Symmetrische Moleküle selektiv brechen

12.05.2014 - Deutschland

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat eine Kontrollmöglichkeit gefunden, mit Hilfe von Lichtwellen eines Femtosekundenpulses selektiv C-H Bindungen in symmetrischen Kohlenwasserstoffmolekülen zum Schwingen und Brechen zu bringen.

Foto: Christian Hackenberger, MPQ, Abt. Attosekundenphysik

Illustration der gerichteten Protonenemission aus Acetylen mit einer spezifischen Laserwellenform. Die kohärente Überlagerung der Schwingungen, die für den selektiven Bindungsbruch verantwortlich ist, entsteht durch eine Kombination aus der Laseranregung der asymmetrischen CH-Streckschwingung und der Anregung der symmetrischen CH-Streckschwingung in den Ionisationsschritten, die durch einen Farbwechsel von Grün (neutral) über Gelb (Kation) nach Orange (Dikation) angedeutet sind.

Chemische Bindungen zwischen Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen gehören zu den stärksten in der Natur. Für die chemische Synthese und die Entwicklung neuer biologisch-aktiver Moleküle ist es von großem Interesse, insbesondere in symmetrischen Molekülen, diese Bindungen selektiv zu brechen. Am Beispiel von Acetylen-Ionen hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam gezeigt, dass dies mit ultrakurzen Lichtpulsen maßgeschneiderter Wellenform möglich ist. Die Forscher fanden heraus, dass sie durch Variation der Pulsform steuern können, welche der beiden C-H Bindungen des symmetrischen H-C≡C-H Moleküls bricht. In ihrer Veröffentlichung erklären sie ihre Ergebnisse mit einem neuen Quantenkontrollmechanismus, der auf der Kombination licht-induzierter Schwingungen beruht.

Kohlenwasserstoffe spielen eine bedeutende Rolle in der organischen Chemie, der Verbrennung und der Katalyse. Der selektive C-H Bindungsbruch könnte neue Perspektiven für die Synthese von Molekülen mit neuartigen Funktionalitäten und Anwendungen in der Medizin eröffnen. Bisher gab es vor allem für symmetrisch aufgebaute Moleküle kein Verfahren, das diesen Prozess ermöglicht hätte. Prof. Ali Alnaser (Amerikanische Universität Sharjah, VAE), der sein Forschungsfreisemester in der Abteilung von Prof. Ferenc Krausz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) im Rahmen einer Kollaboration zwischen dem MPQ, der King-Saud Universität (KSU) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) verbracht hat, konnte dieses Problem zusammen mit einem Physikerteam unter der Leitung von Prof. Matthias Kling (LMU) mit Hilfe ultrakurzer Lichtpulse lösen. Mit entscheidend für den Erfolg der Experimente war die Erzeugung der Lichtpulse mit einer hohen Wiederholrate von zehntausend Pulsen pro Sekunde in der Gruppe von Prof. Ulf Kleineberg (LMU), wodurch die Messzeiten gegenüber bisher verfügbaren Systemen reduziert werden konnten. Theoretische Arbeiten aus der Gruppe von Prof. Regina de Vivie-Riedle (LMU) erklären im Einzelnen, welche Vorgänge in der Wechselwirkung von Laserpuls und Molekül zu diesem Effekt führen.

Für ihre experimentellen Untersuchungen verwendeten die Forscher Acetylen (C2H2): In diesem Molekül sind die zwei Kohlenstoffatome über drei Elektronenpaare sehr stark gebunden, während die Wasserstoffatome an den beiden Enden des linearen Moleküls sitzen. Auf einen Molekularstrahl von C2H2-Molekülen in einem sogenannten Reaktionsmikroskop schickten die Wissenschaftler eine Serie von ultrakurzen Pulsen weniger Schwingungszyklen mit einer Dauer von nur vier Femtosekunden (1 fs = 10 hoch minus15 Sekunden). „Als Folge der Wechselwirkung mit der Welle eines Lichtpulses zerfällt das Molekül – nach seiner Doppelionisation – in ein positiv geladenes C2H+ Ion und ein Proton, welche wir beide in dem Reaktionsmikroskop detektieren“, beschreibt Prof. Ali Alnaser.

