings die Inlandsumsätze um 4,6 Prozent. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die überwiegend vom Inlandsmarkt abhängig sind, werden hiervon getroffen. Die politischen Regulierungsmaßnahmen kritisierte auch der Vorstandsvorsitzende: „Offensichtlich hat es der Politik bei ihren Sparmaßnahmen am richtigen Augenmaß gefehlt.“ 2011 hatten sowohl die gesetzlichen Krankenkassen als auch der Gesundheitsfonds erhebliche Überschüsse erzielt. „Es ist nicht Aufgabe der Pharmaindustrie oder der Beitragszahler, Überschüsse im Gesundheitssystem aufzubauen.“
Die Risiken waren noch nie so groß
Die Erhebungen zeigen, dass besonders die Staatsschuldenkrise in Europa, die hohen Energie- und Rohstoffkosten und die schwache Konjunktur in vielen europäischen Ländern die Unternehmen verunsichern. Die Unsicherheit der Öllieferungen aus dem Iran, die zunehmende Spekulation auf steigende Ölpreise und die Befürchtungen in Bezug auf die Folgen des deutschen Atomausstiegs machen die Kostenentwicklung für Rohstoffe und Energie zunehmend unkalkulierbar.
Wegen des schwachen 2. Halbjahrs 2011 und der erheblichen Risiken fällt der Ausblick von Caprano für das Jahr 2012 eher verhalten aus. „Im vierten Quartal 2011 lag die Produktion in den klassischen Chemiesparten um 6,9 Prozent unter dem Vorjahresniveau.“ Die Branche startete damit von einem niedrigen Ausgangsniveau in das Jahr 2012. „Das bedeutet, dass von Quartal zu Quartal jeweils knapp 3,9 Prozent Produktionswachstum erforderlich sind, um 2012 die Produktionsmenge des Vorjahres zu erreichen. Insofern ist unsere Prognose für Nullwachstum in diesem Jahr durchaus optimistisch.“ Unter diesen Vorzeichen sieht Caprano auch die Forderung der Gewerkschaft nach 6 Prozent mehr Entgelt kritisch. „Die Beschäftigten der chemischen Industrie haben im Jahr 2011 mit 4,1 Prozent die höchste Tariferhöhung in Deutschland bekommen. Mit den Zahlen des 2. Halbjahres hätte diese Marke nicht mehr gepasst. Aus Sicht der Arbeitgeber muss in einem Jahr der Stagnation, Realismus die Richtschnur der Tarifrunde sein.“
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