Übergang zur Quantenwelt sichtbar machen
Ein Auto ist zur selben Zeit an nur einem Ort. Dieser Ort ist genau bestimmbar wie auch die Geschwindigkeit des Wagens: In der Welt, in der wir leben, gelten die uns bekannten Naturgesetze. Aber diese Gesetze – und damit auch die klassische Physik – stoßen in Dimensionen kleiner als ein Atom an eine Grenze. Ab diesem Punkt ist in der Mikrowelt alles anders: Quantenteilchen, auch Photonen oder Lichtquanten genannt, sind gleichzeitig an mehreren Orten und dazu noch verschieden schnell – es gelten die Gesetze der Quantenwelt. Über diesen Übergang der „zwei Welten“, an dem Naturgesetze enden und Quantengesetze beginnen, ist heute wenig bekannt. „Die Welt der Quanten lässt sich nicht einfach auf genau vermessbare, große Systeme übertragen“, erklärt Frank Wilhelm-Mauch.
Der Theoretische Physiker und seine Arbeitsgruppe haben mit mathematischen Methoden ein Mikro-Labor entwickelt, das einem Stück gewöhnlichem Antennenkabel ähnelt, das es aber möglich machen soll, den Übergang der beiden Welten in einem steuerbaren System zu untersuchen. „Wir erwarten, dass die Quanteneigenschaften bei einer bestimmten Größe schwächer werden oder sogar ganz verloren gehen. Um diesen Übergang gezielt zu erforschen und den Quantenzustand gezielt zu untersuchen, stellen wir mit unserem neuartigen Konzept ein sehr großes Testsystem von 100 unterscheidbaren Photonen als Grundlage für Messungen bereit, und zwar ohne, dass ein Photon dabei verloren geht. Das Kabel wird aus supraleitendem Material bestehen und die Untersuchungen erfolgen bei tiefen Temperaturen“, erklärt Professor Wilhelm-Mauch.
Bislang sind solche Unterfangen verlustreich: Von hundert Photonen kann mit den heute existierenden Methoden im Endeffekt nur eines untersucht werden. Da die Lichtquanten gleichzeitig mehrere Zustände einnehmen, ist eine Messung zudem, sobald sie erfolgt, nur ein winziger Ausschnitt aus einem höchst komplexen Vorgang: Der Messwert beschreibt immer nur einen einzigen der Zustände. „Aus diesem Grund machen wir unser Testsystem mit 100 Photonen so groß wie heute möglich, um diese hochverschränkten, also miteinander verwobenen Vorgänge zu untersuchen. Die Messwerte erlauben damit eine erheblich genauere Sicht auf die Abläufe“, erklärt er.
Die Forscher überlisten hierzu die Gesetze der klassischen Optik. Sie kombinieren die Quantenoptik mit so genannten „linkshändigen Medien“ und leiten hierfür Lichtteilchen durch ein „Metamaterial“. Solche Gitter aus Nanostrukturen, an denen schon seit längerem in der klassischen Optik geforscht wird, haben eine besondere Fähigkeit: Licht, das auf sie fällt, wird stärker gebrochen als in der Natur, also wie zum Beispiel von Wasser. Die Winkel der Lichtbrechung können beeinflusst werden. Auch die Saarbrücker Physiker haben mathematisch ein solches Gitter für Photonen der Mikrowellenstrahlung maßgeschneidert, das erstmals gut genug für quantenoptische Untersuchungen ist. Es besteht aus einer Reihenschaltung winziger Kondensatoren und Spulen. Mit diesem Wellenleiter können sehr viele Photonen auf kleinsten Raum gepackt und im Kabel geführt werden. Dies wollen die Forscher für quantenoptische Messungen nutzen.
Vor allem den Übergang zur Quantenwelt zu untersuchen, ist für die Forscher interessant. Das Wissen über diese Schnittstelle kann das Wissen über unsere Welt genauer machen, denn auch – oder gerade – hier haben die Quanten ihre Effekte. So könnten sich neue Möglichkeiten etwa für den Quantencomputer eröffnen: „Wenn wir herausfinden, wie groß ein Quantensystem maximal sein kann, damit es noch quantenmechanischen Gesetzen folgt, könnten wir die Speicherkapazität so groß wie möglich machen“, erklärt Wilhelm-Mauch. Der Theoretische Physiker forscht im internationalen Forschungsnetzwerk „Scaleqit“ am Quantencomputer und hat für diesen bereits einen hocheffizienten Mikrowellen-Detektor entwickelt, der Photonen mit hundertprozentiger Effizienz nachweisen kann. Derzeit arbeiten Wissenschaftler der Universitäten Karlsruhe und Syracuse (USA) am Prototyp des Labors.