Für jeden Laserpuls, der mit den Molekülen in Wechselwirkung tritt, wurde die Wellenform exakt vermessen. Da Acetylen ein symmetrisches Molekül ist, brechen die C-H Bindungen auf beiden Seiten typischerweise mit der gleichen Wahrscheinlichkeit. In ihrem Experiment konnten die Forscher allerdings nachweisen, dass sich die Wahrscheinlichkeit, die linke bzw. die rechte C-H Bindung zu brechen, mit der Wellenform des Laserpulses steuern lässt (siehe Abbildung).

Quantendynamische Simulationen zeigen, auf welche Art der Laser-Molekül-Wechselwirkung dieser Effekt zurückgeht. „Das bereits bekannte Schema, in dem molekulare Reaktionen mittels Elektronendynamik gesteuert werden, welche wiederum mit Hilfe der Wellenform kurzer Laserpulse erzeugt wird, funktioniert hier nicht“, erklärt Prof. de Vivie-Riedle. „Wir haben hier einen neuen Quantenkontrollpfad entdeckt, über den die Reaktion verläuft.“ Danach regt der aus wenigen Zyklen bestehende Laserpuls zunächst diejenigen Schwingungen an, die laser-aktiv sind. Eine dieser Schwingungen ist die anti-symmetrische Streckschwingung, bei der sich eine C-H Bindung verlängert, während sich die andere verkürzt. Wenn der Laserpuls sein maximales elektrisches Feld erreicht, entfernt er ein Elektron aus der CC-Dreifachbindung; das Molekül wird ionisiert. Bei diesem Prozess werden zusätzlich die laser-inaktiven Schwingungsmoden angeregt. Eine dieser Moden ist die symmetrische CH-Streckschwingung, bei der sich beide H-Atome synchron auf die CC Gruppe zubewegen oder von ihr entfernen. Im weiteren Verlauf des Laserpulses wird das frei gesetzte Elektron auf das molekulare Kation zurückbeschleunigt, entfernt dort ein zweites Elektron, und es entsteht ein Acetylen Dikation, welches schnell in das C2H+ Ion und ein Proton dissoziiert, die in dem Experiment nachgewiesen werden.

„Molekülschwingungen, die unabhängig voneinander angeregt werden, können die Messergebnisse nicht erklären. Voraussetzung für die von der Wellenform abhängige beobachtete Asymmetrie in der Verteilung der Reaktionsprodukte ist ein Quanteneffekt: die kohärente Überlagerung der symmetrischen und anti-symmetrischen Streckschwingung. Als Konsequenz dieser Interferenz kann es dazu kommen, dass nur eine C-H Bindung schwingt, während die andere unverändert bleibt“, erläutert Prof. de Vivie-Riedle. „Diese Art, das Molekül zu beeinflussen, führt zu dem beobachteten spezifischen C-H Bindungsbruch. Die Wellenform des Lasers kontrolliert die Überlagerung der Schwingungsmoden und damit die Richtung in die sich das Schwingungswellenpacket im Dikation bewegt“, ergänzt Prof. Matthias Kling.

Die Forscher sehen die Ergebnisse ihrer Studien als „proof-of-principle“ für einen neuen Quantenkontrollmechanismus. „Die Kontrolle über die Laserwellenform ist allgemeiner Natur. Wir vermuten deshalb, dass die Methode auch für andere, komplexere molekulare Prozesse funktionieren könnte“, sagt Prof. Ali Alnaser, der seine Forschungen in diese Richtung ausweiten will. Er fügt hinzu: „In unserer Arbeit haben wir die Schwingungen nichtresonant angeregt. Eine bessere Kontrolle könnten wir erzielen, wenn wir eine resonante Anregung mit ultrakurzen Lichtpulsen im mittleren Infrarot vornehmen. Die dafür notwendigen Lasersysteme werden derzeit entwickelt. Sie ebnen den Weg, das Potential des neuen Kontrollschemas voll auszuschöpfen.“

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